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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

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Altner, Günter: Die ökologische Frage als eine Herausforderung für eine Ethik der Mitkreatürlichkeit bei der technischen Gestaltung von Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0020

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nommen, so daß wir es mit einer durch C02
angereicherten Erdatmosphäre zu tun haben,
die als Wärmekäfig oder als Gewächshaus wirkt,
d.h. die Wärmestrahlung der Sonne wird durch
diese Situation eingefangen, die Abstrahlung
kann nicht mehr so wie in früheren Jahren er-
folgen, und als Konsequenz dieser Entwicklung
beginnt sich das Weltklima zu erwärmen. Wir
haben jetzt schon eine Erwärmung, die in der
Größenordnung von knapp 1 °C liegt verglichen
mit dem Klima zurückliegender Jahrzehnte. Die
Experten sagen - mit der Ausnahme weniger
Außenseiter - mit großer Übereinstimmung vor-
aus, daß wir in den nächsten Jahrzehnten mit
einem Klimaanstieg in der
Größenordnung von 1,5 bis 4,5°C zu rechnen
haben werden. Und dies wird erhebliche Kon-
sequenzen haben: Abschmelzen der Eiskappen
an den Polen, Anstieg der Ozeane, Überflutung
küstennaher Länder - hier insbesondere einer
ganzen Reihe von Entwicklungsländern -, Ver-
schiebung der Klimazonen, insbesondere der
Steppen- und Wüstenbereiche nach Norden,
und insgesamt auch in den gemäßigten Breiten
eine Zunahme der Virulenz des Klimas. Auch
hier gibt es konkrete Erfahrungen, die Ansätze
für diese Entwicklung bedeuten könnten.

Es ist ganz offensichtlich, daß im Zuge dieser
Veränderungen nicht nur die Umwelt einer gra-
vierenden irreversiblen Veränderung unterwor-
fen ist, sondern daß gleichzeitig damit auch
die soziale und gesellschaftliche Situation
vieler Länder betroffen sein wird, und das
Mindeste, was hier registriert werden muß,
ist eben die Möglichkeit, daß im Zuge dieser
Veränderungen die heute schon in Gang
gekommene Bewegung der Bevölkerung
(Massenwanderungen) im Blick auf die Zukunft
entsprechend ansteigen wird.

Anhand einer Kurve läßt sich die C02-Konzen-
tration in der Erdatmosphäre im Zeitverlauf dar-
stellen. Vor 100 Millionen Jahren fällt die
C02-Kurve, sinkt also die C02-Konzentration
auf der Erde dynamisch, das ist das Verdienst
und die Leistung der Pflanzen und zur Photo-
synthese befähigter Systeme, die das C02 in
ihre Kohlenstoffverbindungen einbauen. Dann
kommt es über Jahrmillionen hinweg zu einer
erstaunlich stabilen Entwicklung, zu einem
Gleichgewicht, das auch in der Eiszeit und in
den Zwischenwarmzeiten dynamisch hin und
her schwingt, aber nicht zerbricht. Erst heute

drohen wir innerhalb weniger Jahrzehnte
und Jahrhunderte das, was durch Jahr-
millionen bestanden hat, dadurch anzutasten,
daß wir die C02-Konzentration im Gefolge von
Verbrennungsprozessen so dynamisch anstei-
gen lassen, daß sich die Gleichgewichts-
bedingungen gefährlich verschieben.

Man könnte solche Sprungkurven fürviele Be-
reiche der Umweltbelastung im Gefolge des
technisch-industriellen Fortschrittes zeichnen,
und in diesen Sprungkurven liegt dann auch das
Problem. Wobei ich in Übereinstimmung mit der
Klima-Enquete des Deutschen Bundestages
im Blick auf die Verursacher sagen will: Zur
Zeit ist der Anstieg des C02 zu 75 bis 80 %
durch die Industrieländer auf der Nordhalbkugel
bedingt, erst in den nächsten Jahrzehnten wird
sich dann auch die Bevölkerungsexplosion in
Gestalt eines ständig wachsenden Energie-
hungers der Weltmenschheit zusätzlich dyna-
misierend auswirken.

Zum Grundsätzlichen zurückkehrend ist festzu-
halten, daß an diesem Beispiel - und andere
Beispiele könnte man daneben stellen - einige
sehr markante Defizite zum Ausdruck kommen,
die das Mensch-Natur-Verhältnis heute kenn-
zeichnen:

Das ist einmal der Beschleunigungseffekt. Das,
was im Zuge einer vielschrittigen, langfristigen,
Millionen Jahre dauernden Entwicklung stabil
war, droht heute innerhalb weniger Jahrzehnte
und Jahrhunderte aus dem Gleichgewicht
zu geraten. Die schnelle Eigendynamik der
menschlichen Kultur- und Zivilisationsent-
wicklung droht sich von der langsam laufenden
naturgeschichtlichen Entwicklung abzukoppeln.

Zweiter Aspekt ist die Globalität. Das, was heu-
te an C02-Ausstoß auf der Nordhalbkugel ge-
schieht, hat seine Wirkungen für die Erde, für
die Biosphäre insgesamt.

Der dritte Aspekt betrifft das Phänomen der
Zeitversetzung. Die Phänomene, die wir heute
voller Sorge beobachten, - das gilt im übrigen
auch für das Waldsterben - sind uns heute rela-
tiv offenbar, waren uns noch vor einigen Jahren
verborgen, und das hängt damit zusammen, daß
wir es im Bereich der Ökosysteme mit einer
gewissen Elastizität zu tun haben, mit der na-
türliche Systeme zunächst auf Kultureinflüsse
des Menschen reagieren. Alles scheint noch in

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