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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

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Oehlke, Horst: Design im Konflikt von Anspruch und Realität
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0116

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zen. Beispielsweise mit der Alibifunktion von
ökologisch sich gebendem Design, dessen
quantitative und qualitative Folgen gar nicht er-
faßt werden können.

Es ist aber festzuhalten, daß solcherart Fragen
und Behauptungen zunächst einmal sachlich
und ohne denunziative Absicht gestellt werden
können und müssen. Die hohe Dichte und Un-
durchsichtigkeit heutiger Prozesse und Struk-
turen sind der Grund für gebotene Vorsicht
sowohl hinsichtlich naiver Leichtgläubigkeit als
auch in bezug auf eiferndes Verteufeln.

Das Einfordern und Gewähren von mehr Trans-
parenz und sachlicher Darstellung wäre einer
der entkrampfenden Maßnahmen in diesem
Disput, in dem das Design starkeinbezogen ist,
in dem es aber mehr getrieben wird als selber
treibt.

Die oben beschriebene Situation des Design
heute beschäftigtvorallem auch die Berufsver-
bände, die Anspruch auf die Vertretung ihrer
professionellen Mitglieder erheben.

Die Absicht des VDID, vor zwei Jahren in einer
seiner Jahreshauptversammlungen beschlos-
sen, eine den heutigen Bedingungen und Be-
dürfnissen der Designer wie ihrer Partner
angemessene Definition des Berufsbildes zu
schaffen, offenbarte nicht nur die Schwierigkeit,
die mit Selbstbestimmungsanspruch operier-
enden unterschiedlichen Designergruppen auf
einen Nenner zu bringen, sondern sie legte
geradezu offen, daß die Frage des Selbst-
verständnisses von Designern und ihres
Verbandes zwar nicht einfach losgelöst von
berufspolitischen Fragen, aber doch in einer
grundsätzlichen, breiteren, offeneren Weise zu
diskutieren sind als diese, und daß diese Dis-
kussion ein ständiger Prozeß ist, der die jewei-
ligen beruflichen Bedingungen genauso
erfassen muß, wie das Bedürfnis nach einem
Bewußtmachen grundsätzlicher aber nicht star-
rer Maximen des gestalterischen Handelns.

Der besondere Status des Design

In nahezu jeder Disziplin ist die Problematik der
ethischen Verantwortung aufgebrochen und
wird neu gestellt.

Der Zerfall der relativ abgeschlossenen Gesell-
schaften und ihr wiederstrebendes Aufgehen in
globalen Systemen einerseits, die Einsicht in

ihre notwendige Neustrukturierung auch in re-
gionalen Zusammenhängen andererseits sind
einige der neuen Bedingungen.

Die Erfahrung der Grenzen quantitativer tech-
nischer Entwicklung und die exemplarischen
Fragen von qualitativ völlig neuen technischen
Möglichkeiten mit unabsehbaren Folgen sind
weitere.

Das Design ist dabei in einer geradezu zwittri-
gen, aber objektiv so gegebenen Lage. Infolge
seiner arbeitsteiligen und damit durchaus auch
gewollten, notwendigen und akzeptierten
Spezifik des Gegenstandes seiner Tätigkeit und
dem damit zusammenhängenden Erfordernis
der Kooperation mit vielen anderen Disziplinen
und Kompetenz- bzw. Entscheidungsebenen
kann es sich drehen und wenden wie es will, es
sitzt wie immer zwischen den Stühlen.

Hinzu kommt, daß sein Arbeitsgegenstand
hochkomplexer Natur ist, weil abhängig von
dynamischen sozialen Strukturen und Prozes-
sen, so daß an keiner Stelle die methodische
Sicherheit und die Konzentration auf einen en-
gen Gegenstand der Untersuchung wie teilwei-
se in den Naturwissenschaften, aber auch da
immer weniger, zugelassen ist.

Es ist in der Regel nur scheinbar wohldefiniert.
Aber eigentlich immer unwahrscheinlich. Das
führt dazu, statt Klärungen nur Verschlüsselun-
gen anzubieten.

Die engere und die weitere Verantwortung
des Design

Mit der Bestimmung bzw. Definition einer be-
stimmten professionellen Spezifik, die man für
das Design in den kommunikativ-ästhetischen
Funktionen von Designobjekten und ihren ent-
sprechenden anhängigen Prozessen sehen
kann, die zwar im Kern immer noch die Gestalt
bzw. das Erscheinungsbild der Objekte in ihrem
jeweiligen sozio-kulturellen Kontext, ihren
wirtschaftlich-ökonomischen Bedingungen und
ihrem ökologischen Umfeld zum Schwerpunkt
haben, aber eben nicht reduziert auf diesen,
könnte man sich ja immerhin auf diese designer-
ische Spezifik zurückziehen.Es wäre zumindest
ehrlich, das zu vertreten und sicher auch relativ
vernünftig und viele tun es mit Anstand und Fug
und Recht.

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