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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 15.1994

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Funke, Rainer: Statement im Arbeitskreis "Alternative Ausbildungskonzepte im Design"
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https://doi.org/10.11588/diglit.31839#0156

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Mitjedem Leitbild, das ich überein Werbeplakat
oder eine Autokarosse fixiere, mit jedem Mö-
belstück, welches ich für bestimmte Räume
entwerfe greife ich ein in die Ordnung und Dy-
namik menschlichen Zusammenlebens und
Handelns. Die Art, wie diese so entstehenden
Leitbilder von den Nutzern aufgenommen wer-
den, ist schließlich das Feld, auf dem entschie-
den wird, ob mein Entwurf Erfolg hat oder nicht.
Es ist das Feld der Deutungen und Bedeutun-
gen der Gegenstände.

Die Zivilisation des Abendlandes lebt in der Tra-
dition der Aufklärung, aberdiese Aufklärung war
eine, die das Verhältnis der Menschen zur Welt
betraf. Die Aufklärung des Menschen über sich
selbst, die Aufklärung über die Gesetze unse-
rer sozialen Interaktionen, unseres Handelns,
hat bislang nur einige Ansätze erfahren, und
auch diese Ansätze sind bisher noch sehr ge-
ring in unser Alltagsleben eingeflossen. Wir be-
herrschen es viel besser, mit den Dingen um-
zugehen und dabei die Dinge als ein Gegen-
über mit hinreichend distanzierender Fremdheit
zu handhaben als mit uns selbst umzugehen.
Die eigentliche, soziale Aufkiärung steht uns
noch bevor, und das Design wird hieran wesent-
lichen Anteil haben.

Daraus leiten sich neue Implikationen für einen
moralisch begründeten Design-Kodex ab wie:

- das zielgerichtete Hineinnehmen von
sozialen Intentionen in den Gestaltungs-
prozeß,

- das bewußte Bearbeiten von Sozialgestalten
(den konkreten Erscheinungsformen von
sozialen Beziehungen) im Zusammenhang
mit der Entwicklung von Gegenstands-
gestalten,

- die Auseinandersetzung mit Leitbildern in
ihrer konkreten Wirkung (nicht nur im Zusam-
menhang mit Werbeabsichten),

- Autentizität des designerischen Vorgehens
in Bezug auf das persönliche erleben des
Designers,

- die gleichberechtigte Anerkennung von sub-
jektiven und objektivierbaren Methoden der
Gestaltung auf der Grundlage qualifizierter
Wahrnehmung,

- neue Positionsbestimmung des Design zum
Verhältnis von Lust und Pflicht,

- Überwindung der Diskriminierung von Sub-
kulturen seitens eines sich der Hochkultur
zuweisendes Design.

Hinsichtlich der zweiten Ebene unserer Diskus-
sion, dem Nachdenken über alternative Aus-
bildungskonzepte lassen sich dann folgende
Prinzipien formulieren:

1. Wir brauchen repräsentationsfreie Be-
ziehungen zwischen Lehrenden und Studieren-
den, um offen zu sein, aus dem Blickwinkel
designerischer Intuition, Welt wahrzunehmen.

2. Wir brauchen weder Erziehung, bei der
der eine erzieht und der andere erzogen wird,
noch brauchen wir Lehre, wo der eine lehrt und
der andere belehrt wird. Wir brauchen gegen-
seitige Mitteilungen und Teilhabe, um Proble-
me als gestalterische auszumachen und an ih-
ren Lösungen zu arbeiten.

3. Wir brauchen die aufmerksame Hin-
wendung zu dem sozialen Geschehen, in dem
wir uns bei der Bearbeitung von Design-
problemen befinden. Gruppendynamik muß
zum gestalterischen Ausbildungsinhalt werden,
im Sinne von Selbsterfahrung.

4. Wir brauchen die Erweiterung unseres
Methodenarsenals zur Lösung von gestalteri-
schen Problemen um soziaiwissenschaftliche
Methoden.

5. Wir brauchen die Verbindung von
Sozial- und Gegenstandsgestalten bei der
designerischen Problemlösung.

6. Wir brauchen die Ermutigung zur
persönlichen Sicht und entfalteten Wahrneh-
mung von Welt.

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