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Deutsche Kun st.


wie man einen Nationalkünstler ehrt.
" Greville ist die Statue I. F. Millet's enthüllt worden, der am
4. Oktober 1814 in einer Bauernhütte in Grnch^ geboren wurde.
Der Bildhauer M. Marcel Jacques hat den Meister der intimen
Landschaft in der ganzen Schlichtheit seines Wesens dargestellt. In einer
Wolljacke, die Füße mit Holzschuhen bekleidet, sitzt der Künstler am Rande
eines Grabens. Reben ihm liegen auf dem Reden Palette und Skizzenbuch.
Sein klick ist träumerisch in die Ferne gerichtet. Lei der Lnthüllungsfeier
wurden von Herzen kommende und zu Herzen gehende Worte gesprochen,
die dafür zeugen, wie volksthümlich die lange unverstandene Kunst Millet's
geworden ist. Der Maire von Greville schloß seine Rede mit den Worten:
„Lin Kind des Landes, hat er niemals seine Herkunft verleugnet. Unsere
Lebensart, unsere Mühe und Arbeit bilden den Inhalt seiner Werke. Lr hat
der Poesie der Felder 'Ausdruck verliehen und unser Tagewerk durch seinen
Genius geadelt. Lr ist unser Maler, unser Dichter, wir sind stolz auf
ihn, wir lieben ihn und werden stets zu seinem Denkmal mit der Lhrfurcht
aufblicken, auf die er ein Recht hat."
Der Präsident des Denkmalcomitös wendete sich an die engeren Lands-
leute Millet's: „Sehet Luch seine Bilder an, Ihr findet in ihnen Luch
selbst und Cure Umgebung. Lr hat das geflügelte Wort vom „Ligenlaut
der Scholle" nicht erfunden, aber er hat auf ihn von seinen ersten Anfängen
an gelauscht, ihn ersaßt und weiterhallen lassen. Lr hat der gleichgiltigen
Menge zuerst jene neuen Himmelssernen gezeigt, die das Geschick nur den
Auserwählten enthüllt, die für das Leiden und die Unsterblichkeit ge-
schaffen sind."
Am Schluß sprach einer der Söhne Millet's allen Theilnehmern seinen
Dank aus: „wenn Ihr hier den Ruhm eines Landeskindes feiert, so be-
grüßen wir mit Lhrfurcht das Lildniß des besten Vaters und segnen mit
Thränen der Rührung sein Andenken."
*
Die Zeitschriften, die für bildende Kunst Raum haben, sind mit Er-
innerungen an Millet gefüllt.
Der Thiermaler Lharles Iacque stand in intimen freundschaftlichen
Beziehungen zu Millet. Er berichtet von seinem ersten Zusammentreffen mit
dem Künstler, das durch einen Mäcen vermittelt wurde: „Millet empfing uns
freundlich in seinem Atelier, das ebenso so ärmlich und unordentlich war
wie seine Kleidung. Lr war ein Mann von gewaltigem Gliederbau, mit
mächtigem Kopf und Brustkasten, langem Bart und Kopfhaar, ungepflegt, aber
schön. Hände und Fuße zierlich. Der Gesichtsausdruck gleichgiltig, aber klug.
Geborener Normanne und Bauer bis zu seinem achtzehnten Jahre, erzogen
von seinem Onkel, einem Priester. — Unsere erste Unterhaltung, die sich
natürlich um Kunstfragen drehte, belehrte mich über die Bedeutung des
Mannes, der vor mir stand. Er war ein Schüler Delaroche's gewesen, für
den er sich augenschetnlich eine heimliche, aber tiefe Verachtung bewahrt hatte.
Lr ließ mich Skizzen, Zeichnungen und Bilder sehen, die im Atelier umher-
lagen. Ich erkannte sofort den Racekünstler, dem die große Kunst Alles
war, manierirt, ungemein unterrichtet und mit der weise alter Meister ver-
traut. wir waren schnell mit einander wahrhaft befreundet und unterhielten
uns Abende und Rächte lang über alle möglichen Dinge . . ." Auch von
der Flucht nach Barbizon beim Ausbruch der Cholera in Paris 1849 weiß
LH. Iacque zu erzählen: „Die Krankheit hatte mich mit außergewöhnlicher
Heftigkeit gepackt und man hatte mir eine Luftveränderung empfohlen. Millet
seinerseits fürchtete für seine Kinder. Innerhalb 24 Stunden hatten wir uns
für das seither berühmt gewordene Barbizon entschieden, von dem wir

wußten, daß es in der Rähe von Fontainebleau lag . . . Rach mehrtägigem
Aufenthalt im Hotel logirten wir uns getrennt bei Lauern ein und einige
Zeit später in schnell nach Kräften und Umständen möblirten Miethshäusern . . .
Ich selbst fand, mit Arbeiten für Buchhändler beschäftigt, mein reichliches
Auskommen und fing an, auch meine Malereien ziemlich vortheilhaft zu ver-
kaufen. Millet vegetirte eben nur und führte ein erbärmliches Leben, obwohl
er mehrere Bilder gemalt hatte, die Aufsehen erregten, aber von den Lieb-
habern hartnäckig nut Widerwillen abgelehnt wurden."
Im Jahre 1851 erregte Millet's Säemann das Aufsehen der Künstler.
Jules Breton schreibt: „Cs war Millet's erster Versuchsweg in der Schilderung
des Landlebens. Das Bild war zu hoch gehängt und blieb vom Publikum
meist unbeachtet, aber die Kenner waren verblüfft. Das Bild sprang durch
die Kraft der Bewegung und die Wucht der Konzeption aus seiner Umgebung
heraus. Uebrigens handelte es sich nicht um einen Raturausschnitt, sondern
um eine Allegorie der Landarbeit. Millet hat diesen Bauer durch das
Medium der dichterischen Einbildungskraft gesehen und ihm klassische Remi-
niscenzen bcigemischt. Dieser Säemann hat das volle Bewußtsein seiner
würdigen Haltung, er hat etwas Theatralisches. Das Kolorit des Bildes ist
dunkel. Millet hat noch nicht jenen seltsamen Schönheitsreiz selbst im Häß-
lichen gefunden, den ec seinen träumerischen Spaziergängen über die gefurchten
Felder in einsamen Stunden verdankt."
Die Ausstellung 1855 brachte Millet einen großen Erfolg. Ldouard
Abont schrieb: „Rur seine Freunde kennen Millet. Lr hat seine waare
niemals an den Markt gebracht oder die Reklametrommel geschlagen. Lr hat
die Härte der Iurq> wie den Beifall der Kritik gleichgiltig hingenommen. Fern
von Paris lebt er als Bauer unter den Bauern."
Im Jahre 1859 vollendete Millet sein berühmtes „Angelus", das Alfred
Sensier zuerst sah. „Als ich das Bild erblickte, war es beinahe fertig.
Millet fragte: „was denken Sie davon?" Ich erwiderte: „Das ist das
Abendgebet. Ratürlich! man hört ja das Läuten der Glocke!" Lr warf mir
einen dankbaren Blick zu: „So, nun bin ich zufrieden, Sie haben mich ver-
standen, das ist Alles, was ich verlangte. Run handelt es sich um einen
Käufer." Arthur Stevens erstand es für 2500 Frcs., der belgische Minister
van praet für 6000 Frcs. In der Auktion Wilson brachte es 160000 Frcs.
Aus den 160 000 Frcs. sind dann 600 000 Frcs. geworden."
In demselben Jahre 1859 schrieb Millet an einen Freund: „wir haben
noch für zwei oder drei Tage Holz, wie wir uns weiteres Heizungsmaterial
verschaffen sollen, weiß ich nicht, denn man giebt es uns nicht ohne Geld.
Meine Frau erwartet im nächsten Monat ihre Riederkunft und ich habe —
nichts. Ich werde Zeichnungen machen müssen, die man mir mit 10 Frcs.
das Stück bezahlt."
Millet ist arm und nicht unbestritten berühmt gestorben, aber man wird
den Franzosen nicht nachsagen tonnen, daß sie ihren volksthümlichsten Maler
nicht wenigstens nach dem Tode gebührend geehrt haben. Die Enthüllungen
von künstlerdenkmälcrn sind bei uns nicht etwa häufig, und was bei solchen
Gelegenheiten gesprochen wird, klingt bei weitem nicht so herzenswarm, wie
es eine wahrhaft veredelnde Kunst verlangt, die auch für das Leben des an
der Scholle Haftendenden geeigneten Ausdruck gesunken hat. Hoffentlich bleibt
uns das Sammeln von Zeitungsausschnitten mit dem obligaten Thonia-
Rekrolog noch lange erspart. G. M.
Derlttt. — Das königliche Kunstgewerbemuseum hat altem Her-
kommen gemäß wieder seine Einladung erlassen für die öffentlichen Vor-
lesungen, die im Hörsaale unentgeltlich gehalten werden, wäsrend der Monate
Oktober bis Dezember werden die Herren Professor Me^er, Kr. Brüning
 
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