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mische Dunst.

Keiblatt:

Has Atelier.

Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
(Lentral-Organ deutscher Kunst und Künstler Vereine.

Postzeitungsliste Ur. 1174.

Herausgegeben von
Georg MalkowMo.
Schristleituug und Verwaltung Berlin VV.57, Sleinmehstr. 26.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Inserate: 40 Pfennige für die 4 ge-
spaltene Nonpareille-Aeile.


Ur. 3.

15. November 1898.

III. Jahrgang.

Das Berliner Rünstlerhaus.
II.

man der Berliner Kunst früher nicht ohne Berechn-
gung den Borwurf einer gewissen auf Individualismus
einerseits und auf Internationalismus andererseits
beruhenden Vaterlandslosigkeit gemacht hast so wird
sich nicht leugnen lassen, das, hier in den letzten Decennien ein
Wandel eingetreten ist. Die preussische Kunst ist norddeutsch ge-
worden, ein wenig nüchtern, aber tüchtig, an Raheliegeudes an-
knüpfend, nicht übermässig phantasievoll, aber findig. In der
Landschaft spielen Juchte, Kiefer, Haide und Sand eine hervor-
ragende Rolle, in dem sogenannten Idealbilde die nordische
Götter- und Heldensage, mit klassischen Reminiszenzen nicht immer
restlos vermischt. Als die preussische Geschichte deutsch zu werden
begann, gab es keine nationale Bethätigung mehr. Klan musste
sich die Mythe und die prähistorische Vergangenheit zu eigen
machen, wenn man vaterländisch im weiteren Sinne werden
wollte. Heute hängt im Opernhanse ein Vorhang, der Apoll
und die Klüsen durch Wuotan und den blinden Sänger ersetzt,
die Richard Wagner-Cyklen machen an derselben Kunststätte volle
Häuser und Bildner und klaler versuchen nicht ohne Glück dem
Olymp Walhall unterzuschieben.
Klan muß sich an diese Thätsachen erinnern, wenn man ein
begreifliches Staunen ob der Wandmalereien klar koch's in
dem neuen Berliner Künstlerhause überwinden will. Baldur-
Apoll bringt in dem Bogengemülde des ,Festsaales der Welt
das Licht und mit ihm Kunst und Dichtung. Ein schöner Götter-
jüngling taucht er im Strahlenkränze der ausgehenden Sonne
über Nebelschleiern empor, von Lichta ben umflattert. Ruten er-
wachen die Menschen und dehnen sich ihm blinzelnd entgegen,
und Wald und Feld bevölkern sich mit Fsiügelwesen, die ihre
Verwandtschaft mit den Lichtalben nicht verleugnen können. Als
Gegenbild dient diesem Vorgang ein dekorativ stilistrter Heiliger
Georg, der hoch zu Roß einen ornamental gestalteten Drachen
bekämpfst der sich in der Bogenfüllung über dem Bühnenvorhang
windet. Oberhalb der beiden Seitenlogen über den Thüren ragen
ein paar Pferdeköpfe auf, die sich aus keltisch-nordischen Band-
ornamenten entwickeln. Kleister koch's nordisch befruchtete Phan-
tasie hat dann noch eine Reihe von Entwürfen ans demselben
Stoffgebiete geliefert, die wohl zum Theil in der Skizze stecken
geblieben sind oder der 'Ausführung harren. Da thront Wuotan
zwischen seinen Raben und ein paar Ulmer Doggen und lässt sich
und seine Gefolgschaft von den Wunschjungfrauen füttern. Da
fährt Donnar mit seinem mühsam gebändigten Ziegengespann
über Gewölk dahin, da sitzt Freya Mächte und Blumen spendend
auf dem schwer hinrollenden Ochsenwagen und die Walküren reiten
auf schnaubenden Rossen durck das Schlachtgetümmel. Vater

Rhein besinnt sich, von Rixen umgeben, mit zur Stirn erhobener
Rechten auf seine 'Aufgabe als Wächter der westlichen Reichs-
grenze. kurz, die ganze Edda umdrängt uns, als gehörte sie
zum Stammpublikum des Berliner Künstlerhauses in der Bellevue-
strafe. Der ideelle Zusammenhang des Vilderschmuckes mit dem
Bau und seinem Zwecke ist nicht ganz einwandssrei, aber warum
sollte die klonumentalmalerei mit nordisch-mythologischen An-
klängen nicht auch einmal modern werden, nachdem der Hellenis-
mus endgiltlig in Mißkredit gekommen ist.
Auch in der Ornamentik des Künstlerhauses, die durchweg
von Kleister Hossacker entworfen, und soweit der Stuck als Ma-
terial verwendet worden, vom Bildhauer Robert Schirmer
modellirt ist, herrschen nordische Clemente in eigenartiger Weise
verwendet vor. Hier läßt sich in Bezug auf die „Moderne"
manches demonstriren, und wir werden somit auf die Zierkunst
an der Hand der zahlreichen Abbildungen näher eingehen, um
so mehr als die derzeitige Geschmacksderoute gerade auf diesem
Gebiete wahre Orgien feiert.
Mr eine Geschichte der Zierkunst giebt es bisher nur einige
wenige Vorarbeiten, und es will uns bedünken, als ob kein drin-
gendes Bedürfnis; nach einer solchen vorläge. Dagegen scheint
eine Analyse der überkommenen und mit Vorliebe angewendeten
Mrmen als Regulativ des Geschmackes dringend geboten. Die
zur Herrschaft gelangte Mrbenfrcude führt vielfach zur regellosen
Uebertünchung, die Fläche wird nicht mehr gegliedert, sondern
als lebloser Malgrund behandelt. Der Vorgang des aus Öftersten
beeinflußten Englands, die unbegründete Furcht vor dem „Er-
starren im Stil" haben mehr geschadet, als genützt. Vor Allem
aber ist der Künstler nicht genug Handwerker, um die Formen-
gebung dem Material und dem ausführenden Werkzeug anzupassen.
All' diese Mängel hat Hossacker im Künstlerhause mit an-
erkennenswerthem Geschick vermieden. Die Clemente seines Misch-
stils sind leicht nachweisbar und wenn man ihn rubriziren wollte,
könnte man ihn als keltisch - romanisch - naturalistisch bezeichnen.
Mit einer solchen Ctikettirung aber würde man einem Künstler
Unrecht thun, der so viel Ligenart in seinem Schassen verräth.
Vor Allem gebietet Hofsacker über eine gefällige Linienführung
und beherrscht das Flächengesetz des Reliefs. Bei aller Freiheit
im Schwünge brechen und knicken sich seine Linien niemals und
die Formen sind stets nur soweit herausmoöellirt, daß sie niemals
ungebührlich sich vordrängen. Seine Zierkunst accentuirt die
Flächengliederung, wirkt aber äußerst selten konstruktiv. Das
lässt sich am besten an seinen Konsolen nachweisen, von denen
wir zwei abbilden. Aus geknüpften Bandornamenten heraus
entwickeln sich seitlich Thierköpfe, die unter der vorkragenden Platte
 
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