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rutscht Kunst.

Weibtatk: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
(LenLral-Grgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.

preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. U74.

Herausgegeben von
Georg MalkowMy.
Schristleilmrg und Verwaltung Berlin V/. 57, Skeinmehstr. 26.


Publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvereins für das Grosiherzogthum Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des württembergijchen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der Kunstvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.

Uv. 6.

31. Dezember 1898.

III. Jahrgang.

Max Klinger „vom Tode".

Von Georg MslkolvZky.


ls wir Max klinger's Radirkunst eine Sondernummer
widmeten, versprachen wir, uns mit dem im Erscheinen
begriffenen Evklus „Vom Tode" noch einmal ein-
gehend zu beschäftigen. Die Kunsthandlung von

sie uns nach, ihres (Opfers sicher. Das ganze Dasein ist eine
Flucht vor dem Sterben, das uns in der eklen Form des Ver-
falls unserer körperlichen Hülle erscheint. Und doch ruhen die
Todten so friedlich im Schooße der Erde. Die zu mühevoller

Amsler und Ruthardt, Berlin, die soeben die neue Folge von
6 Blatt veröffentlicht, giebt uns mit gewohntem Entgegenkommen
Gelegenheit, unser Versprechen einzulösen. Da nur 100 Abzüge
hergestellt und die Platten vernichtet werden, dürften sich die
einzelnen Blätter in den Mappen reicher Kunstfreunde zerstreuen
und nur gelegentlich in öffentlichen Sammlungen zugänglich
werden, wir fügen den neuen Publikationen gewissermaßen als
Prolog ein Blatt aus dem ersten Echklus bei.
Max klinger's Griffelarbeit erscheint dem Einen räthselvoll,
dem Anderen als eine geschlossene Gedankenfolge. Die Wahr-
heit liegt in der Mitte. Klinger sieht das Leben in Traumbildern,
die kaleidoskopisch sich wandelnd vor seinem Künstlerauge auf-
tauchen. Er denkt nicht,
er sieht, darum will er
nicht mit dem Verstände,
sondern mit der nach-
schaffenden Einbildungs-
kraft erfaßt fein. Die
dichterische Paraphrase
ist die rechte Form für
die Erklärung seiner
Schöpfungen. Die Rei-
benfolge dieser phatasti-
schen Dioramen istgleich-
giltig, sie gruppiren sich,
je nachdem sie auf die
Seele des Beschauers re-
flekttren und dort ver-
wandte Bildungen er-
zeugen. „wir fliehen die
Form des Todes, nicht
den Tod, denn unsrer
höchsten wünsche Ziel
ist Tod." In den
Tiefen des Meeres, auf
den Flächen der Erde,
in der Höhe der Luft
lauert auf uns in schreck
Hafter Gestalt die Ver-
nichtung. Tückisch schleicht

Arbeit gespannten Glieder haben sich gelöst, die von Leidenschaften
verzerrten Züge verwischen sich unter der milden Hand des großen
Gleichmachers. Der Tod ist die Ruhe, nach der wir uns sehnen
in Kampf und Roth, wir fliehen nicht ihn, sondern die Vernichtung
der Lebenskraft in uns. In der Wüste naht er der einer neuen
Heimath zuwandernden «Familie. In banger «Flucht stürzen sie
dahin, der Gatte die Frau mit sich ziehend, die den Knaben an
sich reißt, Jüngling und Mädchen sie angstvoll umdrängend.
Nur der Greis beugt die Stirn ergebungsvoll zur Erde. Ihm
naht der Tod segnend als Erlöser, die Siegespalme auf der
Schulter, die Hand Ruhe verheißend erhoben.
Aber auch die Vernichtung des körperlichen ist nur ein
Schein. Aus dem Tode
selbst ringt sich das
Leben empor. Mit fried-
lich in einander ge-
schlungenen Händen,
weiße Sternblumen im
Haar, ruht die schöne
junge Mutter auf der
Bahre. Auf ihrer Brust
hockt das Neugeborene,
mit furchtsam weit ge-
öffneten Augen hinaus-
starrend in das Dunkle,
Ungewisse. Durch
die Säulenhalle öffnet
sich ein Ausblick auf
dunkle Laubmasfen,
unter deren Schatten ein-
sam ein schlankes Baum-
reis emporfprießt. Zwi-
schen den Füßen des
Sarges aber sieht man
thaufrische Gräser und
Blumen aufschießen.
Ein Alp hat das Kind
den (Odem der Mutter
erstickt, neues Leben bat
das alte vernichtet.

Max Alinger. Flucht vor dem Tode.
 
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