Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
rutscht Kunst.

Mriblatt: Has Melier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gefammte deutsche Kunstschaffen.
Zentral-Drgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.8O Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.

Herausgaben von
Georg MalkowMy.
Schriftleitung und Verwaltung Berlin W.57, SkeinmeWr. 26.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Inserate: 40 Pfennige für die 4ge-

publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvereins für das Großherzogthum Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des württembergijchen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in kiel, der Kunstvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Llberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.

Ur. 7.

15 Januar 1899.

III. Jahrgang.

Lugen Bracht und die moderne Landschaftskunst.
Von Earl Langhammer.

s ist erstaunlich, wie schnell in unserer Zeit, der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, die Entwickelung
auch in Bezug auf die bildenden Künste fortschreitet.
Dadurch daß viele Millionen von Menschen im Gegen-
satz zu den einigen Tausenden, die es früher thaten, am geistigen
Fortschritt in jeder Richtung arbeiten, ist auch hier ein Schnell-
tempo eingetreten. Man eilt die Spirale, der die geistige Ent-
wickelung der Menschheit nach Goethes trefflichem Gleichniß folgt,
im Sturmschritt hinauf. Und das nothwendige auf demselben
Punkt Stehen, nur eine Linie weiter, als vor einer Epoche, tritt
mit Notwendigkeit immer schneller ein. Von den Lunettland-
schaften in der Seitenkapelle von St. Maria Maggiore in
Rom bis poussin und Elaude Lorrain ist erheblich länger-
gewesen, als von diesen bis Preller, Rottmann und Schirmer
und schon jetzt scheinen wir uns einem Punkt zu nähern, an dem
sich das Bezeichnende der Kunst dieser Meister, bewußte Gtilisirung
in Form und Linie noch mehr als in der Farbe, die bei dieser
Art beinahe überflüssig erscheint, wiederholt; nur daß auf dem
eben durcheilten Kreislauf der Spirale das Eindringen des
Zapanismus nach Europa und die Folgen der Erfindung der
Photographie sich ereignet haben und die Entwickelung um eine
Linienbreite vorwärts geschraubt ist.
Auch auf der parallelen haben sich die Zeiträume immer
mehr verringert. Die holländischen Landschafter im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhundert, dann die englischen zu Anfang des
unsrigen, dann die Fontainebleauer und nun ziemlich gleichzeitig
in England die Schotten, in Frankreich die Monet, Maufra,
Sisley, Pissarro und in Deutschland die Richard Kaiser,
Thoma, Leistikow, Gchönleber, Dill, Bracht. Bei den
drei letzteren denke ich an ihre deutschen Bilder, die anderen
waren vielleicht nöthig für ihre persönliche Entwickelung, besagen
aber kaum etwas für ihre Stellung in der Epoche, genau wie
Leistikow's Bilder aus seiner ersten Zeit, z. B. das Bild in der
Dresdener Galerie, belanglos für seine Stellung in der deutschen
Landschaftsmalerei der Gegenwart erscheinen.
Neuerdings versucht man an der Crklärungsmethode der
künstlerischen Offenbarungen der Menschheit, die seit dem Erscheinen
von Taine's pllilosopGie cle start immer mehr und mehr an
Boden gewonnen hat, grade auf Seiten sehr fein die Puls-
schwingungen des künstlerischen Lebens empfindender Geister zu
rütteln (z. B. puysmans). Cs scheint allerdings auch ein
Schlag ins Gesicht der Theorie von der Erklärung durch das Milieu,
wenn man bedenkt, daß Edgar Poe in Boston, Klinger in Leipzig,
Liebermann in Berlin lebt, daß fast alle die intimsten und

feinsten Landschafter unseres Jahrhunderts Stadtkinder, ja Groß-
stadtkinder sind. Aber es scheint auch nur, denn all' diese
haben gelebt oder leben und sind vor Allem sie selbst geworden
nicht in dem Milieu, das zufällig ihre äußere Umgebung bildete,
sondern in einem engeren Milieu, einer geistigen Atmosphäre, die
sie sich in grimmem Paß und Verachtung gegen das Andere selbst
geschaffen und wie eine Trutzwehr um sich und das Land ihrer
Träume aufgebaut haben. Cs ist oft fraglich, ob sie nicht ein
ganz anders geartetes Lebenswerk hinterlassen hätten, wenn nicht
der Trotz gegen die ihnen aufgezwungene Umgebung sie gelehrt
hätte, Einkehr bei sich selbst zu halten und wunderbare Schön-
heiten da zu suchen und zu finden, wo die verachtete Menge
blind bleibt. Und das ist doch schließlich das treibende Agens
für das Talent, ja vielleicht ist es Talent selbst: in der Natur
so Schönes zu sehen, daß sich in der Seele ein klingen anhebt
und das Bedürfniß davon zu reden, ihm ein Priester zu sein, ja
Vielleicht sogar die Märtyrerkrone auf sich zu nehmen. Ein
andres ist es mit dem Nachahmer; ihm ertönen nicht eigene klänge
in der Brust, ihm fällt nur ein, was er schon gesehen hat. Er-
ringt nicht um schärfsten Ausdruck seines tiefinnersten Fühlens,
ihm kommt es auf die Morte an, an denen er herumfeilt und
putzt, bis eine vollendete Form dasteht. Meist wird er früheren
Erfolg und Beifall der Menge einheimsen, die nicht das selbst-
ständig Gefühlte nachempfinden kann, noch dann, wenn es in
einer Sprache geboten wird, die ihr nicht geläufig ist. Wenn ihm
nicht sein Ringen und Schassen Lohn genug ist, wird meist sein
Erfolg ein kümmerlicher scheinen. Denn Jahrzehnte können ver-
gehen, bis sein Werk hastet; dann aber ist's bleibend und besteht,
wenn die Nachahmung längst versunken ist. Ls bleibt eine der
Sprossen auf der Leiter, auf der die Menschheit emporschreitet.
Cs ermöglicht einem Neuen, kommenden, anzuknüpfen und weiter-
zuführen. Denn nirgendwo in der Entwickelung der Kunst, der
höchsten Kulturäußerung der Menschheit, genau wie in der Natur-
geschichte, giebt es Phänomene, Erscheinungen ohne Vorläufer oder
Nachfolger. Nirgendwo eine springende Entwickelung, nur ein
langsames oder schnelleres aber stetiges Fortschreiten. Lins folgt
aus dem Andern, Einer steht auf den Schultern des Andern.
Manet wäre nicht denkbar ohne Velasquez und die Japaner,
die hellenische Kunst nicht ohne die ägyptische und assyrische.
Wenn wir uns Rechenschaft geben über den augenblicklichen
Stand der deutschen Landschaftsmalerei, so treffen wir auf die
eigentümliche Erscheinung, daß von der vorhergehenden Generation
drei der ersten Meister nicht mit dem einmal erreichten Erfolge
stehen geblieben find, sondern weiter gerungen haben und mit
 
Annotationen