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mischt Knick.

Keiblatt: Has Melier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Lentral-Drgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.

Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Preis vierteljährlich 2.SO Mark.
Postzeitungsliste Nr. 1174.

Herausgegeben von
Oearg MalüawMu.
Schrifkleikung und Verwaltung Berlin W.S7, Steinmehstr. 26.



LSr. 1'7.

8. Uovrmher I8VV

III. IahpgarrK.

Goslars Baudenkmäler.

<MlD^en Zügen nationaler Eigenart an alten Baudenkmälern
nachzuspüren, gewährt einen Reiz unmittelbarer Mitcheil-
samkeit über Jahrhunderte hinaus, mit dem kein
Historiker und kein Dichter die Vergangenheit vor das
Auge der Gegenwart zu beschwören vermag. An der Stätte,
wo aus früheren Tagen ein Denkmal in die junge Zeit hinein-
ragt, ist unter uns das Denken und Fuhlen unserer Vorfahren
in eigener Form lebendig und offenbart uns gerade durch den
Unterschied dieser von den Bauten einer einmal an Traditionen
überreichen und zweitens in Folge eines kosmopolitisch aus-
gleichenden regen Weltverkehrs ihre besonderen Eigenheiten ver-
leugnenden Generation ihren zeitlichen und nationalen Eharakter.
Wie durch das zähe ,Festhalten an der topographisch und
klimatisch bedingten Grund- und Hauptform des letzteren auch
die Formensprache eines allgemein herrschenden Stils sich in
die Grenzen des Raumes und Bildsamkeit des Materials fügen
mußte zu einem Ausdruck nationaler und lokaler Eigenart, dafür-
finden wir in allen Gauen Deutschlands beredte Beispiele. In
überraschend mannigfaltiger Fülle trägt sie als köstliche Früchte
fürstlicher Größe, kirchlicher Gesinnung und bürgerlichen Gemein-
wesens der niedersächsische Boden der Harzlande. An einem
kleinen Orte allein finden wir neben Bauten aus der Zeit
romanischer Stilblüthe originelle Denkmäler der Gotik und
Renaissance zu einem interessanten Geschichtsbilde von seltener
Reichhaltigkeit an künstlerischen Stilformen vereinigt. Feuers-
brünste und unverantwortliche spekulative Pietätlosigkeit, die im
Jahre 182O Goslars Münster meistbietend versteigern und so weit
abreißen durfte, daß heute nur noch die kapellenartige Vorhalle
steht, haben zwar manchen schönen Ban zerstört, aber immer
noch bietet die alte Kaiserstadt Material genug zu ph^sio-
gnomischen Studien deutschen Wesens, um dieses in seiner lokalen
Eigenart voll zu erfassen. Wir haben jetzt billiger Weise mehr
Achtung vor den auf uns gekommenen Werken der vorfahren
als vor 80 Jahren und sind uns, national erstarkt, endlich der
hohen Aufgabe bewußt, die Vergänglichkeit alter Beispiele ge-
sunden, volksthümlichen Kunstschaffens aufzuhalten oder wenigstens
ihr verfallenes in Wort und Bild der Erinnerung zu bewahren.
Aus einer stetig wachsenden Anzahl von Prachtwerken und
Monographien, in denen alte Bau- und kunstöenkmäler inven-
tarisirt, mit besonderer Betonung nationaler Eigenart beschrieben
oder in trefflicher Wiedergabe dargestellt sind, läßt sich eine er-
freuliche Zunahme der Denkmalspflege und mit ihr der Liebe
zum Vaterlande und zu seiner Kunst konstatiren. Auch Goslar-
Hat in letzter Zeit eine seiner geschichtlichen Bedeutung und

architektonischen Schönheit würdige litterarische und künstlerische
Beachtung erfahren. Im vorigen Jahre waren bei Schulte in
Berlin zwölf Aquarelle des Landschaftsmalers Professor Albert
Hertel zu sehen, die das malerische Goslar und die schönsten
und interessantesten Punkte seiner Umgebung vor Augen führten.
Die Blätter sind dann als treffliche Faksimiles reproduzirt und
von Franz Jäger in Goslar, in prächtiger Mappe zu einem
künstlerisch gediegenen Werke „Die alte Kaiserstadt Goslar" ver-
einigt, herausgegeben worden. Künstler, Schriftsteller und
Dichter haben das ihrige dazu beigetragen, ein vornehmes Werk
zu schassen. Or. Max Jordan hat den beschreibenden Text zu
der Bilderreihe verfaßt, und Ernst von Wildenbruch leitet
sie poetisch ein. Ein farbenprächtiges, chromolithographirtes
Titelblatt in Gestalt einer Miniaturmalerei ans dem lZ. Jahr-
hundert, romanische Zierleisten und stilvolle Initialen rühren her
von Th. kutschmann's Meisterhand, die kostbare Decke der
Mappe, eine Musterleistung moderner Buchbinderkunst, ist nach
einem Entwürfe von Professor Honegger mit farbigen Orna-
menten, Medaillons und heraldischen Gebilden nach spätromanischen
Motiven geschmückt. Auch in typographischer Hinsicht verdient
das Werk vollste Anerkennung. Die zweite, kunstgeschichtliche
Würdigung der alten Harzstadt ist eine in demselben Verlage
erschienene, reich illustrirte Spezialstudie, „Die Holzbaukunst
Goslars/ Ursachen ihrer Blüthe und ihres Verfalls", von Du.
Karl Steinacker. Sie beschäftigt sich mit einem durchaus
nationalen Bestandtheile in der profanen Architektur der Gotik
und Renaissance und darf als ein wichtiger Beitrag und eine
Ergänzung zu der noch überhaupt unvollkommenen Geschichte des
norddeutschen Holzbaues und speziell desjenigen in Goslar um
so freudiger begrüßt werden, als die einschlägige Abtheilung in
„Mithoff's Archiv für Riedersachsens Kunstgeschichte" kaum
mehr von Belang sein dürfte.
Um bei einem Hinweis auf Goslars Architektur sein be-
kanntestes und ältestes Baudenkmal zuerst zu nennen, so thront
auf seiner Höhe, aus Jahrhunderte langem Verfall in neuer
Würde erstanden, in der kompakten Festigkeit romanischer Bauart,
in bodenstcherer Breite das Kaiserhaus. Reben der Klosterkirche
zu Gernrode, der Schloßkirche zu Ouedlinburg, den Domen zu
Hildesheim und Braunschweig und den Resten der Burg
Heinrich's des Löwen, Dankwarderode (UZO—U70) ist es eines
der prächtigsten Denkmäler romanischen Baustils in Rorddeutsch-
lanö und weist noch mehr als jene hin auf die große politische
Bedeutung, welche die Harzlande zur Zeit der sächsischen kaiser-
gehabt haben. Kaiser Heinrich III. war der eigentliche Gründer
 
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