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mischt Kunst.

Kriblatt: Has Melier.

Mrstrirte Zeitschrift für das gestammte deutsche Kunstschaffen.
Leutra!-Grgau deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.

preis vierteljährlich 2.80 Mark.
Postzeitungsliste Nr. U74.
Herausgeaeben von
Alle 14 Tage erscheint eine Nummer.
Olwrg Inserate: 40 Pfennige für die 4 ge-
Schriftleitung und Verwaltung Berlin "(V.57, Bkeimnehstr. 26.

Publikationsorgan des Deutschen Kunstvereins in Berlin, des Schlesischen Kunstvereins in Breslau, des Kunstvereins siir das Großherzogthum Hessen in Darmstadt, des Anhaltischen Kunst-
vereins in Dessau, des wvrttembergijchen Kunstvereins in Stuttgart, des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins in Kiel, der Kunstvereine in München, Oldenburg, Mannheim, Nürnberg, Gera,
Altenburg, Elberfeld, Barmen, Bielefeld, Görlitz, Danzig, Königsberg, Stettin u. a.

Uv. 11,12.

1V. April I8SS.

III. Jahrgang.

Die künstlerische Erziehung des deutschen Volkes.

von Georg Hundinger.

ls Griechenlands turnst ihre höchste Blüthe erreicht hatte,
waren nicht bloß die Künstler selbst mit höchstem Inter-
esse für die Schöpfungen jener Zeit erfüllt, sondern
alle freien Bürger nahmen an dem entwickelten
Kunstleben regsten Anteil, Wenige Jahrhunderte, darunter erst
das des perikles die Bildnerei mit Riesenschritten dem höchsten
Ziel zueilen sah, hatten genügt, das Volk zum Kunstverständnis;
zu erziehen. Cs wetteiferten Alle, das zu beweisen, indem sie
durch Anregung und Auftrag immer neuer Werke Schaffung er-
möglichten. Richt Protzerei, der die meisten römischen Kopien
ihr Dasein verdankten, nicht die Absicht durch Ankauf und Auf-
stellung von Statuen vom erworbenen Reichthum einen glänzenden
Leweis zu geben, sondern das Wohlgefallen am Schönen, die
Kunstfreude ist die (Quelle, aus der die griechische Kunst reiches
Leben und unermüdliche Schaffenskraft sich schöpfte, wie auch die
Möglichkeit, sich so lange auf der Höhe der alten Meister zu
halten. Cin Geist lebte im ganzen Volke, das Bcdürfniß nach
Schönheit Allen einpflanzend und als Crbtheil von einer Generation
auf die andere übertragend; darin liegt die Erklärung für die
unendliche Fülle künstlerischen Schaffens in Hellas, das durch
die ewigen Gesetze, die in ihm zum ersten Mal der strebenden
Menschheit sich offenbarten, auf die ganze nachfolgende Kunst-
übung bis zum heutigen Tage einen unabweisbaren Einfluß aus-
übte. — Die römische Faust störte roh das frohe Wirken, römische
geistlose Prachtliebe verbunden mit brutaler Ausschweifung ließ
auch die Kunst selbst in traurigen verfall gerathen.
Wiederum kam eine Zeit hoher Blüthe für die Kunst.
Rachdem bis zum 15. Jahrhundert die Architektur ihre herrlichen
Werke in vollständig neuen Formen unter dem Einfluß der das
Heidenthum besiegenden christlichen Gedanken als die ragenden
Denkmale einer neuen Weltanschauung aufgerichtet, hatten sich in-
zwischen auch Plastik und Malerei ganz im Stillen, als die
Dienerinnen der stolzen Baukunst, von der Tradition freigemacht,
neue Formen, Gedanken und Ausdruckweise gefunden, so daß
eine totale Verschiebung der Künste untereinander eintrat, die
Malerei sich rasch und kräftig an die Spitze arbeitete, womit die
künstlerische Welt ein ganz neues Angesicht erhielt. In jener Zeit
voll Sturm und Drang geschah es wieder, daß Alles, was offene
Augen hatte für gemalte und gemeißelte Poesie, sich hingerissen
fühlte: Kirche und Fürsten, Bürger und Zünfte setzten ihre
Ehre darein, die Kunst, ihre Arbeiter und Werke hochzuhalten,
zu neuem Schaffen Anregung zu geben und reiche Mittel flüssig

zu machen, damit die Kunst ihr tägliches Brot nicht erbetteln
müsse. In dieser Zeit brach sich allgemein reiches Kunstverständ-
niß Bahn, welches die Schönheit von einem Werkzeug der
religiös-erbaulichen Einwirkung zum Selbstzweck erhob. Die
Kunst wollte nun nicht mehr in erster Linie Frömmigkeit erzeugen,
sondern die Freude am schönen Gedanken, eingehüllt in schöne
Form, großziehen. Das gelang ihr auch: Die reiche Fülle
hervorragender Meister und ihrer Schöpfungen ist der beste Be-
weis für die Kunstbildung, die in den weitesten Kreisen ein-
heimisch wurde. Die Augen waren geöffnet zur Crkenntniß der
Schönheit. Die Florentiner Zunft der Tuchmacher konnte 1402
darüber urtheilen, welcher von den Entwürfen zur Thür des
Baptisteriums vorzuziehen sei, der des Ghiberti oder des
Brunelleschi. Der Geschmack des Preisgerichts entschied für
Ersteren, und noch heute gilt seine Entscheidung für die richtige.
Solche Zeiten sehen ein Volk auf seiner Höhe. Sie sind
nothwendig, wenn es all das leisten soll, was in ihm steckt.
Unser Geschlecht findet sich in vielen Dingen hochgestellt. Aber
es ist doch ein sehr ungleichmäßiges Verhältnis;, in dem die ver-
schiedenen Geistesfähigkeiten ausgebildet sind. Dem entgegen-
gesetzt wäre zu wünschen das, was schon die Griechen als
Bildungsziel erkannten: Die harmonische Ausbildung des ganzen
Menschen, von Leib und Seele, von Kopf, Herz und Hand.
Während aber in Hellas jene Erziehung nur bestimmten Klassen
zu gute kam, hat die Reformation zum ersten Mal in christlicher
Zeit den Grundsatz aufgestellt: Bildung dem ganzen Volke!
Die Frucht dessen war die Volksschule, die zwar langsam, aber
sicher sich Bahn machte und Deutschland an die Spitze der Völker
setzte. Neuerdings erfährt jener Grundsatz noch weitergehende
Ausführung in der Richtung: Die ganze Bildung dem Volke!
Natürlich mit der selbverständlichen Einschränkung: So viel für
Jeden, daß das neugewonnene Wissen ihn antreibt, seine Berufs-
arbeit auf eine höhere Stufe zu führen; so viel, daß diese Bil-
dung ihn in der sittlichen Lebensführung fördert, daß das allge-
meine Wohl einen Nutzen davon erwarten kann. Nun sind die
heutigen Lebenskreise und Berufe so sehr miteinander verwachsen,
daß jeder selbstständige Arbeiter fortgesetzt seine Hilfsmittel aus
anderen Berufen und Werkstätten herbeiholen muß, um selbst
etwas leisten zu können. Die steigende Kultur hat die Aufgaben
des Einzelnen bedeutend erweitert und damit auch die An-
forderungen an sein können und kennen. Die Crkenntniß dieses
Bedürfnisses hat zu neuen Einrichtungen geführt, die dem abhelfen
 
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