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kutsche Kunst.

Keiblatt: Has Atelier.
Zllustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen.
(Lentral-Drgau deutscher Kunst und Künstler Vereine.
Alle 14 e ersäein e'-e U m: c PeraUSgegLbeN V0N ?lll U T- sä ' t ' N
Preis vierteljährlich 2.80 Mark. Fl^UÜiüsUösiU. Inserate: 40 Pfennige für die 4ge-
Schristleituug lind Verwaltung Berlin ^V. 57, Steinmehstr. 26. lpaltene Nonpareüie Zeile.


Uv. 4.

I. Dezember 1898.

III. Jalzegang.

Vas Bismarck-Museum.

as Streben und die Erfolge jeder Zeit haben ihren
Niederschlag gefunden in der bildenden Kunst und im
Kunstgewerbe. Immer drückt den Merken beider der
Charakter der Zeit den Stempel auf. Während sie sich
in der ersten Zeit unseres Iahrbunderts abwandten vom hei-
mischen Boden und den Zusammenhang mit der Scholle auf-
gaben, um in die ,ferne und Fremde zu schweifen und dort den
geeigneten Ausdruck für das Streben nach einer Millionen um-
schlingenden Weltbrüderlichkeit zu suchen, richtete sich dann in
ihnen der Sinn auf die pflege individueller Eigenart der
Persönlichkeit sowohl, wie der einzelnen Völkerstämme. Der
nationale Charakter tritt in Kunst und Kunstgewerbe kräftig in
Erscheinung. Dieser Umschwung vollzieht sich in seiner letzten
Phase zu einem stark ausgeprägten, charakteristischen Ausdruck
des nationalen Gedankens bei allen Kulturvölkern eigentlich erst
nach den Kämpfen der Jahre 1870/71 zwischen Frankreich und
Deutschland, wenn nun auch die Kunst an erster Stelle berufen
ist, den nationalen Geist zu fördern und zu beleben und ihn
durch anregendes Festhalten seiner Thaten im Bilde zur Grund-
lage der weiteren Entwicklung zu machen, haben Deutschlands
Erfolge und die Wiedergeburt seiner nationalen Zusammen-
gehörigkeit doch gerade in den Gestaltungsformen der deutschen
Kunst nur einen lauen Ausdruck gefunden. Der Nmfchwung
war zu schnell eingctreten; der Deutsche mußte erst vertraut
werden mit dem Einigkeitsgedanken; die deutsche Kunst war nicht
vorbereitet auf die großen, unerwarteten Erfolge, an die man
sich dann ebenso schnell gewöhnte wie an etwas Selbstverständ-
liches. Damit erkaltete die Phantasie; einen künstlerischen Aus-
druck von gewaltigem Schwünge der Begeisterung in werken,
die weit in die Zukunft hinaus begeisternd wirken, haben die
Siegesfreude und der Vaterlandstolz in jener großen Zeit nicht
gefunden. In der bildenden Kunst erschöpft sich die Ausdrucks-
fähigkeit für den nationalen Gedanken schließlich in der alle-
gorischen Gestalt der Germania; Architektur und Kunstgewerbe
finden charakteristische Ausdrucksmittel nationaler Eigenart nur
in der Förmensprache einer großen Vergangenheit und greifen
zurück auf die deutsche Renaissance, die mit dem Deutschen
Reiche als sogenannter „altdeutscher Stil" eine Wiedergeburt
feiert. Ein zusammenhängendes, charakteristisches Bild von der
Schaffensweise deutscher Kunst und namentlich deutschen Kunst-
gewerbes unter dem Eindrücke der nationalen Idee vermögen
wir zu gewinnen aus den Ehrenbezeugungen, die das deutsche
Volk dem Fürsten Bismarck, als eigentlichen Pauptträger und
Vollstrecker des Cinheitsgedankens, erwiesen hat. Die zahllosen
Gaben, puldigungsschreiben und Glückwünsche, mit denen der


große Kanzler von den Deutschen aller Lande gefeiert worden
ist, sind noch von ihm selbst an seiner Geburtsstätte Schön-
hausen zu einem Museum vereint worden. Die neun Räume
des Schönhauser Schlosses, welche die Schätze bergen, wurden
am 20. September 1891 dem Publikum eröffnet, wenn es auch
seit Jahren in großer Zahl nach dem Museum wallfahrtet, so ist
es doch nur einem verhältnismäßig geringen Teil von den Ver-
ehrern des großen Kanzlers vergönnt, es zu sehen, da Schön-
hausens Lage weitab vom Verkehr für einen größeren Zuzug zu
ungünstig ist. Darum ist es als ein dankenswerthes Unter-
nehmen zu begrüßen, daß unter Genehmigung des Fürsten
Bismarck die Schätze des Museums dem Volke in Abbildungen
zugänglicher gemacht worden sind („Das Bismarck - Museum in
Bild und Wort", perausgegeben unter Mitwirkung von w. L.
Schreiber von 21. de Grousilliers. Berlin "VV 1899. Im
Selbstverläge des Perausgebers, Wilhelmstraße 44. Verlag für
Oesterreich-Ungarn Schallehn 6c wollbrück, Wien.) Daß bei
einer solchen Menge von Gegenständen, wie sie das Museum
bringt, sich der Werth der einzelnen Objekte merklich abstuft,
ist selbstverständlich, an einer großen Zahl aber tritt das beste
können deutscher Kunst und deutschen Kunstgewerbes zeitgemäß
in Erscheinung, so daß auch für sie das Museum eine geschicht-
liche Stätte der Anlehnung und Anregung bleibt.
Im Jahre 1892 äußerte Bismarck einmal zu den Lhargirten
des Leipziger dramatischen Vereins: „Ich bin in den verdacht
gekommen, als wenn ich für die Kunst keinen Sinn hätte. Mit
der Politik geht es aber wie mit allen menschlichen Leidenschaften:
sie nehmen die pand, wenn man den Finger giebt, und wie
stärkere Raubfische den schwächeren fassen, so läßt auch die stärkste
unter den Neigungen die anderen nicht aufkommen. Ich hatte
mich von der Politik ganz erfassen lassen und für Theater und
Kunst keine Zeit übrig." Aus diesen Worten geht hervor, daß
Bismarck zur Kunst in keinem besonders innigen Verhältnis
stehen konnte. Dafür hat sie selbst sich dem Reichskanzler um
so freudiger zugewandt. Im Bismarck-Museum ist eine ganze
Fluth von Ehrenbürgerbriefen und Adressen gesammelt, welche
die Kunst durch die pand von Meistern mit Bild und Wort
schön und sinnig ausgestattet hat. Die Ehrenbürgerbriefe
bayerischer Städte von perterich, der pfälzischen von Wein-
zierl, Augsburgs und Kölns und endlich Berlins von A.
Menzel sind werthvolle, malerische Kunstwerke. Eine Fülle von
Gedanken ist auf der Berliner Urkunde zusammengedrängt. Links
über einem Felsen, aus dem Barbarossa emporschaut, stehen
Preußen, Bauern und Württemberg als weibliche Idealgestalien
Arm in Arm. Ueber ihnen regt auf gothischem Maßwerk ein
 
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