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rutsche Knick.

Keiblatt: Kas Atelier.
Zlluftrirte Zeitschrift fiir das gesammte deutsche Kunstschaffen.
Zentral-Grgan deutscher Kunst- und Künstler-Vereine.

preis vierteljährlich 2.8ö"lNark.
Postzeitungsliste Ar. 1174.

Herausgegeben von
Georg MaNwwMo.
Schristleikuug und Verwaltung Berlin ^V.57, Skeinmehstr. 26.



Nv. 13.

1. Mai 18SS.

HI. Jahrgang.

Der Dom zu Hreiburg.

Don Hans Marshall.


Die Kanzel im Freiburger Münster.

och über die niederen Bürgerhäuser ,Freiburgs und seine
öffentlichen profanbauten, das würdige alte Rathhaus
mit seiner ul fpesco bemalten Schauseite, das Kauf-
haus, ein Bauwerk des 16. Jahrhunderts, an dem die
Verschmelzung spätgotischer Formensprache mit der neuen Aus-
drucksweise der jung aufblühenden Renaissance typisch in Er-
scheinung tritt, über all die steilen Giebel alter und die flacheren
Dächer neuer Gebäude ragt das Münster mit seinem schlanken
Thurme, dem schönsten Baudenkmal seiner Art in Europa, wenn
nicht der ganzen Erde. In ihm hat der Geist des Mittelalters
eine Form gewonnen, die das ganze Fmhlen und Denken der
Zeit umfaßt. Ihr stark religiöses Empfinden, der gediegene
Lharakter und die Wohlhabenheit des Bürgerthums und seine
soziale Selbständigkeit, mit ihnen die Aneignung einer bisher
klösterlichen Kunst durch den für die vordem von den Mönchen
betriebenen Zweige höchster menschlicher Thätigkeit herangebildeten
Laienstand, wirken in der Gesammterscheinung des Münsters noch
heute lebendig und harmonisch zusammen und finden in seinen
einzelnen Theilen ihren besonderen, künstlerisch verklärten Aus-
druck. Wenn man den schönen Bau emporstreben sieht aus der
Straßen quetschender Enge, in der die Städter dicht zusammen-
wohnten und sich drängten in der geschäftlichen Thätigkeit des
Alltagslebens, so wird man sich der inneren und äußeren Roth-
wendigkeit des gotischen Stils erst recht bewußt als symbolische
Aeußerung für die ewige Sehnsucht der irdisch beengten Menschen-
seele nach Befreiung aus den Banden zeitlicher Daseinsbedin-
gungen. Rur in den Städten, umdrängt von Wohnungen und
Gebäuden, in denen Rathsherren und Innungsmeister Sitzungen
hielten, konnte sich das gotische Gotteshaus in seiner charakte-
ristischen Gestalt entwickeln, in der es den dauernden Gegensatz
veranschaulicht von Leib und Seele, Materialismus und Idealis-
mus. Das religiöse Empfinden ist es nicht allein, welches das
gotische Prinzip des vertikalismus zeitigte und an Stelle des
Massenbans den Gliederbau setzte; auf weiter Fläche oder freier
Bergeshöhe würde auch jene Zeit dafür einen wesentlich anderen
'Ausdruck gefunden haben, denn dort hätte der schaffende Menschen-
geist gar keinen Grund gehabt zu solch einem Aufschwung in
schwindelnde Höhe, zur Flucht aus Staub und Dunst in reinere
Sphäre. Der transcendeniale Zug der Gotik, wie er sich äußert in
steilen Wimpergen, hohen Strebepfeilern, Fialen, Thurmpvramiöen
und bis zur Kreuzblume emporkletternden Krabben ist nicht zum
wenigsten auch lokal bedingt. Die enge Bauart der Städte hat
die Verlegung des Horizontes aus der wagerechten Ebene in die
senkrechte veranlaßt. ,Für ein Gotteshaus, das alle anderen
 
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