Deutsche Kunst.
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H. Van de Velde. Lesezimmer (röthliches L>adoukholz).
ihr innewohnenden Energie
heraus erzeugt sie Leichtig-
keit und Beweglichkeit, wie
sie schon der etymologische
begriff des Mobiliars ver-
langt. Hier setzt eine rück-
läufige Entwickelung ein,
die über kurz oder lang
auch auf unsere schwer-
fällige 'Architektur und über-
ladene Zierkunst ihren Ein-
fluß ausüben muß. Dem
Licht, der Luft und der
Bewegung gehört die Zu-
kunft, für die die Cifenkon-
ftruktion die nothigen vor
bedingungen geschaffen hat.
Keimkräftige Ansätze
hierzu weist die Innen-
dekoration van de velde's
in der Eigenart der Decken-
bildung und der Behand-
lung von Bischen und Re-
zessen auf. Der Reber-
gang von der lothrechten
Ivand- zur wagerechten
Dcckenflächewird durch leicht
geknickte und geschwungene
Stützstäbe vermittelt, die
in glücklicherForm die wuch-
tig niedergedrückte voute
und die steife Konsole er-
setzen. Die Dekoration
schließt sich mit anmuthig
gebogenen Blumen- und
Blattformen dieser elastisch
aufstrebenden Tendenz an,
so daß die ganze Decke
nicht mehr als Last, son-
dern als leichte Reberfpan-
nung erscheint.
Ebenso originell ist
die Abtheilung von Rischen
durch Geländer und Um-
rahmung gestaltet. Die
schwerfällige Balustrade ist
verschwunden. An ihre
Stelle tritt ein eigenartiges
Gebilde, das nicht absperrt,
sondern vermittelt und
gleichzeitig durch seine
federnden Formen den Eindruck der hohen und luftigen Raum-
gestaltung unterstützt. Lockartige kurze Rampenansätze springen
an beiden Seiten vor und aus ihnen schießen elastische Holz-
konstruktionen auf, die einander entgegenstreben und schließlich in
einem Flachbogen enden, den sie spielend und schwellend tragen.
Ob die,Formensprache van de Velde's auch auf die Außen-
architektur anzuwenden ist, mag bei unseren klimatischen Ver-
hältnissen zunächst zweifelhaft erscheinen. Jedenfalls wäre es schon
als ein Vorzug zu begrüßen, wenn sie dazu beitrüge, uns von
dem mühsam angequälten palazzostil zu erlösen, der, abgesehen
von den öffentlichen Gebäuden, unseren praktischen Bedürfnissen
so wenig wie möglich entgegenkommt.
Die Bremer Stadtmufikanten im Bremer Rathskeller.
er weit in den Landen, wo die deutsche Zunge klingt, auch von
Bremen nichts Uäheres weiß, zwei Dinge kennt er doch von der
alten Hansastadt: Noland, den Riesen am Rathhaus zu Bremen
und die Bremer Stadtmusikanten. In ungezählten Lesebüchern wird erzählt
von dem drolligen ckduartett, das sich in Bremen anwerben lassen wollte, und
wie haben sich seit Jahrhunderten Groß und klein an dem alten deutschen
Märchen ergötzt, in dem die Schalkhaftigkeit den Sieg über das Mißgeschick
und die rohe Gewalt erringt! Aber merkwürdig! bis zu unseren Tagen
sanden die berühmten Gestalten des alten Märchens in Bremen keine Heimath.
Unsere Künstler gingen an dem Stoffe vorüber. Erst unsere Zeit bereitete
den Reichen und Armen vertrauten Märchengestalten, die Bremens Kamen
weit und breit bekannt gemacht haben, in Bremen selbst eine Stätte. Cs
mußte erst eine Lpoche kommen, die der Volkskunst, der Lheimathkunst wieder
gerecht wird, ein Zeitraum, in dem Meister der Bildnerei, der Malerei nicht
mehr ihre Motive, ihre Anregungen aus den, fernen Auslande, aus fremden
Ionen, aus erlogenen Wolkenkuckucksheimen, aus akademischen Schattenreichen
herausklügeln, sondern in dem sie sich auf ihre Heimath besinnen und die reichen
Schätze heben, die hier im verborgenen ruhen, auf die deutsche Sagen- und
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H. Van de Velde. Lesezimmer (röthliches L>adoukholz).
ihr innewohnenden Energie
heraus erzeugt sie Leichtig-
keit und Beweglichkeit, wie
sie schon der etymologische
begriff des Mobiliars ver-
langt. Hier setzt eine rück-
läufige Entwickelung ein,
die über kurz oder lang
auch auf unsere schwer-
fällige 'Architektur und über-
ladene Zierkunst ihren Ein-
fluß ausüben muß. Dem
Licht, der Luft und der
Bewegung gehört die Zu-
kunft, für die die Cifenkon-
ftruktion die nothigen vor
bedingungen geschaffen hat.
Keimkräftige Ansätze
hierzu weist die Innen-
dekoration van de velde's
in der Eigenart der Decken-
bildung und der Behand-
lung von Bischen und Re-
zessen auf. Der Reber-
gang von der lothrechten
Ivand- zur wagerechten
Dcckenflächewird durch leicht
geknickte und geschwungene
Stützstäbe vermittelt, die
in glücklicherForm die wuch-
tig niedergedrückte voute
und die steife Konsole er-
setzen. Die Dekoration
schließt sich mit anmuthig
gebogenen Blumen- und
Blattformen dieser elastisch
aufstrebenden Tendenz an,
so daß die ganze Decke
nicht mehr als Last, son-
dern als leichte Reberfpan-
nung erscheint.
Ebenso originell ist
die Abtheilung von Rischen
durch Geländer und Um-
rahmung gestaltet. Die
schwerfällige Balustrade ist
verschwunden. An ihre
Stelle tritt ein eigenartiges
Gebilde, das nicht absperrt,
sondern vermittelt und
gleichzeitig durch seine
federnden Formen den Eindruck der hohen und luftigen Raum-
gestaltung unterstützt. Lockartige kurze Rampenansätze springen
an beiden Seiten vor und aus ihnen schießen elastische Holz-
konstruktionen auf, die einander entgegenstreben und schließlich in
einem Flachbogen enden, den sie spielend und schwellend tragen.
Ob die,Formensprache van de Velde's auch auf die Außen-
architektur anzuwenden ist, mag bei unseren klimatischen Ver-
hältnissen zunächst zweifelhaft erscheinen. Jedenfalls wäre es schon
als ein Vorzug zu begrüßen, wenn sie dazu beitrüge, uns von
dem mühsam angequälten palazzostil zu erlösen, der, abgesehen
von den öffentlichen Gebäuden, unseren praktischen Bedürfnissen
so wenig wie möglich entgegenkommt.
Die Bremer Stadtmufikanten im Bremer Rathskeller.
er weit in den Landen, wo die deutsche Zunge klingt, auch von
Bremen nichts Uäheres weiß, zwei Dinge kennt er doch von der
alten Hansastadt: Noland, den Riesen am Rathhaus zu Bremen
und die Bremer Stadtmusikanten. In ungezählten Lesebüchern wird erzählt
von dem drolligen ckduartett, das sich in Bremen anwerben lassen wollte, und
wie haben sich seit Jahrhunderten Groß und klein an dem alten deutschen
Märchen ergötzt, in dem die Schalkhaftigkeit den Sieg über das Mißgeschick
und die rohe Gewalt erringt! Aber merkwürdig! bis zu unseren Tagen
sanden die berühmten Gestalten des alten Märchens in Bremen keine Heimath.
Unsere Künstler gingen an dem Stoffe vorüber. Erst unsere Zeit bereitete
den Reichen und Armen vertrauten Märchengestalten, die Bremens Kamen
weit und breit bekannt gemacht haben, in Bremen selbst eine Stätte. Cs
mußte erst eine Lpoche kommen, die der Volkskunst, der Lheimathkunst wieder
gerecht wird, ein Zeitraum, in dem Meister der Bildnerei, der Malerei nicht
mehr ihre Motive, ihre Anregungen aus den, fernen Auslande, aus fremden
Ionen, aus erlogenen Wolkenkuckucksheimen, aus akademischen Schattenreichen
herausklügeln, sondern in dem sie sich auf ihre Heimath besinnen und die reichen
Schätze heben, die hier im verborgenen ruhen, auf die deutsche Sagen- und