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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 9.1892

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Beck, Paul A.: Die frühere Kloster- und jetzige Pfarrkirche zu Schussenried
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https://doi.org/10.11588/diglit.15867#0103

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aufgestellt gewesene Altar kam »ach deren Abbruch in die untere
Sakristei: auch befand sich in ersterer noch von Klosterszeiten
her die gemalte „Bretterbühne". Der Haupteingang zur
Kirche führt durch die gewölbte, vom alten gotischen Bau noch
übrig gebliebene Vorkirche (uirium, das sogenannte „Vor-
zeichen"), eine dreischiffige, nicht hohe Halle mit rippenlosem
Kreuzgewölbe, sechs Pfeilern und spitzen Arkadenbögen, auf
welche wieder durch Oesterreicher die sogenannte „Abtei" hin-
aufgebaut wurde und in welcher sich auf der einen Seite die
lebensgroße, wahrscheinlich aus der Christophskapelle stammende
hölzerne spätgotische Statue des hl. ChristophoruS, auf der
anderen Seite ein Altar mit einem tüchtigen, noch aus guter
Zeit stammenden, den Tod Marias vorstellenden, sehr aus-
drucksvollen Holzrelies —^ die Gottesmutter scheint stehend zu
sinken, bezw. zu sterben; der Lieblingsjünger Johannes ergreift
ihre Rechte und zerfließt in Thränen; ein anderer Apostel
sucht die hl. Jungfrau zu halten; die übrigen weinen oder
beten aus Psalmenbüchern oder halten das Rauchgefäß; der
Apostel Petrus hält den Weihwasserbespreuger und ein anderer
das Wassergefäß — sowie mit der bereits oben angeführten
Pieta, vielleicht auch einer Nachahmung des Steinhäuser
Guadenbildes (?) sich befindet. Außerdem ist gegen Süden
in Fortsetzung der oberen Sakristei ein in vier Bögen gegen
das südliche Nebenschiff sich öffnendes Oratorium, das sogenannte
„Chörle" angebaut. — Noch vor Mitte des vorigen Jahrhun-
derts wurde unter der Negierung des Abtes Siard Frick im
Innern eine umfassende Restauration, allerdings im vollen
Zopfstile, vorgenvmmen, und wurden unter anderem sieben
Altäre und eine Kanzel, ein echtes Zopfstück — diese um
1000 fl. nebst zwei Altären durch den Kuustschreiuer Früh-
holz aus Weingarten, welcher auch einige Altäre in die
Pfarrkirchen nach Winterstettendorf und Reickenbach geliefert
hatte — neu erstellt, die Gewölbe oben mit Freskomalereien
ausgeschmückt und so dem Gotteshause jenes Aussehen gegeben,
welches eS, den arg vergangenen Gold- bezw. Brokatschmuck ab-
gerechnet, jetzt noch hat.H Im Chore befindet sich der kolossale,
sich bis zur Wölbung aufbauende Hochaltar des hl. Norbert,
ein Werk des Wangener Judas Thaddäus Sichelbein, mit
einem großen, die Krönung Mariens vorstellenden Bilde (auf
Leinwand) von Joh. Kasp. Sing aus Braunau, geb. 1651,
7 1729 in München; nicht von Marqnart, wie es in der
Oberamtsbeschreibung heißt, obwohl das Bild unten am Rande
eigens vom Meister sogar voll bezeichnet ist, welches mits
einem ähnlichen Stücke in der Stiftskirche zu Kempten zu
dessen besten Leistungen gehören soll. Der Hochaltar selbst!
wurde im Sommer 1744 durch Gabriel Weis restauriert,
„die Grät von dem Gewölbe abgeschlagen und sauber aus- ^
gemalt". In den Schiffen der Kirche stehen auf der Evan-
gelienseite der — auch der hl. Jungfrau Maria geweihte — i
Viucenzaltar, ^) der Magnus- (auch Katharinen- und Cäcilien-) !
Altar mit der den Zahn dieses hl. Glaubensbotcn enthaltenen
Reliquie 2) und der Altar der hl. Apostel (auch Sebastians-
Prälat Magnus Kleber (1750—1756) habe erst das Magnnssest ein- !
geführt! — Der „Magnusstab" wird aber, wie zu Klostcrzeitcn, nicht
wehr nach auswärts gegeben und ausgetrageu.
st Johs. Bergmayer aus Bibernch soll schau um 1725 in die
Kirche nach Schusseuried gemalt haben.
st Schon Abt Ocsterreicher hatte im Neubau van 1483 einen
prächtige, „Maugeuallar" links beim Eingang in die Kirche errichten
wsseu.
, st Diese beiden Altäre bargen in eigenen Reliquiarien die heiligen !
^riber dieser Heiligen, welche um das Jahr 1648 zu Rom durch den
^chussenrieder Kanventnnlcn lind nachmaligen Abt k. Augustin Arzci >
fwsgewirkt und dann nach Schusseuried verbracht wurden. Die fcier- ^
mhe Einsetzung der Vincenzreliqnie in die Pfarrkirche van Schusseuried !
>w>d am 31. August 1651 statt und bestand voll da an ein eigener ^

altar). Auf der Epistelseite stehen: der Valentins- (auch
Josephs-) Altar,b) der Michaels- und Nepomukaltar und der
Augustinus- (auch Theresia-) Altar, von welchen allerdings
der letztere, sowie der Apostelaltar so gut wie in Abgang ge-
kommen sind. Zum Sehenswürdigsten der nur zu überlade-
nen Kirche gehören vor allem die im Jahre 1717 aus Nuß-
baumholz, wie jetzt erst seitens des Herrn Kaplan Rueß eruiert,
von dein Bildhauer Georg Anton Machein aus Ueberlingeu
kunstvoll gefertigten, im Spätbarockstil mit reichem Schuitz-
und Laubwerk, Tieren, Sphynxen, Blumen, Fratzengesichtern:c.
ausgeschmückteu Chorstühle, deren es auf jeder Reihe je 23
sind und welche nur leider (insbesondere auf der rechten Seite)
unter dem Wurm schon zu sehr gelitten haben, zum Teil auch
schon ein wenig beschädigt sind; dieselben wurde» vor ca. 25
Jahren etwas restauriert, nachdem sie zuvor im Jahre 1851
durch Maler Landthaler aus Kappel gefirnißt worden waren.
Namentlich ziehen die 28 an den Lehnen angebrachten, ans
Lindenhoz geschnitzten Reliefs unsere Aufmerksamkeit aus
sich, welche voll Leben und Ausdruck die Geheimnisse der
Religion, Scenen aus dem Leben Jesu und Mariä in
oft etwas willkürlicher Verbindung und Zusammenstellung
mit alttestamentarischen Allegorien behandeln. An den unteren
Stuhlwangeu sind prächtige Kinderhalbfigürchen in allen
möglichen Stellungen, sowie eine Reihe anderer reizender
Darstellungen und Statuettchen nach üppigster Phantasie
angebracht. Je ein Tableau auf der einen entspricht
immer einem auf der andere» Seite, und gehen die Dar-
stellungen im einzelnen nach einer vom 7 Herrn Pfarrer Jos.
Vaccano uns überlassenen Aufzeichnung folgendermaßen auf-
einander :

Am 1. Stuhle auf der Mäu-
nerseite, bei dem Valeutius-
altar augefangen: die erste
Heilsverkündigung Marias mit
verschiedenen symbolischen Fi-
guren; zwischen jedem Stuhl
ist eine Heiligenfigur, hier die
von Augustinus angebracht.

1. Stuhl auf der Fraucn-
seite, beim Vincenzaltar be-
ginnend: die Geburt Marias
mit der Zwischenfigur des hl.
Norbert.

Vineenzknlt daselbst. Von dieser Zeit an führte die Pfarrkirche nach den
hl. Bincenz als weiteren Schutzheiligen. Hundert Jahre später (im Jahre
1751) wurde das erste Jubiläum dieser Translation uud Einsetzung
feierlichst begangen; ?. Sebastian Sailer von Marchthal, der rnhmlichst
bekannte Festredner, hielt die (nachmals im II. Bd., S. 145—214 seiner
„Geistliche» Reden", Augsburg, im Verlage vvn Matthäus Nieger und
Söhne 1768 gedruckte) Lobrede über Ivb 38, 26, in welcher Sailer das
Knnststück fertig bringt, das Leben des hl. Märtyrers aufs einzelnste
zu beschreiben, obgleich er gestehen muß, man wisse eigentlich fast nichts
von demselben. Auch erschien damals bei Knen zu Niedlingen eine
eigene Festschrist unter dem Titel: „Feierliches Angedenken des 1. Jahr-
Hunderts, in welchem das freie unmittelbare des hl. römischen Reichs
Stift und Gotteshaus Schusseuried 8ac. Lanci. et blxeinxU. Orcl. kras-
monst. Lanonicoruin Ke^ularlum 8. dkorbei'ti mit deni glorwürdigen
Leib eines wunderthätigen hl. Blutzeugen Vincent» begnadigt worden:
z» größerer Ehre Gottes in seinen wundcrwirkendcn Heiligen der an-
dächtigen Nachbarschaft durch öffentliche» Druck vorgestellt. Mit Erlaub-
nis der Obern. NiedlingenF gedruckt bei Maria Anna Knenin Wittib,
1751. 8" (über 142 S.). In diesem Bincenzbnch wird NM Schluß
namentlich auch über viele Wunder berichtet, welche bei der Andacht zu
diesem Heiligen in der Pfarrkirche erfolgt sein sollen. Ebenso wurde
das zweite Jubiläum den 7. September 1851 durch Festgottesdienst und
feierliche Prozession unter großem Menschenandrang begangen. Der
Leib des h! Vineenz wurde im Nonnenkloster Ennetach im Jahre 1717,
der des hl. Valentin im Jahre 1726 neu gefaßt. Beide Reliquien
wurden im Jahre 1786 vor den Franzosen i» das Francnkloster zu
St. Scholastika nach Rorschach geflüchtet und daselbst repariert. Vor
etlichen Jahren wurde die eine Reliquie auch von einem Diebstähle heim-
gesucht. Im Herbst 1838 war schon ein beträchtlicher Diebstahl in der
Kirche begangen worden.
 
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