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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0018

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10

Korrespondenzen.

Suchen, 4. Jcmnar. (Die k. Glasmalanstalt.)
Die vereinten Bemühungen der Presse und des
hiesigen Alterthumsvereins um die Erhaltung. der
hochberühmten k. Glasmalanstalt München waren
keine vergeblichen. Se. Mas. der König hat noch
in der letzten Stunde den Vollzug der Verfügung
des Kultusministeriums, wonach die genannte königliche Anstalt am
1. Januar 1874 zu bestehen aufhören sollte und deren Gebäude
der kgl. Kunstakademie überwiesen werden sollten, sistirt. Ich be-
grüße die als einen Triumph der guten Sache über ein schmäh-
liches Cliquen-Wesen, auf das ich demnächst noch einmal zurück-
zukommen Gelegenheit haben werde, um so mehr, als mich Herr
Akademie-Inspektor Weber durch seine in Nr. 48 der Dioskuren
von 1873 abgedruckte Erwiderung auf meine Besprechung gewisser
Verhältnisse dazu, vielleicht ohne es zu wollen, sicher aber nicht zu
seinem Vortheile aufforderte. Nächstens also mehr. Heute will ich
mir die Freude über die Allerhöchste Entschließung nicht durch einen
Blick auf widerwärtige Umtriebe, die glücklich zu Schanden wurden,
nicht trüben.

F. K. München, 1. Januar (Ausstellung im Kunst-
Verein.) Die Weihnachtsausstellung des Kunstvereins unterschied
sich qualitativ wie quantitativ vortheilhaft von den Ausstellungen
der vorangegangenen letzten Wochen. Unter den Ausstellern befan-
den sich auch zwei auswärtige Gäste, welche wir um so freudiger
begrüßten, als wir hier in München Werke fremder Künstler fast
gar nicht' zu sehen bekommen. Von Zeit zu Zeit wiederkehrende
internationale Kunst-Ausstellungen wären auch für die Münchener
Kunst ein dringendes Bedürfniß und würden von den hiesigen
Künstlern auf's Freudigste begrüßt werden. So lange der Staat
sich aber nicht in's Mittel legt und eine bestimmte größere Summe
für Ankäufe in sein Budget aufnimmt, wodurch die auswärtigen
Künstler zur Beschickung angeregt werden, bleiben bei uns inter-
nationale Ausstellungen leider ein pium desiderium. Denn, daß
die Künstler ohne oder nur mit geringer Aussicht auf Verkauf ihre
Werke einsenden werden, ist nicht zu erwarten, haben jene doch auf
der großen wiener Weltausstellnng die allerschlimmsten Erfahrungen
darin gemacht.

Charles Soubre's „Geusenfamilie vor dem Blutrath" bringt
ein sowohl von den Niederländern als Belgiern mit Vorliebe be-
handeltes Thema aus der Schreckenszeit ihrer Geschichte. Die ganze
Furchtbarkeit und der Fanatismus des Herzogs Alba trat während
seiner ihm von König Philipp II. verliehenen unumschränkten Herr-
schaft in den Niederlanden maaßlos zu Tage, rühmte sich doch Alba
selber, in den Niederlanden 18,000 Menschen zum Tode verurtheilt
zu haben. Soubre schildert uns in seinem Bilde eine Scene des
sogen. Revolutionsrathes, während derselbe die Theilnehmer an den
Unruhen zum Tode verurtheilt. Herzog Alba, dessen Stimme die
oberste Entscheidung hatte, führt den Vorsitz, ihm zur Seite befinden
sich die übrigen Mitglieder des Gerichtes, hinter und neben ihnen
die Verurtheilten. Was die Darstellung betrifft, so vermissen wir
eine eingehendere Jndividualisirung der Köpfe, der Ausdruck der-
selben ist wenig belebt. Allerdings mögen die Verurtheilten, von
vornherein ihres Todesurtheils gewiß, theilnahmlos wie zur Schlacht-
bank getreten sein, trotzdein mußte der Künstler durch reicheren Aus-
druck und größere Charakterisirung der einzelnen Figuren das In-
teresse der Beschauers zu erhöhen suchen. Die Zeichnung ist fest
und sicher, sie bildet dadurch einen vortheilhaften Gegensatz zu
manchen unserer Münchener Bilder, die ausschließlich den Stempel

eines prunkenden Farbenbouquets tragen und deren Autoren sich
wenig um strenge Zeichnung kümmern. Das Kolorit ist dem Gegen-
stände entsprechend ernst und düster, vorwiegend in braunen Tönen
gehalten.

Ein neues Bild Defregger's! Das wirkt auf Künstler wie
Laien immer elektrisirend. Diesmal aber finden sich die Meisten
wohl enttäuscht. Das Bild trägt den Titel „Die Maler" und
zeigt uns nicht allein keinen Fortschritt, sondern einen entschiedenen
Rückschritt des sonst so talentvollen Künstlers. Von vornherein
fällt die Benutzung derselben Modelle des „Tanz auf der Alm" in
der Tyrolerin und dem jungen Bauern auf, wodurch man unwill-
kürlich an ein Liebhabertheatcr erinnert wird, auf dem immer die
gleichen Figuren lebende Bilder aufführen. Hier kömmt aber nicht
einmal die Veränderung der Kostüme in Betracht, weil bekanntlich
Defregger ausschließlich Tyroler Bauernscenen malt; da sollte er
denn doch wenigstens neue Modelle benutzen. Das Bild stellt zwei
junge Künstler dar, die in ein Bauernhaus getreten und einer jungen
Tyrolerin einen Trunk aus der Feldflasche bieten, während ein junger
Bauer, vermuthlich ihr Schatz, wohl nur ungern diese Aufmerksam-
keit der beiden Anderen sieht. Die beiden Maler rechts sind in der
Komposition nicht gerade gelungen, daß die mittelste und im Vorder-
gründe befindliche Figur mit auffallend kurzen Beinen dem Beschauer
den Rücken kehrt, ist schon auf der Bühne verpönt, um wie viel
mehr im Bilde, wo die Figur uns immer nur den Rücken bietet.
Reizend ist dagegen die junge Bäuerin, deren Darstellung dem
Künstler wirklich aufrichtiges Vergnügen gemacht zu haben scheint,
während er die übrigen Figuren vernachlässigte. Wir glauben, daß
Defregger es sich mit diesem Bilde leicht machen wollte, Strenge
aber gegen sich selbst ist des Künstlers erstes Gebot! Daß wir
Defregger gegenüber auch strengere Ansprüche als bei anderen Künst-
lern machen, dürfen wir wohl nicht erst erwähnen. Unser Urtheil
steht aber nicht allein, wir sprachen mehrere Künstler, die sich eben-
falls ungünstig über das Bild äußerten.

Von den übrigen Bildern erwähne ich Böcklin's „Ritter-
sage", excentrisch gedacht und dargestellt. — Lossow's „Rokkokobild"
ist total unruhig, man weiß da gar nicht mehr, wo man Hinsehen
soll, ob auf die Figuren, die Spiegel, deren Rahmen und endlich
auch auf den zerrissen-schnörkelhaft-zopfig gehaltenen Rahmen des
Bildes selber.— I. Gaißer's prätentiös gehaltenes Genrebild „Die
Sängerin" ist wohl nur der eleganten Kostüme wegen gemalt, die
als solche auch bewunderungswerth erscheinen. Ich habe vor Jahren
kleinere Bilder desselben Künstlers gesehen, wie z. B. das „Kammer-
müsikconcert", in denen Gaißer entschieden bedeutender auftrat. — A.
Holmberg's „Genrebild" zeigt uns einen Cellisten ini Rokkökö-
kostüm, der elegant gezeichnet und schön kolorirt ist, die Sängerin
aber dürfte entschieden verunglückt sein. Ich gebe gern zu, daß die-
selbe mit gesperrtem Munde einen richtigen Ansatz haben mag, dies
wirkt jedoch im Bilde unschön. — F. A. Kaulbach's „Spaziergang"
ist ein nobles Werk, von sehr fleißiger Ausführung und prächtigem,
obschon etwas bräunlichem Kolorit. Der Ausdruck des jungen,,
mittelalterlich kostümirten Mädchens ist voll Innigkeit und entschä-
digt für den häufigen Anblick bloßer Masken in Werken anderer
Künstler. — — Außerdem erwähne ich noch die Genrebilder von,
F. Schlesinger „Nachsitzen", H. Kauffmann „Zwiegespräch",,
I. Köckert's süßlich kolorirte „Heuernte", unter den Landschafts-
bildern A. v. Kamecke's in Dresden „Menaggio am Comersee",,
ein Bild von kühnem Aufbau der Linie und glänzendem Machwerk,.
Lindström's „Winterabend", Heilmayer's „Ammersee", W-
 
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