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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0042

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er malte auch nicht ohne Erfolg in Oel, doch blieb die Wasserfarbe
stets sein eigentliches Element.

1- Düsseldorf, Ende Januar. (Permanente Ausstellung
bei Schulte.) Betrachtet man die Fluth von unbedeutenden Bil-
dern, welche die Ausstellungen überschwemmen, so erscheint es um so
gerechtfertigter, wenn die Kritik sich auf das Werk eines Meisters
beschränkt, das sich dort einmal eingefunden hat. Denn nur ein
solches reizt zu eingehenderer Betrachtung und fordert eben durch
seinen Werth zu einem Urtheil auf. Aus demselben Gesichtspunkt
rechtfertigt es sich aber auch, wenn wir das letzte Bild von
Knaus, welches im Salon von Schulte ausgestellt war, als ein
unbefriedigendes bezeichnen. Der Gegenstand — Kinder, die auf einer
Dorfwiese spielen und Kuchen aus nassem Lehm backen — bedingt frei-
lich keine so geschlossene Komposition als irgend ein ernster Vor-
wurf, etwa ein historischer, dennoch aber ist die Zerstückelung, das
Zerstreutsein der Figuren auf der weiten Fläche beunruhigend und
stört den Totaleindruck. Die einzige Gruppirung, die drei Kinder,
welche an dem gefällten Baumstamm mit ihrer originellen Kuchen-
bäckerei beschäftigt sind, ist im Verhältniß zum Ganzen zu klein, um
den Blick zu fesseln. Zwar stellt das größere Mädchen, indem es
die Hand nach dem herantrippelnden Kinde ausstreckt, welches den
nassen Thon zuträgt, eine Art Verbindung mit diesem her, aber
auch hier liegt so viel leerer Raum dazwischen, das andere Kind
am Bach ist zwar so weit fortgerückt, und der junge Schweinehirt
steht in seinem Jammer ganz vereinzelt da. An den beiden kleinen
Mädchen in der netten Volkstracht, dem einen, welches auf dem grauen
Stamm so eifrig knetet, dem andern, welches die Erde aus dem Bach
holt, an dem lebendigen Ausdruck des älteren, welches hübscher sein
könnte, ohne deshalb weniger charakteristisch zu erscheinen, sowie an
der trefflich gemalten Heerde im Mittelgrund müssen wir uns für
diesen betrübten Knaben, den wohl der klebrige Stoff, welcher ihm
die ausgespreizten Fingern beschmutzt, ärgern mag, und für das un-
schöne herantrippelnde Kind trösten. Die hochaufsteigeude Fläche
der Wiese, die uninteressanten Linien des Dorfes im Hintergrund,
über dem kaum ein Streifchen Himmel sichtbar ist, und die trübe Fär-
bung lassen beim Beschauer nicht die frohe Stimmung aufkommen,
welche sonst das Treiben der Kinder erregt.

In demselben Lokal stellte A. Achenbach zwei Bilder aus, die
in einem interessanten Gegensatz zu einander stehen, das wüthende,
tobende Meer bei Ostende, und eine holländische Landschaft, so pfleg-
matisch und so nüchtern, wie sie nur je von einem alten Niederländer
gemalt wurde, das letzte vielleicht noch meisterhafter als das erste
gemacht, aber des Gegenstandes halber doch weniger anziehend und
wirkungsvoll. Sehen wir hier ein stilles Binnenwasser, so braust
uns dort das große Meer entgegen, hängen hier formlose, kalten Re-
gen verkündende Nebelmassen am Himmel, farblos und grau, so ballen
sich dort auf goldnem Hintergrund phantastische drohende Wolken-
gebilde, wetteifern Sonne und Mond das Firmament zu schmücken.
Hier ziehen Schiffe mit sanft geblähten Segeln hinten dem grünen
Damm, welcher das Binnenwasser von einem Meeresarm oder Kanal
zu scheiden scheint, ruhig daher, aus den Häuschen am Ufer steigt
friedlich der Rauch auf, einige Fischersleute bilden die Staffage.
Mehrere Kühe, von denen die beiden weißen die Lichtpunkte in der
Landschaft sind, stehen im seichten Wasser, an dem sich ihre Weide
entlang zieht. Dort wagt sich kein Boot hinaus; das Meer, welches
fast dunkelgelb erscheint, muß seinen Boden förmlich aufgewühlt
haben. Wir können uns diese goldbraunen Tinten nur durch eine
Masse von im Wasser zerstreuten Dünensand erklären, denn der Reflex
des Abendhimmels allein genügt nicht, die eigenthümliche Färbung
hervorzubringen. Die Sonne ist untergegangen, und von dem roth-
goldnen Hintergrund hebt sich das Wachthäuschen auf dem Brücken-

kopf silhouettenartig ab; dunkel ragen auch die Holzbastionen, deren
langweilige gerade Linien und schwarze in regelmäßigen Abständen
von einander aufgepflanzte Pfähle das Auge ermüden. Ueber dem
farbigen Streifen am Horizont ballt sich eine Wolkenreihe, hinter
der wieder weißglänzende Lichtmassen aufstrahlen. Grau senkt sich
der Himmel nach der andern Seite hinab, mit der See zusammen-
fließend. Oben aber zeigt sich auf einem Stückchen klaren Blaues die
feine Mondsichel, zart und anmuthig, ganz matt strahlend. Die
Farbenabstufungen vom Blau durch das Grün zum Goldgelb und
Roth sind so sanft, und doch ist jede Nüance wieder in sich so
kräftig, daß man die Natur selbst vor sich zu haben glaubt.

F. K. München 24. Januar. (Tod Schleich's; Aus-
stellung im Kunstverein.) Einer unserer bedeutendsten Künst-
ler wurde inmitten seines Schaffens von der Cholera dahingerafft.
Eduard Schleich, der gefeierte Landschaftsmaler und der eigent-
liche Begründer der modernen münchener Landschaftsschule starb am
8.,d. M., nachdem er noch kurz zuvor mit poetischer Frische rüstig
in seinem Atelier gearbeitet. Nicht nur die münchener, sondern die
gesammte deutsche Kunst hat durch den Heimgang Schleich's ein
unersetzlichen Verlust getroffen. Schleich war als echtes Genie seiner
Zeit voraus, dadurch ist es zu erklären, daß Viele ihn nicht ver-
standen und in seinen Bildern Nichts als geistreiche Farbenskizzen
sahen. Aber wir werden lange zu warten haben, bis irgend Jemand
wieder ähnlich schwungvolle Gedichte, so klare sonnige Lüste, solch'
lieblich poetische Landschaften in voller harmonischer Abrundung wie
er malen wird. Schleich holte die Motive zu seinen Landschaften
nicht weit her. Die nächste Umgebung von München, der Starn-
bergersee, Polling, das waren eigentlich die Hauptpunkte, die er
seinen Bildern zu Grunde legte. Aber mit der ihm eigenen ur-
sprünglichen Art hielt er sich nicht knechtisch an die Natur, oft sah
man neben seinen Bildern eine flüchtige Bleistiftsskizze liegen, die
nichts mehr als eine bloße Silhouette eines Hügels mit Bäumen,
einer Häusergruppe, einer Brücke mit einem Teich oder dgl. dar-
stellte und aus denen dann diese herrlichen Stimmungsbilder ent-
standen. Schleich zählte unstreitig zu den hervorragendsten Stimmungs-
malern unserer Zeit, dessen Werke einen hohen Werth für die späteste
Zeit behalten werden. Die hiesige Künstlergenosienschaft beabsichtigt
eine Ausstellung sowohl seiner letzten Werke als auch derjenigen zu
veranstalten, welche sich im Privatbesitz befinden, sofern dieselben zur
Ausstellung überlassen werden, und verdient die Genossenschaft dafür
im Voraus den Dank aller hiesigen Künstler. Ich werde auf diese
Ausstellung später noch besonders zurückkommen.

Von den in der Ausstellung des Kunstvereins befindlichen Novi-
täten erwähne ich zuerst Max Ad amo's Bild „Egmont's letzte
Unterredung mit Wilhelm von Oranien". Das Bild ist räumlich
klein, vielleicht zu klein gehalten, trotzdem stellen wir es den übrigen
Bildern wegen seines größeren künstlerischen Werthes, den es vor
diesen hat, voran. Nicht nur die Art der fleißigen Ausführung,
Jndividualisirung der Köpfe und das tief harmonische Kolorit stellen
das kleine Bild viel höher als manchen prätentiösen großen Farben-
fetzen, sondern die ganze Innerlichkeit der Empfindung, mit der das
Bild gemalt ist, verleihen ihm einen nachhaltig künstlerischen Werth.
Ein gleich günstiges Urtheil kann ich über den Interpreten der Fall-
staffscenen Ed. Grützner leider nicht aussprechen, der diesmal mit
einem modernen Figurenbilde „Jägerlatein" vertreten ist. Gegen
den Ausdruck der Köpfe habe ich Nichts, ich muß denselben im
Gegentheil lobend anerkennen, denn selten habe ich im Bilde eine
Figur herzlicher lachen sehen als den langen Jäger. Aber dessen
Zeichnung kommt mir doch ganz unverhältnißmäßig zu kurz vor,
auch in der Farbe hat das Bild nicht jenen Glanz, wie wir ihn
in seinen Fallstaffbildern sahen. Eine gewisse koloristische Monoto-
 
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