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wie sie in Frankreich der Reihe nach auftauchte und sonst nur ihre
jedesmaligen Günstlinge und eifrigsten Parteigänger mit Aemtcrn
und Würden belehnte, fand und ließ unfern Konservator Lenoir un-
beirrt auf seinem Arbeitsposten. Durchaus außerhalb der politischen
Parteien stehend war sein Geist vollständig absorbirt von archäo-
logischen Studien; und so kam es, daß sowohl die Männer der
Revolution und der Schreckenszeit wie die des Konsulats und des
Empire, welche doch anderwärts mit den Employss ihrer Vorgänger
rücksichtslos aufräumten, den emsigen, unersetzlichen Lenoir gleichmäßig
hochschätzten und auf seinem Posten im Müsse national befestigten.
An Alex. Lenoir zeigte sich so recht, daß in Zeiten fanatischer
Volkserregung ein konsequenter, ruhiger Arbeitscharakter vom Volke
nicht mehr verstanden wird. An Lenoir's arbeitsamen Forschersinn
ging nämlich der ultraliberale Fanatismus seiner Zeit mit seiner
blinden Verfolgungswuth spurlos vorüber. Als die Republikaner
in ihrem kindischen Hasse gegen Kirche und Legitimität die Gruft des
Kardinals Richelieu in der Sorbonne durchwühlten und in Gegen-
wart Lenoir's den Bleisarg dieses vielgehaßten Staatsmannes plün-
derten, und als unter dem Jubel des Pöbels einer von den Wächtern
der Repnblik dem Kardinal den Hals abschnitt und den mumisicirten
Kopf rundreichte, da konnten diese Schergen des französischen Libe-
ralisnms es nicht verstehen, daß der Konservator Lenoir sich zwischen
die Zeloten warf, und den Inhalt des monumentalen Sarges ihren
Händen zu entreißen suchte. Nur mit Mühe rettete er sein Leben
vor den Gewaltstreichen der erregten Menge. Aehnlich setzte er
seinen Kopf auf's Spiel, als er in den aufgewühlten Königsgrüften
zu St. Denis dem Vandalismus der Rothen entgegentrat und einem
Republikaner, welcher der Leiche Heinrich's IV. den Bart verstüm-
melte, das Handwerk legen wollte. Der nämliche Kunstforscher,
welcher unter Lebensgefahr die getrockneten Leichen historischer Männer
konservirte, beschützte auch die Glasreliquien der Nation, er reiste
im Lande umher, um behutsam und mit sachkundiger Hand die ver-
borgensten Trümmer alter Glasmalereien aus Kirchen und Palästen
auszuheben und für das National-Museum in Paris zu retten.
Mitten in einer Zeit der wohlfeilen nationalen Phrase war und
blieb in Lenoir das Schaffen ein nationales.
Brogniart, der bekannte Direktor der nationalen Porzellan-
Manufaktur von Ssvres, war der erste, welcher im Anfänge des
19. Jahrhunderts die künstgeschichtlichen Glasmalerei-Sammlungen
Lenoir's zum Gegenstände technischen Studiums machte. Als einseitig
ausgebildeter Techniker sah er in der Musivität, in den Blei-Cou-
touren der alten Glasgemälde nur ein Armuthszeugniß der alten
Technik; und da er sich mit seinen Porzellanfarben und Porzellan-
Brennöfen in der Fabrik zu Ssvres allen Schwierigkeiten des Glas-
brenuens gewachsen fühlte, so glaubte er die mosaicirende Zerstücke-
lungsmanier der alten Glasnialer mit einem Male überwinden und
an ihre Stelle eine vollendete enkaustische Plattenmalerei setzen zu
können. Brogniart schuf in der That etwas ganz Neues, nämlich
die Glasplattenmalerei. Mit Brogniart wetteiferten ein Rentner,
Namens M. Rihl, mit seinen Malern Demarne und Legay, und
ein Farbenfabrikant M. Mortclegue in Paris in dieser Glasplatten-
malerei. Rihl eröffnete sogar in der Rue Vivienne eine permanente
Ausstellung solcher eingebrannten gläsernen Staffeleigemälde. Glas-
Die internationale Kunst-Ausstellung in Wien
Künstlerhaus, Lothringer Strasse 9
wird am 1. April d. J. eröffnet und Ende Mai geschlossen. Der
Einsendungstermin für die im Auslande lebenden Künstler ist bis
zum 15. März festgesetzt. Alle Anmeldungen und Mittheilungen in
Ausstellungs-Angelegenheiten sind ausschliesslich an das Secretariat
des Künstlerhauses zu richten. [847]
tafeln von 4 bis 5 Fuß Höhe aus einem Guß waren mit Basen
und Blumenbouquets, mit Landschaften und Thierstücken eUkaustisch
im schönsten weichsten Farbenschmelz bemalt. Mond- und Schnee-
landschaften, nach ihrem Effekte wahre Glasaquarelle, Schloß- und
Parkansichten von St. Cloud und Versailles, mit allen Farbmitteln
der Porzellanmalerei auf Glasscheiben gebrannt, waren wirklich
Prunkstücke der neuen Technik aus den Ateliers von Rihl und von
Brogniart in Ssvres. Die Glasplattenmalerei machte besonders
in aristokratischen Kreisen Anfangs außerordentliches Aufsehen. Aber
im Vergleiche mit der Farbengluth der musivischen Glasbilder er-
schienen diese bemalten Platten, bei all' ihrer künstlerischen Pracht,
stets mager und matt, verblaßt und ohne chromatische Wirkung, und
ließen alsbald das höhere Kunstpublikum kalt und theilnahmlos. In
die monumentale Hausarchitektur wußte die Brogniart'sche Platten-
malerei sich auf die Dauer nicht einzuführen; der Architekt fühlte
gegen diese weichen Flächengemälde eine natürliche Abneigung. Im
Fensterrahmen eingeschlossen, konnten solche zarten Porzellansarbtinten
der großen Glasflächen den optischen Kampf mit dem durchfallenden
Tageslicht nicht aufnehmen.
Zu dieser Inferiorität der eukaustischen Palettefarbeu der mo-
dernen Glasbilder kam noch der Kostenpunkt und eine Eutmuthigung
des Künstlers, welche darin lag, daß jede Platte wohl drei bis vier
Mal übermalt und dem Bruchrisiko des mehrmaligen Rothglühens
im Schmelzofen ansgcsetzt werden mußte.
Trotz all' dieser Hindernisse fanden diese transparenten Platten-
gemälde eine Zeit lang Verwendung für monumentale Bauten; Rihl
und Brogniart lieferten für mehrere Kirchen in Paris solche Glas-
plattengemälde von großem künstlerischen Werthe. Ihre Wirkung
war die bemalter seidener Vorhänge. — Den Franzosen wurde da-
gegen der Werth der mosaicirten Glasmalerei erst wieder zum
Bewußtsein gebracht, als im Jahre 1826 der londoner Glasmaler
William Collins bunte Kirchenfenster für eine pariser Kirche ab-
lieferte und im Luxeubourg zur Schau.ausstellte. Der Kunstgeschmack
wurde durch diese importirten Glasbilder wieder architektonisch und
monumental. Selbst die königl. Manufaktur zu Sövres bekehrte
sich zu einer strengeren Richtung; und wir sehen aus dieser Anstalt
schon 1830 Glasgemälde hervorgehen, welche mit der Porzellan-
malereitechnik einer geschmackvollen Plattenmalerei die musivische An-
wendung des verbleiten farbigen Glases verbindet. Die Verglasun-
gen der Schloßkapellen zu Eu und zu Randau, nach Cartons von
M. Delaroche und Chenavart ausgeführt, waren die ersten gelunge-
nen Arbeiten dieser kombinirten Technik des 19. Jahrhunderts.
Zu der Farbenpracht aller neueren bunten Fenster trägt nicht
wenig die Glasfabrikation mit ihrem Fortschritt in Darstellung far-
bigen Tafelglases bei. In Frankreich war es Bontemps, Direktor
der Glashütte Choisy le Roi bei Paris, welcher mit künstlerischem
Sinn die Skala der farbigen Glassorten erweiterte, neue Nuancen
einsügte und die einzelnen Farben im Glase vollkommener darstellte.
Dieses Neuschaffen in den Glasfabriken und in ihren Schmelzhäfen
wirkte auf die Belebung der musivischen Glasmalerei ähnlich wie
heute die Farbenbereicherung der Stickseide und Stickwolle die Leistun-
gen der Stickerei auf eine höhere Stufe künstlerischer Ausführung
gebracht hat. (Forts, folgt.)
OriginalpliotograMen nach Grinäldkn der Arrsdearr Gallerie.
Kommissions-Verlag der Nicolai'schm Verlags-Buchhandlung (Stricker) in Berlin. — Druck von H. Theinhardt in Berlin, Zimmerstr. 98.
wie sie in Frankreich der Reihe nach auftauchte und sonst nur ihre
jedesmaligen Günstlinge und eifrigsten Parteigänger mit Aemtcrn
und Würden belehnte, fand und ließ unfern Konservator Lenoir un-
beirrt auf seinem Arbeitsposten. Durchaus außerhalb der politischen
Parteien stehend war sein Geist vollständig absorbirt von archäo-
logischen Studien; und so kam es, daß sowohl die Männer der
Revolution und der Schreckenszeit wie die des Konsulats und des
Empire, welche doch anderwärts mit den Employss ihrer Vorgänger
rücksichtslos aufräumten, den emsigen, unersetzlichen Lenoir gleichmäßig
hochschätzten und auf seinem Posten im Müsse national befestigten.
An Alex. Lenoir zeigte sich so recht, daß in Zeiten fanatischer
Volkserregung ein konsequenter, ruhiger Arbeitscharakter vom Volke
nicht mehr verstanden wird. An Lenoir's arbeitsamen Forschersinn
ging nämlich der ultraliberale Fanatismus seiner Zeit mit seiner
blinden Verfolgungswuth spurlos vorüber. Als die Republikaner
in ihrem kindischen Hasse gegen Kirche und Legitimität die Gruft des
Kardinals Richelieu in der Sorbonne durchwühlten und in Gegen-
wart Lenoir's den Bleisarg dieses vielgehaßten Staatsmannes plün-
derten, und als unter dem Jubel des Pöbels einer von den Wächtern
der Repnblik dem Kardinal den Hals abschnitt und den mumisicirten
Kopf rundreichte, da konnten diese Schergen des französischen Libe-
ralisnms es nicht verstehen, daß der Konservator Lenoir sich zwischen
die Zeloten warf, und den Inhalt des monumentalen Sarges ihren
Händen zu entreißen suchte. Nur mit Mühe rettete er sein Leben
vor den Gewaltstreichen der erregten Menge. Aehnlich setzte er
seinen Kopf auf's Spiel, als er in den aufgewühlten Königsgrüften
zu St. Denis dem Vandalismus der Rothen entgegentrat und einem
Republikaner, welcher der Leiche Heinrich's IV. den Bart verstüm-
melte, das Handwerk legen wollte. Der nämliche Kunstforscher,
welcher unter Lebensgefahr die getrockneten Leichen historischer Männer
konservirte, beschützte auch die Glasreliquien der Nation, er reiste
im Lande umher, um behutsam und mit sachkundiger Hand die ver-
borgensten Trümmer alter Glasmalereien aus Kirchen und Palästen
auszuheben und für das National-Museum in Paris zu retten.
Mitten in einer Zeit der wohlfeilen nationalen Phrase war und
blieb in Lenoir das Schaffen ein nationales.
Brogniart, der bekannte Direktor der nationalen Porzellan-
Manufaktur von Ssvres, war der erste, welcher im Anfänge des
19. Jahrhunderts die künstgeschichtlichen Glasmalerei-Sammlungen
Lenoir's zum Gegenstände technischen Studiums machte. Als einseitig
ausgebildeter Techniker sah er in der Musivität, in den Blei-Cou-
touren der alten Glasgemälde nur ein Armuthszeugniß der alten
Technik; und da er sich mit seinen Porzellanfarben und Porzellan-
Brennöfen in der Fabrik zu Ssvres allen Schwierigkeiten des Glas-
brenuens gewachsen fühlte, so glaubte er die mosaicirende Zerstücke-
lungsmanier der alten Glasnialer mit einem Male überwinden und
an ihre Stelle eine vollendete enkaustische Plattenmalerei setzen zu
können. Brogniart schuf in der That etwas ganz Neues, nämlich
die Glasplattenmalerei. Mit Brogniart wetteiferten ein Rentner,
Namens M. Rihl, mit seinen Malern Demarne und Legay, und
ein Farbenfabrikant M. Mortclegue in Paris in dieser Glasplatten-
malerei. Rihl eröffnete sogar in der Rue Vivienne eine permanente
Ausstellung solcher eingebrannten gläsernen Staffeleigemälde. Glas-
Die internationale Kunst-Ausstellung in Wien
Künstlerhaus, Lothringer Strasse 9
wird am 1. April d. J. eröffnet und Ende Mai geschlossen. Der
Einsendungstermin für die im Auslande lebenden Künstler ist bis
zum 15. März festgesetzt. Alle Anmeldungen und Mittheilungen in
Ausstellungs-Angelegenheiten sind ausschliesslich an das Secretariat
des Künstlerhauses zu richten. [847]
tafeln von 4 bis 5 Fuß Höhe aus einem Guß waren mit Basen
und Blumenbouquets, mit Landschaften und Thierstücken eUkaustisch
im schönsten weichsten Farbenschmelz bemalt. Mond- und Schnee-
landschaften, nach ihrem Effekte wahre Glasaquarelle, Schloß- und
Parkansichten von St. Cloud und Versailles, mit allen Farbmitteln
der Porzellanmalerei auf Glasscheiben gebrannt, waren wirklich
Prunkstücke der neuen Technik aus den Ateliers von Rihl und von
Brogniart in Ssvres. Die Glasplattenmalerei machte besonders
in aristokratischen Kreisen Anfangs außerordentliches Aufsehen. Aber
im Vergleiche mit der Farbengluth der musivischen Glasbilder er-
schienen diese bemalten Platten, bei all' ihrer künstlerischen Pracht,
stets mager und matt, verblaßt und ohne chromatische Wirkung, und
ließen alsbald das höhere Kunstpublikum kalt und theilnahmlos. In
die monumentale Hausarchitektur wußte die Brogniart'sche Platten-
malerei sich auf die Dauer nicht einzuführen; der Architekt fühlte
gegen diese weichen Flächengemälde eine natürliche Abneigung. Im
Fensterrahmen eingeschlossen, konnten solche zarten Porzellansarbtinten
der großen Glasflächen den optischen Kampf mit dem durchfallenden
Tageslicht nicht aufnehmen.
Zu dieser Inferiorität der eukaustischen Palettefarbeu der mo-
dernen Glasbilder kam noch der Kostenpunkt und eine Eutmuthigung
des Künstlers, welche darin lag, daß jede Platte wohl drei bis vier
Mal übermalt und dem Bruchrisiko des mehrmaligen Rothglühens
im Schmelzofen ansgcsetzt werden mußte.
Trotz all' dieser Hindernisse fanden diese transparenten Platten-
gemälde eine Zeit lang Verwendung für monumentale Bauten; Rihl
und Brogniart lieferten für mehrere Kirchen in Paris solche Glas-
plattengemälde von großem künstlerischen Werthe. Ihre Wirkung
war die bemalter seidener Vorhänge. — Den Franzosen wurde da-
gegen der Werth der mosaicirten Glasmalerei erst wieder zum
Bewußtsein gebracht, als im Jahre 1826 der londoner Glasmaler
William Collins bunte Kirchenfenster für eine pariser Kirche ab-
lieferte und im Luxeubourg zur Schau.ausstellte. Der Kunstgeschmack
wurde durch diese importirten Glasbilder wieder architektonisch und
monumental. Selbst die königl. Manufaktur zu Sövres bekehrte
sich zu einer strengeren Richtung; und wir sehen aus dieser Anstalt
schon 1830 Glasgemälde hervorgehen, welche mit der Porzellan-
malereitechnik einer geschmackvollen Plattenmalerei die musivische An-
wendung des verbleiten farbigen Glases verbindet. Die Verglasun-
gen der Schloßkapellen zu Eu und zu Randau, nach Cartons von
M. Delaroche und Chenavart ausgeführt, waren die ersten gelunge-
nen Arbeiten dieser kombinirten Technik des 19. Jahrhunderts.
Zu der Farbenpracht aller neueren bunten Fenster trägt nicht
wenig die Glasfabrikation mit ihrem Fortschritt in Darstellung far-
bigen Tafelglases bei. In Frankreich war es Bontemps, Direktor
der Glashütte Choisy le Roi bei Paris, welcher mit künstlerischem
Sinn die Skala der farbigen Glassorten erweiterte, neue Nuancen
einsügte und die einzelnen Farben im Glase vollkommener darstellte.
Dieses Neuschaffen in den Glasfabriken und in ihren Schmelzhäfen
wirkte auf die Belebung der musivischen Glasmalerei ähnlich wie
heute die Farbenbereicherung der Stickseide und Stickwolle die Leistun-
gen der Stickerei auf eine höhere Stufe künstlerischer Ausführung
gebracht hat. (Forts, folgt.)
OriginalpliotograMen nach Grinäldkn der Arrsdearr Gallerie.
Kommissions-Verlag der Nicolai'schm Verlags-Buchhandlung (Stricker) in Berlin. — Druck von H. Theinhardt in Berlin, Zimmerstr. 98.