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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0130

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der päpstlichen Pfaffenwirthschaft, schauen grimmig und voll Zorn
darein.

3. Das dritte Bild führt uns „Lorenzo von Medicis" vor,
den Beschützer der Künste und der Wissenschaften, in der Blüthezeit
von Florenz. In einer Loggia mit freier Durchsicht erblicken wir
den edlen Freund der Gelehrten und Künstler, umgeben von Männern
der Wissenschaft und der Kunst.

4. Das vierte Bild zeigt den sächsischen Fürsten August und
die Fürstin Anna, bekannt als „Vater August" und „Mutter Anna"
und als Beschützer der Industrie und des Landbaus. Ersterer unter-
hält sich mit Bürgern, welche vor ihm Produkte der Industrie aus-
breiten; letztere unterweist Leute im Garten- und Obstbau.

Die kleineren Bilder, welche die Fensterwaud schmücken, ver-
sinnbildlichen durch allegorische Figuren die Lehrfächer in der Real-
schule, z. B. Mathematik, Naturwissenschaft, Geschichte und Geo-
graphie.

Die Komposition zeichnet sich durch Einfachheit und schönes
Maaßhalten aus; die einzelnen Gruppen entsprechen den Zwecken
und Zielen einer Realschule und sind hinlänglich belebt; das frische,
harmonische Kolorit wirkt im Ganzen belebend und läßt fast durch-
gehends auch die Einzelgestalten vom Hintergründe deutlich genug
hervortreten.

4l. K. T8ien, Mitte April. (Ausstellung im Künstler-
hause. Forts.) Es soll eigentlich hier nur von Geniälden gesprochen
werden, die wirklich da sind, und nicht von solchen, welche fehlen,
wie z. B. den religiösen; aber die Frage, warum fehlen diese? wird
wohl erlaubt sein, wie die Antwort nicht schwer: weil die Künstler
sich scheuen, in den Ruf des Führichismus zn kommen, und dann
fürchten, für solche Bilder keine Käufer zu finden. Allerdings sieht
man dabei, daß diesen Käufern kein echter Kunstsinn beigelegt wird,
denn dem wahren Kunstfreund muß es gleichgültig sein, ob er die
Entwicklung des wahren Ewigschönen in der Betkammer einer Maria
oder am süßlockenden Lager einer Lais oder Phryne schauen kann.

Und nun gehen wir auf den positiven Theil der Ausstellung
über. Schon beim Eintritt in dieselbe fallen uns die mythologischen
Tableaux von CH. Griepenkerl in die.Augen. Das Hauptgemälde
„Der Hochzeitszug des Poseidon" zeigt bei einer sehr geschickten Kom-
position und charakteristischen Zeichnung eine eigenthümliche Ueber-
sättigung der Farben, welche wie durch aufsteigende Meeresnebeln
dem Beschauer entgegentreten. Poseidon und Amphitrite sind streng
stylisirt gehalten; dennoch scheint mir im Ersteren das individuelle
Wesen, in Letzterer das echte Weibliche zu wenig hervorgehoben.
„Knabe Wagenlenker" ist ein Meisterstück; Kraft, Leben, Feuer ist
in dieser Figur in dem Maaße vorhanden, daß sie fast zum Mittel-
punkt des Bildes wird; zugleich macht sie aber indirekter Weise die
olympische Ruhe des Götterpaares anschaulicher und erhabener. Um
dieses herum ein Chor von Nereiden und Tritonen, allerliebster
Mädchen und charmanter Herren — dem Oberkörper nach. Auch
hier zeigt sich im Inkarnat wieder eine gewisse Blasirtheit, die an
dieser Stelle ich mir noch gefallen lassen kann, daß es nicht aus-
gemacht, ob diese Meeresbewohner Fisch- oder warmes Blut haben.
Jedenfalls ist Minerva für Kommissionen nicht zu gebrauchen. Schon
einmal hatte sie den Inhalt der Nektarschale verschüttet und die
Menschheit um soviel Prozent Kunstsinn gebracht; jetzt, da sie Mackart
im Gefäß modernster Olympschminke bringen wollte, läßt sie davon
einen Staubregen auf das Atelier Griepenkerl's fallen — und noch
Anderer, die mich verstehen werden. Die beiden Nebengemälde
„Sturmdämonen" und „Schützende Dämonen des Meeres" sollen
Gegensätze bilden; doch sind diese nicht genug ausgebildet. Bei den
Sturmdämonen fehlt der Ausdruck zügelloser Kraft und Energie
und stört der düsterer Ermattung und ohnmächtigen Trotzes; bei

den schützenden Dämonen ist zwar der Ausdruck heiterer Gemüths-
ruhe zu finden, nicht aber die Art und Weise, wie sie vermocht, den
trotzigen Gesellen Widerstand zu leisten. Die an Momenten künst-
lerischer Vollendung reiche Bildergruppe macht in Künstlerkreisen
viel Gerede. Außerdem arbeiteten in diesem Fache noch C. Blaß
in „Danae von ihrem Vater verstoßen, von den Nereiden gerettet"
mit großem Aufwande aller möglichen Kunstmittel; ferner Heinr.
Otto in „Apollo unter den Hirten", R. Geyling in „Fischende
Amoretten".

Das rein historische Fach ist auffallend schwach vertreten; kaum
bringen wir die Kollegiumszahl drei heraus: L'Allemand, der be-
kannte Schlachtenmaler, ist durch ein Gemälde „Scene aus der pol-
nischen Revolution" vertreten. Die russische Armee, verfolgend die Polen
bis auf österreichisches Gebiet, wird hier von unseren Militairkomman-
danten an die Heiligkeit fremden Gebietes erinnert. Bei realistischer
Auffassung und meisterlicher Gruppirung herrscht etwas Steifheit, die
jedoch durch die Feierlichkeit des Momentes nicht nur entschuldigt,
sondern gefordert wird. — Carl Beckcr hat in seiner „Bianca
Capello" eine vortreffliche, bis in's Feinste individualisirende Zeich-
nung aufzuweisen, die aber keineswegs die Farben gehindert hat, im
reichsten Kleide aufzutreten. In der stolzen kräftigen Gestalt Franzens
sehen wir ein Bild männlicher Würde und Festigkeit, an der seine
Füße umklammernden Bianca die natürliche Schwäche des Weibes,
die wie der Epheu an den Eichenstamm des Mannes sich schmiegen
muß, wenn sie den Sturm des Schicksals, der sich in dem Jn-
triguantengesichte des Kardinals trefflich spiegelt, aushalten will.
„Bianca Capello" ist ein allegorisches Gemälde. — A. Groll hat
ein Stück römischer Geschichte: „Marc Antonius vor der Leiche des
Brutus" mit vielem Geschick bearbeitet.

Unter den historischen Genrebildern erregte hier Benczur's
Werk: „Ludwig XV. im Boudoir der Gräfiu Dubarry" allgemeines
Aufsehen. Es kann nicht anders sein; jeder Pinselstrich der Piloty'-
schen Schule ist eine ungeheure Reklame. Hier hat der Schüler den
Meister fast übertroffen, was Farbenpracht-Entfaltung anbetrifft.
Wird durch diese das leibliche Auge schon geblendet, so kommt das
geistige geradezu in Unthätigkeit. Freilich gehört zur Erklimmung
der höchsten Stufe der Malerei noch etwas anderes als Farben-
technik, denn sonst müßte Piloty Malerkönig und Benczur sein
Kronprinz-Thronfolger sein. — Den Sängerkrieg auf der Wartburg,
dargestellt von Fr. Schwarz in seinem Gemälde „Tannhäuser", durch-
weht ein Geist hochentwickelter Phantasie, reicher Auffassungskraft
und jenes seltenen DarstellnngSvermögens, welches inmitten eines
realistischen Grundes die Flügel des Idealismus schlägt. „Ro-
meo" hat H. L. Fischer Stoff zu einem Gemälde gegeben. Dieser
sehr talentirte Künstler befindet sich auf Abwegen, denn daS Streben
nach Knalleffekten, nach koloristischen Gegensätzen u. s. f. ist nicht der
Weg, der in den Ruhmestempel führt; und dieses Bestreben finden
wir, wie bei jedem, so auch bei diesem Bilde Fischer's. Man könnte
durchaus nicht sagen, daß ihm hier die Darstellung des Kontrastes
zwischen Lampen- und Mondlicht nicht in pikantester Weise gelungen
wäre; es zeigt sich manch' meisterhafter Zug; aber es mangelt eine
gewisse Schleifung und harmonische Biegung, die man auch bei den
größten Gegensätzen erwarten kann. Und wo bleibt eigentlich der
Romeo? — Georges-Mayer suchte einem dringenden Bedürfniß
des Publikums nach nackter Waare nachzukommen und malte seine
„Bethseba im Bade". . ., ein glückliches Sujet insofern, als es der
Davids noch viele giebt; freilich sind die Bethseba's auch noch nicht
ausgestorben. (Forts, folgt.)

^Düsseldorf, Mitte April. (Aus den permanenten Aus-
stellungen.) Eine eigenthümliche Richtung der Neuzeit, welche viel-
leicht durch den Einfluß von Max aus München nach Düsseldorf
 
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