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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0145

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sicherlich nicht zu den störenden Illusionen im Sinne Brücke's zu
rechnen sind, wirken wahrhaft bezaubernd in solchen Schlössern, deren
Fensterbrüstuugen auf das offene Meer hinausschanen. Hier wird
die stille wie die wogende See, bald in Mondbeleuchtnng, bald in
Stnrmbeschattung als Stiminnngsbild in das gemalte Fenster un-
willkürlich eingefügt und von demselben umfaßt. Zahlreich sind die
Hallengemälden, in welchen die Künstler halbgeöffnete Buzenfenster
gleichsam als Vordergrundknlisse zu der Mondlandschaft der Fern-
sicht geschickt benutzt haben. Und wie in solchen Burg- und Kloster-
bildern, so sind auch in der Wirklichkeit gemalte Fensteroberlichte die
richtige architektonische Einfassung einer „schönen Aussicht". Der
Blick gleitet bei seiner Rückkehr aus der naturalistischen Aussicht
nur allmälig, durch die Kunstverglasung hindurch, in den Vorder-
grund des Zimmers zurück.

Aehnlichen Genres wie die Fenster auf dem Hohenzoller, eine
geschickte Verbindung reichster Glasmalerei mit landschaftlicher Fern-
sicht, sind die Fenster des mittelalterlichen Schlosses Bouchont in
Belgien.*) Der jetzige Bewohner dieses Schlosses, Graf v. Beaufort,
hat diesen prächtigen Bau bis in die kleinsten Details streng im
alten Style restauriren lassen und dabei sein Hauptaugenmerk auf
eine stylgerechte, monumentale Verglasung aller Schloßfcnster ge-
richtet. Er hat in allen Fenstern seines Stammsitzes der mosaicirten
Glasmalerei die dominirende Rolle zugewiesen, welche dieser Kunst
im Mittelalter für alle feudale Bauten zugestanden war. Nicht nur

*) Levy & Capronliier, l'histoire de la peinture sur verre p. 130.

Mosaikteppiche, Grisaillen mit Gold und Glas-Rubinen durchwirkt,
nichl nur heraldisch auSgefüllte Couronnements, sondern auch farben-
reiche statuarische.Fürstenbilder prangen in den Fenstern des Schlosses
von Bouchont. Eines dieser Fenster z. B., welches in dem Vierpaß
und den Zwickeln seines Spitzbogens die Familienwappen des Grafen
trägt, ist in seiner oberen Hälfte mit vier polychromen Standbildern
von Heldenprinzen der Höfe von Burgund, Oesterreich und Spanien
geschmückt, bei welchen die Ahnen des Grafen Beaufort in hohem
Ansehen gestanden. — Die unteren Flügel dieser Bildfenster, von
den oberen, statuarisch geschmückten Flügeln durch gothische Kreuz-
balken getrennt, sind bemalt gelassen, auch nicht, wie die Brüstungs-
scheibc» der Hohenzollcr'schen Schloßfenster, als Spiegelglasplatten,
sondern nur in kleingetäfelten Verbleiungsfiguren aus blanken po-
lyedrischen Glasscheibchen kunstvoll zusammengefügt. Hinter dem
Bleinetz dieser Blankoerglasung breitet sich die schöne Umgebung
des Schlosses wie ein natürlicher Hintergrundsteppich zu der farb-
reichen Fürstengallerie der oberen Flügel vor den Blicken der Be-
wohner aus. Diese natürliche Landschaft des Untertheils und die
historischen Glasbilder des Obertheils werden harmonisch zu einem
optischen Ganzen zusammengefaßt durch eine gemeinschaftliche Bordüre,
welche die sämmtlichen Felder des Fensters, die bemalten wie die un-
bemalten, mit leuchtenden Smaragd- und Rubinschnüren umrankt.

Diese Beispiele werden hinrcichen, um zu zeigen, daß und wie
auch bei Kunstverglasungen die ungehinderte Durchschau in monu-
mentalen Fenstern kann erhalten bleiben.

(Fortsetzung solgt.)

Kunstkritik.

Hlmst mul Imiflimtujim in i\n MeUnul-steUnng.

Von Hark Alliert Iicgnet.

XXI.

ie Welt-Ausstellung war so recht dazu angethan, alten
Vorurtheilen und alten — Wahrheiten dazu den -t.o cj-
ftofö jUt üctfcfecn. r t ”

Da wissen z. B. unser- Kulturhistoriker so schon
davon zu erzählen, wie sich in den Schöpfungen er
bildenden Künste der Geist der Zeit wiederspiege e, uu
verstehen sich prächtig darauf in wohlgefügten Worten ^auseman er^
zusetzen, wie die Stürme der Kriegsgewitter auf lange ^a )rc )l n J
die Gemüther der Menschen verwildere, nicht blos derjenigen,

Beruf es gewesen, den Feind niederzuschlagen und zu erwürgen, un
wie sie den storendsten Einfluß auf Pflege und Gedeihen von Kunst
und Wissenschaft übten. ~ *

Und nun erlebten wir Tage, in denen solche Stürme, kurz z ,
aber von einer bisher noch kaum dagewesenen Heftigkeit, u er > )
Länder hereinbrachen, und sahen, wie in mehr als einem a
Wissenschaft und zwar nicht etwa die des Krieges, jon “
Wissenschaft im Allgemeinen unter diesen Stürmen nicht nur einen
Schaden nahm, sonder» aus ihnen eine Re,he neuer interessanter

und folgenschwerer Anregungen empfing. Alte Machtverhältnisse
und Gesellschaftszustände, welche für die Ewigkeit gefestet schienen,
sind über Nacht in sich zusammen gebrochen oder durch ungeheuere
Ereignisse von Grund aus nnigcstaltet worden; eine Nation, groß
und reich begabt aber unruhig, eitel und anmaaßend ist von dem
Platze verdrängt worden, von dem aus sie das europäische Concert
zwei Jahrhunderte lang dirigirt hatte und hat, was seit sieben Jahr-
hunderten nicht mehr erlebt worden, den Taktstock einem Deutschen
übergeben müssen. Und wir würden dieser ungeheueren, die Welt
völlig umgestaltenden Ereignisse in ihrer Bedeutung für die Ent-
wickelung der Kunst fast allein nur durch ein äußerliches Ergebniß
bewußt: durch das schöne geschlossene Auftreten der deutschen Kunst
als ein Ganzes, Einheitliches. Wir empfanden mit inniger Be-
friedigung, daß die Tage der Zersplitterung der nationalen Kräfte
auch auf diesem Gebiete vorbei sind, aber von den großen monu-
mentalen künstlerischen Aufgaben, welche wir von den Regierungen
des neuen Reiches, von dessen Gemeinden und Körperschaften er-
warten zu dürfen glaubten, haben wir wenig oder nichts gesehen,
es ist in dieser Richtung im Allgemeinen wohl beim Alten geblieben,
 
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