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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0170

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naturalischen Schule glücklicher Weise noch nicht verräth. R. S.
Zimmermann, einer der besten Koloristen unter den Münchenern
erfreute durch sein „Vorzimmer eines Fürsten" mit trefflicher Cha-
rakteristik einer Reihe von katholischen Geistlichen und Mönchen.

Der Farbenreichthum des Orients ist längst nicht mehr eine
Domäne der Franzosen und Engländer: Wilh. Gentz und Gustav
Richter habe» Aegypten uns näher gelegt.

Der Bildnißmalerei haben sich trotz den Erfolgen der Photo-
graphie nicht blos viele, sondern auch sehr bedeutende Talente zu-
gewendet und der Vertiefung in den Charakter entspricht ein feiner
Geschmack in der Anordnung und eine überraschende Fertigkeit in
der Mache. Zu den namhaftesten Vertretern dieser Richtung zählen
G. Richter und G. Graes, F. Kaulbach in Hannover, Frz.
Lenbach in München, Jul. Schräder und Hildebraud in
Berlin, Hugo Crola in Düsseldorf und Charles Vertat in
Weimar.

Ist auch der durch und durch originelle Schmitson schon seit
einem Jahrzehnt nicht mehr unter den Lebenden, so ist doch der
Same, den er ausgesäet, auf fruchtbares Erdreich gefallen. Noch
aber erfreuen wir uns eines Fried. Voltz und Braith in Mün-
chen, eines Steffeck in Berlin, eines Paul Meyerheim ebenda
und mancher Anderer.

Die deutsche Landschaftsmalerei ist wenigstens in einem
Punkte der französischen gefolgt, darin nämlich, daß sie zum großen
Theile die äußerlich einfachsten und schmucklosesten Motive wählt und
denselben durch Feinheit des Tons, durch leisere und zartere Luft- und
Lichtstimmungen einen allgemeinen Reiz zu geben bemüht ist, d. h.
die deutsche Landschaft ist vorwiegend Stimmungslandschaft geworden,
die stylisirte Landschaft fast ganz verschwunden. Es erscheint das
ganz einfach als unvermeidliche Konsequenz der neueren Kunstrichtung,
welche der Zeichnung und Komposition nur höchst untergeordneten
Werth beilegt und hauptsächlich durch die Farbe zu wirken sucht.
Daß Manche und zwar nach speciell französischen Vorbildern hierin
die Grenzen des Erlaubten mehr oder minder weit hinter sich lassen,
erscheint lediglich als Ausschreitung und kann keinen Grund bieten,
die Richtung im Princip zu verurtheilen. Wer die Dinge unbefangen
und vorurtheilsfrei in's Auge faßt, wird derselben die Berechtigung
nicht absprecheu können, wenn er auch die Ausschreitungen bedauert.
Am weitesten gehen darin im Allgemeinen die Münchener, wenngleich
Meister wie der zu früh Heimgegangene Ed. Schleich und nächst
ihm Adolpf Lier die schwere Kunst des Maaßhaltens trefflich ver-
stehen. Den Münchenern am nächsten stehen die Düsseldorfer unter
der Anführung der Brüder Achenbach, von denen Andreas mit
Vorliebe die niederländisch-westphälische, Oswald die italienische
Natur zur Darstellung wählen. Von der düsseldorfer Schule haben
sich C. F. Lessing und Hans Gude abgelöst und wirken heut in
Karlsruhe. Während dieser seine nordische Heimath mit staunens-
werther Kraft, Wahrheit und Feinheit wiedergiebt, erweist sich jener
noch heute als der unübertroffene Maler des deutschen Waldes, dem
nur der Münchener Karl Ebert als würdiger Genosie zur Seite steht.

Unter den der weimarischen Schule angehörigen Meistern
steht der ältere Preller als der nunmehr fast einzige Vertreter
der großen idealen Landschaft obenan und findet in seinem Sohne
einen wackeren Schüler nnd Nacheiferer, indeß Graf Kalkreuth
das Großartige der Alpennatur in dem Schmelz der Luft- und
Lichtstimmungen zur Anschauung zu bringen sucht. — In der berliner
Schule hat bisher noch keine einzelne Richtung die Oberherrschaft
an sich zu reißen vermocht, es laufen vielmehr die verschiedenartigsten

Richtungen gleichberechtigt neben einander her. Ferd. Bellermann
hatte den ersten Impuls zur ethnographischen Landschaftsmalerei, um
dieses Wort zu gebrauchen, gegeben und Ed. Hildebrandt war es,
der sie weiter entwickelte und ausbildete. Alb. Hertel zeigt uns die
eigeuthümliche Schönheit des felsigen Capri und Ed. Pape führt
uns an den Rheinfall, Scherres beweist uns, daß selbst der Regen
seine malerischen Reize hat, Hermann Eschke fühlt sich gleich Hertel
auf Capri heimisch und Moriz E r d m a n n am Strande der Nord-
see. Von Dresden sandte Herrenburg orientalische Landschaften
und aus Rom Lindemann-Frommel italienische.

Die Zahl der Landschaften war Legion und der Leser würde
inir wohl schlechten Dank wissen, wenn ich auch nur die Namen
aller hervorragenden Künstler dieses Faches aufzählen wollte, so
nahe die Versuchung andrerseits liegt.

Die Architekturmalerei wird in unseren Tagen nur mehr
wenig gepflegt, was wohl zum Theile wenigstens ans Rechnung der
Photographie zu schreiben sein wird, die nirgends bessere Dienste leistet
als in der Wiedergabe von Bauwerken. Der Münchener Ne her war
leider gar nicht vertreten; dagegen erfreute uns Graeb's in Berlin
der dortigen Nationalgallerie entnommenes Meisterwerk: Der Dom
in Halberstadt, und sein Sohn Paul erwies sich als ein tüchtiger
Schüler seines Vaters, so daß es schwer genug ist, ihre Arbeiten
auf den ersten Blick von einander zu unterscheiden. Und wer kannte
nicht Karl Werner in Leipzig, der besonders die großartige Trümmer-
welt altägyptischer Bauwerke so geistvoll wiederzugeben weiß?

Wenn sich in der Plastik der besondere Charakter der einzelnen
Nationen weniger ausprägt als in der Malerei, so hat das seinen
Grund in der Thatsache, daß die gesammte Skulptur der modernen
Welt aus der gemeinsamen Schule der antiken Plastik hervorgegangen
ist. Das fühlt sich selbst in unseren Tagen noch lebhaft genug durch,
obwohl die realistische Tendenz der Gegenwart auch der Plastik nicht
ganz ferne geblieben ist, vielmehr durch nicht wenige reichbegabte
Künstler vertreten wird. Das machte sich zuvörderst in der For-
derung individueller Portraitähnlichkeit und historischer Kostümtreue
fühlbar, und gleichzeitig eroberte sich dies Streben nach malerischer
Wirkung, dem wir zuerst bei Michel Angelo begegnen, mehr und
mehr Terrain. Die strengere, kühlere Formengebung wurde von
einer auf realistische Illusion ausgehenden und darum ohne Zweifel
nicht zu billigenden Behandlung der Skulptur verdrängt, welche sich
nicht entblödete, auch den nothwendigen und zugleich wohlthätigen
Zwang der strafferen Korrektheit abzuschütteln. Wir sehen mehr
oder minder glückliche Versuche zur breiteren, dekorativ effektvollen,
freieren und kühneren Formengebung zurückzukehren, welche sich bei
den Meistern, des 16., 17. und 18. Jahrhunderts zeigt. So sehen
wir daraus einerseits Werke von einer Lebendigkeit hervorgehen,
welche die strenge plastische Schule unmöglich erzeugen konnte,
andrerseits aber auch eine völlige Verwilderung nnd Rohheit neben
einem kleinlichsten, genrehaftesten und darum innerlichst unkünst-
lerischen Naturalismus. Nur Wenige aber sind es, welche von
solchen modernen Strömungen unberührt bemüht sind, die festen
Ueberliefernngen der antikklassischen Plastik aufrecht zu erhalten.

Nach anderer Seite trat uns eine erfreuliche Thatsache entgegen.
Dank dem wachsenden Wohlstände der Völker arbeitet die Plastik
nicht mehr ausschließlich und allein für monumentale Zwecke; auch
Private, welche Wohlhabenheit mit Liebe zur Kunst verbinden, er-
theilen den Plastikern Aufträge und der Gemeinsinn schafft kolossale
Denkmale auf Privatkosten.

(Fortsetzung folgt.)
 
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