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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0173

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Und diese drei Wochen vergingen darüber, daß der junge
Ehemann sich in den Straßen der ungeheueren Stadt zurecht
zu finden suchte und vergeblich als Dekorationsmaler Arbeit
anbot. Einem glücklichen Zufall hatte er schließlich eine freilich
nur ein paar Tage dauernde Beschäftigung zu danken. Dann
ging er nach Manchester und inzwischen saß das arme Frauchen
allein in ihrem Zimmer und verzehrte sich in Heimweh.

Aber ans Regen folgt Sonnenschein: eine englische Firma
gab Xylander Arbeit, die ungefähr ein Jahr dauerte und gut
bezahlt wurde. Dann kam wieder eine fünfmonatliche Frist
ohne irgend welchen Erwerb. Damit schien das Geschick seiner
üblen Laune genug gethan zu haben, denn nun wurde durch die
Vermittlung eines Dritten unser junger Maler mit der Restau-
ration einer Privatgallerie betraut, was allerdings nur gewöhn-
lichen Arbeiterlohn abwarf, da den größeren Theil der Mittels-
mann für sich behielt. Als diese Arbeit zu Ende geführt war,
trieb Tylander wieder Dekorationsmalerei.

So war der März des Jahres 1868 gekommen. Xylander
hatte volle drei Jahre in England verlebt und damit war die
äußerste Frist abgelanfen, welche er sich für seinen Aufenthalt
daselbst gesteckt gehabt.

In Dänemark war, dessen blieb ihm kein Zweifel, für ihn
nichts mehr zu suchen. Wie die Verhältnisse lagen, konnte er
nur München im Auge haben. Allerdings war sein Oheim
Christian Morgenstern daselbst inzwischen mit Tod abgegangen,
gleichwohl aber durfte Xylander hoffen, in München eher als
anderwärts Fäden anknüpfen zu können, und sollte ihn auch
diese Hoffnung wie so manche andere täuschen, so bot die große
Kunststadt an sich dem angehenden Künstler gar manche Beihilfe.

Xylander war nämlich mit der ihm eigenen Zähigkeit fest
entschlossen, sich zum Künstler auszubildcn: er fühlte die Kraft
in sich, alle Hindernisse zu beseitigen, die sich ihm von außen
entgegenstellen mochten.

Das Unternehmen war ein in hohem Grade gewagtes: ein
junger, mittelloser Mann ohne Schule, der sozusagen sein eigener
Lehrer gewesen, sollte den Wettkampf mit Leuten aufnehmen, die
sich alle Vortheile einer trefflichen Schule hatten aneignen können.
Zudem hatte er seit fast vier Jahren, dem Drang der Umstände
nachgebend, sich einem Berufe zugewendet, der ihm nicht ge-
stattete, ein Staffeleibild zu malen. So war es begreiflich genug,
daß die beiden ersten in München gemalten Bilder Xylander's
weder ihn noch Andere befriedigten. Nun ging er an eine
„Mondnacht im Hafen von Helsingborg", welche er dem Mün-
chener Kunstverein anbot. Der wackere Freund seines verstor-
benen Oheims, der Landschafter Jos. Schertel, rieth ihm, 300

Gulden dafür zu fordern. Xylander hatte aber nicht den Muth
dazu und überließ das Bild an den Verein um den Betrag von
180 Gulden. Es war das im October des Jahres 1868.
Jndeß nahm die Kritik erst im Frühjahr 1870 von seinen
Arbeiten Notiz: der Münchener Berichterstatter der Dioskuren
erwähnte seiner „Mondnacht am Starnberger See" und seiner
„Partie bei Southampton" mit der „prächtig leuchtenden Luft und
der staunenswerth harmonischen Gesammtwirkung" in rühmender
Weise und in Bremen fand des Künstlers „Mondnacht bei
Spithead" wohlverdienten Beifall. Tylander's Name war be-
reits ein geachteter. Ein münchener Kunstbericht von Ende Mai
1871 zählte sein Talent zu deu schönsten unter den jüngeren
Künstlern in dieser Stadt und hob hervor, wie Xylander bei
aller Sympathie für sein unsterbliches Vorbild Christian Morgen-
stern doch Eigenartiges genug in sich trage, um nicht zum geist-
losen Nachtreter des Meisters zu werden, wie er sich mit Vor-
liebe der Darstellung der See in den verschiedensten Stimmungen
zuwende und deren tausendfache Reize mit großem Verständnisse
zum Ausdruck zu bringen wisse, wie in seinem „Hafen von
Flensburg"; wie er aber nicht minder erfahren sei auf dem Fest-
lande und eine große ideale Landschaft mit Motiven aus den
bayerischen Vorbergen ein tiefes Gefühl für Schönheit der Baum-
gestalten bezeuge. Auf der internationalen Ausstellung in Wien
1871 befand sich sein „Starnberger See" und ward angekauft.
Das Jahr 1872 brachte eine „Stürmische Herbstnacht am See",
mehrere „Marinen" und eine prächtige „Mondnacht an der
Schelde". Im Jahre 1873 stellte Xylander im münchener Kunst-
Verein zunächst eine „Marine", dann eine „Mondnacht auf der
Rhede von Portsmouth" von überaus glücklicher Stimmung,
dann eine „Mondnacht in Holland" und schließlich in Breslau
eine „See bei Mondbelenchtung" aus, von der es im Berichte
vom 20. December heißt, der Künstler habe mit demselben einen
vorzüglichen Lichteffekt auf dem ruhigen Wasser erzielt, dessen
Wellen den silberhellen Mondschein in zahllosen Reflexen zurück-
werfen. —

Seine Seestudien machte Xylander neuerlich (1870) auf
der Insel Sylt und dann alljährlich an anderen Punkten der
Nordsee und 1872 in Holland. Die letzte Reise gab ihm auch
Gelegenheit, die großen belgischen und holländischen Gallerien
zu sehen, wie er auch jit den fleißigsten Besuchern der alten
Pinakothek in Miinchen zählt.

Eduard Schleich, der Kunst leider viel zu früh entrissen,
freute sich des Talentes des jungen Künstlers mit der ihm
eigenen liebenswürdigen Uneigennützigkeit und seinem erprobten
Rache hat Tylander vieles zu danken.
 
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