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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0206

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zu kommen, nur noch die eine Frage, welche nach einer Seite
hin alle andern in sich faßt: Wenn die Ausgabe gestellt würde,
ans der gesammten Kulturgeschichte vier Repräsentanten — und
warum nur vier? — der Hauptepochcn zu wählen, würde man
nothwendig aus „Moses", „Solon", „Karl den Großen" und
„Friedrich den Großen" verfallen? Hätten nicht Andere, z. B.
Alexander der Große, Augustus, Karl V., Napoleon — um
nur diese zu nennen — mindestens dasselbe Recht?

Eine zweite Klasse der Kaulbach'schen Productionen umfaßt
diejenigen größeren Cartons, welche, ohne cyklischen Zusammen-
hang, einzelne Welt- oder kulturgeschichtliche Begebenheiten in
mehr oder Weniger symbolisch-kombinatorischer Weise, mit niehr
oder weniger politischer Tendenz zur Darstellung bringen. Solcher
Art sind seine Cartons: „Die Eröffnung des Civilgerichtshofes
in Edinburgh durch König Jakob V.", für ein Glasgemälde im
Parlamentsgebäude zu Edinburgh, „Die Schlacht bei Salamis",
„Peter d'Arbuez", „Nero" u. a.

lieber die erstgenannte Komposition finden sich von ver-
schiedener Seite mehre kritische Äeußerungen in der Deutschen
Kunstzeitung, z. B. unmittelbar nach Vollendung der Zeichnung in
einer münchener Korrespondenz (Jahrg. 1868, Nr. 37). In
derselben heißt es: „Ich war etwas neugierig darauf, als ich
erfuhr, daß der Carton hiefür von Wilhelm v. Kaulbach
sei, der meines Wissens für ein Glasgemälde bisher noch keinen
Entwurf geliefert hatte. Der Gegenstand verspricht eben nicht
viel; es handelt sich um eine jener Staatsactionen, die einen
Künstler, der sich nach Leben und Bewegung sehnt, in gelinde
Verzweiflung versetzen können. König Jakob V. erösfnete im
Jahre 1532 den Civilgerichtshof in Edinburgh, und diesen Akt
hatte uns nun Kaulbach vorzuführen. Hören Sie, wie er sich
aus der Affaire zog. In weiter Halle, welche die den britischen
Inseln eigenthümlichen Formen des gothischen Styls zeigt, er-
hebt sich ein reich vergoldeter Thron, aus dem der König im
weißen Gewände und violettem Mantel, die Krone auf dem
Haupt, Scepter und Reichsapfel in der Hand, in etwas stark
theatralischer Stellung sitzt. Auf den Stufen des Thrones
liegen Blumenkränze; wer sie dahin gelegt, ist nicht ganz klar,
es müßten denn die Bischöfe und Richter gewesen sein, die
dort stehen. Damit doch irgend etwas an eine Handlung er-
innert, läßt Kaulbach den einen Richter knieend eine Urkunde
in der Hand halten, die ein neben ihm stehender Bischof segnet.
Auch an Rittern und Gelehrten fehlt es nicht, natürlich jene
über und über gepanzert und diese in faltige Talare gesteckt.
An sie reihen sich die dii minorum gentium, als da sind
Domherren und dergleichen, an. Kaulbach scheint die ganze
Gesellschaft selbst herzlich langweilig gefunden zu haben und
hat deshalb, einem guten (?) Einfalle Raum gebend, zu beiden
Seiten des Thrones Gallericn angebracht und sie zumeist mit
hübschen Weibern besetzt. Da diesen begreiflicherweise die ganze
Geschichte, einschließlich der gesegneten Urkunde, gleichfalls wenig
Spaß macht, so sind sie so klug und plaudern gruppenweise
ganz ungenirt mit einander nnd mit einigen Hofkavalieren,
denen es in dieser Region auch behaglicher scheint als unten
zwischen den Herren mit Insul, Barett und Hermelin. Daß
die Frauen und Jungfrauen jene Kaulbach'sche Familienähnlich-
keit der Gesichtszüge zeigen, werden Sie mir auch ohne meine

ausdrückliche Versicherung glauben, und somit habe ich als ge-
wissenhafter Berichterstatter für heut meine Pflicht gethan."

Wir bemerken hiezu, daß — wenn schon die monumentale
Wandmalerei, gegenüber dem koloristischen Staffeleigemälde, einen
haltnngsvollen Ernst, eine entschiedene Größe des Styls fordert,
der jeden Anklang an genremäßiges Gebühren ansschließt •—
diese Forderung bei einer für ein Glasgemälde bestimmten Kom-
position doppelt strenge sein muß; ja hier ist ein Hinübergreifen
in's Starre und gleichsam mathematisch Geordnete viel weniger
ein Fehler als das Abschweifen in's Gegentheil. Schon hienach
erscheint laut obiger Beschreibung die Komposition Kanlbach's,
abgesehen von ihrer dramatischen Inhaltslosigkeit, völlig ver-
fehlt. Er hätte sich einfach auf eine Nachahuumg der alten
deutschen Meister beschränken sollen; da hätte er zeigen können,
welche Elasticität sein Stift in der Anlehnung an eine — hier
durch die Natur der Aufgabe gegebene — Stylrichtung zu leisten
im Stande sei.

Schärfer wie die münchener Korrespondenz urtheilte die
berliner Kritik bei Gelegenheit der Ausstellung dieses Cartons
zugleich mit dem des „Peter d'Arbuez" im Lokal des Kunst-
Vereins; unter Anderem äußerte sich die „Deutsche Kunstzeitung"
(Jahrg. 1871, Nr. 27) folgendermaaßen: „Im Auslande scheint
Kaulbach noch immer als einer der Führer der deutschen Kunst
zu gelten. Wie wäre man sonst in Edinburgh auf die wunder-
liche Idee gerathen, Kaulbach zur Zeichnung eines Cartons für
ein großes Glasgemälde zu veranlassen. Nichts widerstrebt
seiner frivolen Richtung mehr als eine strenge Stylisirung, wie
sie eine unumgängliche Vorbedingung für die Glasmalerei ist.
Wie wenig er seiner Ausgabe gewachsen war, hat er in dem
ebenfalls zur Ausstellung gebrachten Carton zu dem Glas-
gemälde für das Parlamentsgebäude in Edinburgh,
darstellend „Die Eröffnung des Civilgerichtshofes durch Jakob V.
im Jahre 1532" in einer Weise gezeigt, welche ein bedauerliches
Arumthszengniß für seine Erfindungskraft enthält. Es kann nichts
trostlos Langweiligeres geben als diese mit fast portraitmäßigem
Charakter sich etablirende Staats-Action. Statt gerade hier —
im Glasgemälde, wo es gestattet wäre — der Symbolik, aller-
dings einer stylvollen Symbolik, Rechnung zu tragen, erblicken
wir lediglich eine ganz genremäßig aufgefaßte Ceremonie. In
einer weiten Halle, welche oben durch eine Reihe gedrückter
Tudorbogen gegliedert ist, deren Pfeiler (welche offenbar dem
Maaßwerk des Glasgemäldcs entsprechen und daher streng-
genommen bis auf den Boden dnrchzusühren gewesen wären)
nur einige Fuß herabreichen und sich dann in Luft auflösen
(allem Anschein nach ist dies erst später — behufs der Aus-
stellung — gemacht, um die Figurenkomposition nicht zu unter-
brechen) erblicken wir steif wie einen Oelgötzen König Jakob auf
einem Thronsessel mit Reichsapfel und Scepter auf einer Estrade.
Links und rechts sind Logen oder Gallerten mit einer Menge vor-
nehmen Publikums angefüllt, während unten vor den Treppen-
stufen Bischöfe, Richter, Ritter rc. theils stehen, theils knieen.
Der eine knieende Richter hält eine Urkunde in der Hand,
welche der Bischof segnet, oder soll da ein Schwur geleistet
werden? Gleichviel, unser Interesse wird durch das Eine
gerade soviel oder so wenig wie durch das Andere erregt.
Kaulbach scheint — vielleicht auf Wunsch von Edinburgh her —
 
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