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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0254

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246

Korrespondenzen.

fgfccn, Anfang August. (Die akademische Kunst-
Ausstellung auf der Brühl'schen Terrasse.)
Die großen nationalen Ereignisse während deS letzten
Decenniums sind, wenn es erlaubt ist, die in Rede
stehende Kunstausstellung dabei als Maaßstab zu ge-
brauchen, noch immer nicht in der deutschen Malerwelt
von so tiefer und durchgreifender Wirkung gewesen, daß durch sie
große historische Werke, die den Stempel nationaler Begeisterung
trügen, in's Leben gerufen worden wären. Die national-politischen
Errungenschaften Deutschlands scheinen noch nicht auf dem Gebiete
der Malerei eine epochemachende Kunstblüthe gezeitigt und entfaltet
zu haben, wenigstens hat die akademische Kunstausstellung in Dresden
bis jetzt kein Bild aufzuweisen, welches in wahrhaft würdiger Weise
. die Jahre 1866 und 1870 bis 1871 künstlerisch wiederspiegelte.
Möglich auch, daß diejenigen im Rechte sind, welche behaupten, daß
Dresden nicht der Ort sei, wo solche Bilder, zum Verkaufe aus-
gestellt, großen Chancen zuni Verkauftwerden haben.

Zu den ansgestellten Bildern, welche an den deutsch-französischen
Krieg erinnern, gehören folgende: „Ein Gefangenentransport" von
L. Kolitz in Düsseldorf, „Ulanen" und eine „Vedette" von Ehr.
Sell und Moritz Blanckart's „Oberst v. Anerswald vom ersten
preußischen Garde-Dragonerregiment bei Mars-la-Tour." Das letzt-
genannte Bild ist kaum der Erwähnung werth; Sell zeigt sich wenig-
stens als geschickter Zeichner, dem auch das Kolorit leidlich zu Ge-
bote steht; besser dagegen ist das genannte Bild von Kolitz. Hier
sehen wir einen Trupp gefangener Franzosen und malerischer Turkos
von deutschen Soldaten begleitet, die Gegend zeigt die Schrecknisse
des Krieges, eine ernste Gewitterstimmung herrscht in dem ganzen
Bilde, welches nur hier und da von lichten Sonnenblitzen erhellt
wird. Der Künstler hat seinen Gegenstand poetisch empfunden und
in Technik und Kolorit effektvoll wiedergegeben. Die landschaftlichen
Momente sind meistens glücklich benutzt.

Von hohem Werthe ist das Bild von Franz Rüben in Wien:
„lnclulgentia plenaria“ (General-Ablaß.) Eine Schaar armer Leute
verschiedenen Alters und Geschlechts lagert vor einer Kirchenthür,
welche die Ueberschrist „Indulgeutia plenaria“ trägt; die reichen
Sünder sind hineingegangen, um sich gegen hohes Ablaßgeld von
dem Priester Vergebung ertheilen zu lassen; das Elend und die
Armuth wartet draußen, um von den etwa bereuenden Reichen, wenn
sie zerknirschten Herzens wieder herauskommen, ein kleines Almosen
zu empfangen. Der Künstler zeigt uns das eine Extrem, daS dürftige
Elend; das andere, den üppigen, wollüstigen Reichthum, deutet er
nur leise, aber doch verständlich genug, an. In dem Bilde herrscht
in allen seinen Theilen eine feine, charaktervolle Durchführung eines
psychologisch tief empfundenen Motivs; die einzelnen Figuren und
Kleidnngsstoffe sind mit großem Fleiße und durchdachter Gewissen-
haftigkeit behandelt; auch die Komposition ist zu loben. Das Bild
ist von einer bedeutenden Wirkung und doch frei von aller virtuosen
Effekthascherei.

Rudolph Hausleithner, ebenfalls in Wien, hat in nicht
übler Weise einen „Dorfarzt" zur Darstellung gebracht, der einen
von seiner Mutter begleiteten Knaben, dessen verbundener Kopf und
geschwollene Backe seine Schmerzen bekunden, behandeln will. Der
bei seiner Mahlzeit gestörte Heilkünstler, dessen Aeußeres etwas ver-
wahrlost ist, wendet sich ob dieser Störung unwirsch zu seinen kleinen
Patienten; und diesen Augenblick benutzen zwei andere Knaben, um
für sich etwas von den Delikatessen, die der Dorfarzt zu genießen im
Begriff war, zu lukriren. Einige andere, nicht ganz zwecklose Figuren

tragen zur Abrundung der Komposition bei. Die Ausführung dieses
lebensvollen Bildes erreicht indessen nicht die Natnrtreue der Farbe
und die Formvollendung des eben erwähnten Bildes von Franz
Rüben. Der „Wettlauf auf dem Eise", ebenfalls von Hausleithner,
ist aber noch viel schwächer als der „Dorfarzt".

In meinem nächsten Schreiben werde ich noch auf einige andere
Bilder zurückkommen müssen.

C. K. 28ien, Ende Juli. (Ausstellung im Künstler-
hause.) Vor Allem erlauben Sie mir, eines Druck- oder vielmehr
Schreibfehlers zu gedenken, der sich in der Nunnner 29 d. Bl. in
den Bericht des Herrn „H. K.“ Korrespondenten eingeschlichen und
zur Folge gehabt hat, daß auch eine Chiffre-Verwechslung vor-
gefallen. Es soll nämlich wohl „II. II. Schlnßbericht der Aus-
stellung im österr. Kunstverein" und nicht „0. Iv. Schl. d. A. im
Künstlerhause" heißen.

Zwischen dichterisch ausgeschmückter Wahrheit — poetischer Auf-
fassung — und phantastisch aufgepntzter Unwahrheit — Phantasterei
— den Mittelweg einzuhalten, ist eine der glücklichsten Eigenschaften
des Künstlers. Dieselbe besitzt Ziem. Sein „Sonnenaufgang in
Venedig", schwungvoll bearbeitet, zeigt uns einen Marktplatz am
Kanal. Reges Leben herrscht auf beiden. Auf diesem stoßen reich
beladene Schiffe an das Land an. Hier entwickelt sich nun ein leb-
hafter Verkehr zwischen Käufern und Verkäufern. Diese gewöhnlichen
Scenen erhalten aber einen poetischen Anstrich durch das im Osten
aufdämmernde Licht, das noch im grellen Widerstreit mit dem Dun-
kel der Nacht steht: ein Licht, das die Finsterniß durchdringt, ohne
sie zu verdrängen. Es gehörte in der Thal ein sehr feines kolo-
ristisches Zartgefühl dazu, dies tadellos darznstellen. Aber auch in
der Zeichnung mußte vorsichtig gehandelt werden, um das sanfte ge-
mäßigte Licht durch starke Züge nicht zu verletzen. Denn nur das
grelle Licht ist die Lehrerin der Konturen. Das „Sonnenhochthal"
von W- Frey ist ein uns ungemein ansprechendes Gemälde, durch
das ein fast greifbarer Zug von natürlicher Auffassung geht. Der-
selben gesellt sich eine gute Behandlung der freilich nicht sehr reichen
Vegetation bei. — Wer Ruhe in einer Landschaft suchen will, wird
sie bei E. Dücker finden. Dies kann man das Charakteristische
dieses Künstlers nennen — was wir auch bei seiner „Landschaft
im Harz" bemerken —, daß ihm die Einfalt und die Kraft des
Gesammtausdruckes über Alles geht. Daß bei einem solchen Styl
das Kolorit weniger flüssig als maaßvoll behandelt, die Beleuch-
tung allseitig und ohne pikante Abtönungen sein muß, ist leicht zu
erkennen. Sichtlich rafft C. Ranpp im „Gewittersturm" alle seine
Kräfte zusammen, um dem Bilde den Ausdruck des... . Schrecklichen
zu verschaffen. Die Scene ist am Ufer eines See's, auf dem sich
eben während des heftigsten Gewittersturmes ein Kahn mit zwei
Personen befindet. Eine große Gewandtheit der Zeichnung und
Farbegebung kann man nicht ableugnen, aber man findet auch in
diesem kleinen Bildchen eine mit Force znsammengehänfte Masse von
Ausdruck, die ihre Mutter, die Reklame, unmöglich verleugnen kann.

Die Leistungen von Hans Schühly „Landschaft", sowie die
von Franz Alt, C. Göbel als Aquarellisten, L. Munsch in „Am
Hallstädter See", I. Brunner in „Landschaft in Kram", A. Hansch
und F. Rüben sind durchgängig lobenswerth.

Leopold Munsch ist überdies durch Architektnrbilder vielseitig
vertreten. Eine Einförmigkeit in der Behandlung derselben wird
ihm oft und nicht ganz mit Unrecht vorgeworfen, doch gebietet er
über reiche koloristische Mittel, die seinen Gemälden viel Leben und
 
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