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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0308

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Venedig. Bei den Ausgrabungen in Herculanum hat man
kürzlich, wie die Tagesblätter berichten, einen interessanten Fund
gemacht: nämlich die Büste einer Frau in natürlicher Größe ganz
aus Silber. Die Statue ist ganz vortrefflich erhalten. Anfangs
glaubte man eine Bronce-Figur vor sich zu haben, wie man deren
häufiger findet; die Erdschichten und Schwefelstücke hatten dem Me-
talle eine eigne dunkle Färbung gegeben. Bei dem Transporte
nach dem Museum fiel die Farbe indeß einem der Beamten auf,
er schabte die Kruste ab und das Silber zeigte sich rein und bald
ganz hell. Diese Statue ist die einzige aus Silber angefertigte,
die man bisher fand, sie wiegt 29 Kilogramm. — Soweit ist keine
Ursache, an der mitgetheilten Nachricht zu zweifeln. Das Folgende
aber ist entweder unverständlich oder beweist die völlige Unkennt-
niß des Berichterstatters hinsichtlich der Technik der Metallplastik.
Es heißt nämlich weiter, es habe sich ein Disput unter den Kennern
erhoben, ob die Figur gegossen oder (!) ciselirt worden sei, be-
bestimmte Merkniale wiesen indeß auf die erste Entstehungsart hin,
auch dem Gewichte nach zu schließen sei die Figur hohl, mithin (!)
niüßte sie gegossen sein. Die Figur stelle den schönen Kopf einer
jungen Frau dar: über die Entstehung sei natürlich bis jetzt nichts
aufgeklärt. — Wir vermutheten zuerst, daß „ciselirt" ein Druck-
fehler (etwa statt getrieben, nämlich in Silber) sei. Denn das
„oder" ist ganz unverständlich. Selbstverständlich müssen alle Güsse,
schon weil sie von den Näthen befreit werden müssen, durch Cise-
lirung, d. h. durch Feilen der Oberfläche fertig gemacht werden.
Daß nun aber gar daraus, daß die Figur hohl ist, folgen soll,
daß sie nicht cisilirt, sondern (wieder dieser falsche Gegensatz!) ge-
gossen sei, ist geradezu Unsinn. Auch geht daraus hervor, daß eine Ver-
wechslung von Ciselirung und Treiben nicht stattgefunden haben kann,
denn eine in Silber getriebene Figur würde erst recht hohl sein.
Kurz es ist aus der ganzen Geschichte — welche auch von hiesigen
Zeitungen (ohne Bedenken) abgedruckt wird — nicht klug zu wer-
den. Auch der Schluß, daß die Figur (oben stand einmal „Büste",
dann wieder „Statue") den Kopf einer jungen Frau darstelle, ist
unverständlich: Meint der Verfasser, daß der Kopf der Statue,
welche eine junge Frau darstelle, schön sei, oder ist es gar keine
Statue, sondern wirklich nur eine Büste? Aber warum nennt er
sie dann einmal Statue, das andere Mal Büste? das ist doch nicht
dasselbe. Wir werden weitere Nachrichten abwarten müssen, um
die Widersprüche lösen zu können.

R. Nom, 30. Septbr. Nach einer Mittheilnng der Künstler-
genossen zum Pantheon hat der 1872 in Rußland verlebte römische
Architekt Ludwig S tanz ani die genannte Genossenschaft zur Uni-
versalerbin seines Rücklasses rnit dem Beifügen eingesetzt, daß mit
den Zinsen seines Vermögens drei Stipendien für junge Leute ge-
gründet werden sollen, die sich der Kunst widmen.

Brüssel. Das hiesige Museum hat durch zwei Gemälde von
L. Cranach dem Aelteren „Adam und Eva" werthvolle Bereiche-
rungen erfahren. Dagegen haben zwei Bilder des Museums „St.
Lievin's Märtyrerthum" und „Die Anbetung der heiligen drei
Könige", beide von Rubens, kürzlich in Folge eines Unfalls ernst-
liche Beschädigungen erlitten.

Amsterdam. Auf der gegenwärtig hier stattfindenden Kunst-
ausstellung befinden sich auch zwei große Aquarelle von dem deutschen
Maler Perlberg in Nürnberg, welche ihrer Wirkung wegen
Aufmerksamkeit erregen. Das eine stellt „die Memnonssäulen in
Egypten bei Sonnenaufgang" dar, der Vorgrund wird durch das
Lager einer Karavane in lebendiger Weise stasfirt; das andere
Aquarell zeigt eine „Palmengruppe am Nil", in deren Schatten
Araber mit Kameelen rasten, während vorn eine braune Egyptierin
Wasser aus dem Nil schöpft.

London. Der englische Bildhauer Foley, welcher plötzlich
gestorben ist, gehörte zu den wenigen Künstlern seines Fachs und
seines Landes, denen auch auf dem Continente die vollste Anerken-
nung zu Theil geworden sein würde. Geboren 1818, wurde er
1855 Mitglied der Akademie, gerietst aber mit seinen Collegen in
solche Zerwürfnisse, daß er die akademischen Ausstellungen in den
letzten zehn Jahren nicht mehr beschickte. Seine Hauptwerke sind „Die
Unschuld", „Abels Tod", „Juno und Bacchus", „Lear's Tod", „Lear
und Cordelia", „Venus rettet den Aeneas", „Prospero und Mi-
randa", „Betrachtung", „Egeria", „John Hampden" und „Sir-
James Outram". Das letztgenannte Werk, eine Reiterstatue, steht
in London vor dem Athenäum-Club und ist seine schönste Schöpfung.

Durham. Die Restauration der hiesigen Kathedrale ist, soweit
sie die Außenseite des Gebäudes betrifft, vollendet, so daß die Ent-
fernung der Gerüste bereits stattgefnnden hat. Bei dieser Restauration
hat keine der Beschädigungen stattgefunden, die in England bei Ar-
beiten dieser Art so häufig zu beklagen sind, da man die Außenseite
blos gereinigt hat. Man wird nun an das Innere gehen und mit
dem Chor und der Kapelle der neun Altäre den Anfang machen.

Kunstkritik.

>ie rckrrllemMe IunstiluüsleNuilg in Ierlin.

(Fortsetzung.)

II. Allegorien, Mythologisches, Zage, Märchen.

(Schluß.)

m Anschluß an die antilisirende Malerei hätten wir
noch ein paar Gemälde zu betrachten, welche zwar
ihren Stoff dem Alterthum entlehnen, im Uebrigen
aber, da sie geschichtlich bekannte Fakte darstellen, be-
reits in die Rubrik „Historienmalerei" gehören, auf
welche wir den Leser verweisen müssen; es sind dies
besonders das große Bild Keller's „Nero, auf das brennende Nom
schauend" und Wertheimer's „Agrippina". Zuvor wollen wir
jedoch einen Blick auf eine Reihe von Werken werfen, welche mit den
früher erwähnten das Moment des Mythischen und Sagenhaften
gemeinsam haben, wenn auch ihre Stoffe nicht mehr der antiken
Dichtung entlehnt sind. Hieher gehören namentlich die mehr oder

weniger phantastischen Darstellungen aus dem Sagenkreise der nor-
dischen Mythe.

Es ist bemerkenswerth, daß in neuerer Zeit sich die Aufmerk-
samkeit der Künstler mehr und mehr der altnordischen und germa-
nischen Sage zuwendet; und es wäre gegen diese im besten Sinne
nationale Tendenz um so weniger etwas zu erinnern, als — wie wir
bereits auseinandergesetzt — dieser ganze Vorstellungskreis entschie-
den mehr malerischen Charakter hat als das klassische Alterthum.
Wenn wir gleichwohl ein Bedenken gegen die malerische Verwerthung
der dahin gehörigen Gestalten nicht unterdrücken können, so richtet
sich dasselbe nicht sowohl auf den Inhalt selbst, als darauf, daß
immerhin das rein Phantastische, seiner inneren (abstrakt-idealistischen)
Natur nach, der farbigen (koloristischen und darum real-lebenswahren)
Darstellung widerstrebt. Wir müssen also auch hier auf den scheiu-

Aortsehmrg in der Beilage.
 
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