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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0326

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318

Wünschen zu kleiden und nicht im kategorischen Imperativ zu
sprechen, wie das genannte Gericht anzunehmen scheint, und gilt
das von schriftlichen Aufträgen nicht minder als von mündlichen.
Gälte die erwähnte Auffassung allgemein, so wäre die Stellung
eines von einem regierenden Fürsten mit einem Aufträge be-
trauten Künstlers in vielen Fällen eine überaus heikle. Um
festzustellen, an wen er sich bezüglich des Auftrages zu halten,
müßte er förmliche Recherchen anstellen, ob der Fürst als
Kunstfreund oder als Regent gesprochen, und einer solchen Re-
cherche stellte sich die Stellung des Fürsten geradezu als un-
übersteigliches Hinderniß entgegen.

Hinsichtlich der Forderung der Bürklein'schen Erben für
die Thätigkeit ihres Erblassers, soweit das Maximilianeum in
Frage, heißt es im Erkenntnisse: „Schon jetzt muß als festste-
hend erachtet werden, daß die spätere Umformung der Spitzbögen
in Rundbögen, welche nach übereinstimmender Schätzung beider
Theile einen Aufwand von 80,000 Gulden verursachte, von
Bürklein nicht in Folge königlichen Auftrages vorgenommen
wurde. Zum Beweise ihrer desfallsigen Behauptungen können
sich die Kläger einzig und allein auf eine flüchtige Notiz ihres
Erblassers berufen, inhaltlich welcher S. M. der König gele-
gentlich sein Mißfallen an den Spitzbögen geäußert hätte."
Dagegen verneint das Gericht die Frage, ob die beklagte Nach-
laßinasse auf Grund des Mangels eines desfallsigen königlichen
Auftrages eine Kompensationsforderung stellen könne aus folgen-
den Gründen:

„Fürs erste erscheint es geradezu undenkbar, daß die
Heimlichkeit, mit welcher Bürklein den fraglichen Umbau vor-
nehmen ließ und die vielleicht geeignet war, das uneingeweihte
Publikum zu täuschen, auch die Administration des königlichen
Nachlasses hinter das Licht hätte führen können. Dieser Ad-
ministration müßte geradezu unverantwortliche Lässigkeit vorge-
worfeu werden, wenn sie weder aus den augenfälligen Veran-
staltungen, noch aus dem Schallenden (?) eine derartige Wendung
der Bauthätigkeit auf die in ihren Händen zusammenlaufenden
Bau-Rechnungen werfen mußte, Veranlassung genommen hätte,
einen Blick hinter die Coulissen zu thun*). Schon die An-
nahme, daß Biirklein ohne Vorwissen des Bauherrn, beziehungs-
weise seiner Vertretung gehandelt hätte, erscheint hiernach so
ziemlich ausgeschlossen. Wäre sie aber auch begründet, so läge
nach dem thatsächlichen Gang der Dinge doch jedenfalls eine
nachträgliche Ratihabition vor, da man sich die getroffene Aeu-
derung des Bauwerks gefallen ließ und das Gebäude mit der-
selben und ohne jegliche Protestation — es wurde wenigstens
eine solche nicht behauptet — seiner Vollendung entgegenführen

*) In dieser unverständlichen Fassung wörtlich der Urtheilsabschrift
entnommen. D. V. — Vielleicht entstellt aus: — „noch aus dem Schatten,
den eine derartige rc." (statt „Schallenden", was ja reiner Unsinn ist.) D. Red.

ließ. Wenn nun der Architekt, gleichgiltig ob später und auf
fremde Anregung hin, ein monumentales Bauwerk, bei welchem
der Ruhm seines Gründers ein höheres Interesse bietet, als
die Kosten seiner Errichtung, eine seiner Meinung nach ver-
schönernde Modifikation des bisher erfolgten Bauplanes eintreten
läßt, so kann er noch nicht unbedingt der Pflichtverletzung ge-
ziehen und für die Mehrkosten haftbar gemacht werden, so lauge
er nicht dem ausdrücklichen Willen des Bauherrn entgegen-
handelt. "

Demnächst wird mit der Vernehmung der Sachverständi-
gen begonnen werden. Einer derselben, der rühmlichst bekannte
Architekt v. Schmaedl dahier, hat ein umfassendes Gutachten
ausgearbeitet, dem ich folgende Stellen entnehme:

„Wer die Größe dieser Aufgabe (künstlerische Gestaltung
der Errungenschaften der Neuzeit) einigermaßen zu bemessen
im Stande ist, der wird gestehen müssen, daß überhaupt nur
eine genial angelegte Natur dieselbe erfassen und deren Ausfüh-
rung versuchen konnte. Eine solche genial angelegte Natur war
Bürklein; das beweisen hauptsächlich seine ersten Bauten und
noch vorhandenen Projekte von hohem künstlerischem Werthe.
Daß seine Kraft schließlich erlahmte, daß die Resultate seines
Schaffens, besonders in der letzten Periode, nicht vor dem
Forum der jetzigen Kunstrichtung tadellos bestehen konnten, das
ist nicht seine Schuld, das ist die konsequente Folge der über-
menschlichen Anforderungen, welche an ihn gestellt worden sind, ist
die Folge der Unlösbarkeit des aufgestellten Problems. Zur
Unlösbarkeit dieses Problems aber und zu den kolossalen Ar-
beiten, die durch dasselbe bedungen wurden, gesellte sich noch
der grenzenloseste Unverstand solcher Elemente, welche, allen
Kunstsinnes baar, dennoch bei der Verwirklichung des königlichen
Planes ihren Einflüssen in maaßgebendster Weise Geltung ver-
schafft haben müssen. Sie scheinen mir der Krebsschaden ge-
wesen zu sein, an dem alle Projekte krankten, und der selbst die
erhabensten, genialsten Gedanken in ihrer Ausführung schließlich
zum Zerrbilde ihrer Ursprünglichkeit zu gestalten suchte*). Sie
find meiner Ansicht nach mit die hervorragendsten Führer ge-
wesen, welche den rastlosen Geist Bürklein's schließlich als nur
zu getreue Begleiter zum Wege des Wahnsinns führten.

Die Möglichkeit des vorliegenden Prozesses allein schon
giebt selbst dem Uneingeweihten das Verständniß hiefür an . die
Hand. Mit wahrhafter Empörung aber wird Der erfüllt, der
als denkender und schaffender Künstler Einblick erhält in die
grenzenlose Misere einer Küustlerlaufbahn, die unter königlichem
Schutz und Schirm zu glänzendem Fluge bestimmt schien.'*

Carl Albert Regnet.

*) Vergl. Studien zur Charakteristik bedeutender Künstler der Gegen-
wart. Friedr. Bürklein. Dioskuren Jahrg. 1873, Seite 26, 41 ff.
 
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