208
Hans W. Singer:
Baukunst die
Triglyphen
eigentlich eine
Stillosigkeit,
da sie, anstatt
mittels einer
neuen aus
der Marmor-
behandlung
entstandenen
Form den
konstruktiven
Zweck zu ver-
anschaulichen,
einfach die
Form, die sich
beim Holzbau
an denBalken-
enden ergab,
verwendeten.
Dort war es
natürlich, hier
wurde es
schon einmal
durch dieVer-
grösserung
unverständ-
lich. So sieht
man jetzt die
richtungen vorzunehmen versucht. So bringt "abenteuerlichsten gusseisernen Gitter, in denen
Majolika-Gefässe.
THEO SCHMUZ-BAUDISS—MÜNCHEN.
der Betrachter leicht das, was sie geschaffen
haben in Verbindung mit dem wie sie es
geschaffen haben und darin besteht das
grosse Geheimniss des Stils.
Mit der fortschreitenden Kultur auf dem
Gebiet des Praktischen ist dieses Gefühl für
Stil in uns immer schwächer geworden und
muss heutzutage mit Ueberlegung zurück-
gewonnen werden, während es einst naiv
bestand. Der Ersatz, um es mit einem Wort
zu bezeichnen, ist an allem schuld. In allen
Interessensphären des menschlichen Lebens
ist der »Fortschritt« bestrebt, die natürlichen
Stoffe, die einfachen Handhabungen, durch
billigere künstliche, durch schnellere maschi-
nelle zu ersetzen. Aber wie unmöglich es
ist, die äussere Form beizubehalten, wenn
wir das Material, das sie gezeitigt hat, durch
anderes ersetzen, das lehren uns schon
frühere Zeiten. So sind in der griechischen
Motive der alten Schmiedeeisentechnik bis
zur Unverständlichkeit verballhornisirt sind,
weil man sie nachahmte und in dem neuen
Verfahren doch nicht ganz nachahmen kann.
Leider ist diese Stillosigkeit auf dem
Gebiet der Kunst weit verbreitet. Es gibt
gerade neuerdings so viele Künstler, die
die Aufgabe von hinten anfassen. Sie denken
sich, — so und so gethan und es gibt eine
feine Stimmung. Nun suchen sie dieses Ziel,
das sie vor ihr geistiges Auge stellen, mit
was weiss ich, für ungeeigneten Mitteln zu
erreichen. So schwebt einem eine dunstige,
schwüle Sommerlandschaft vor, und er will
den Eindruck durch eine Radirung wieder
erwecken, anstatt durch ein Gemälde. Oder
er will einen lustigen Einfall vergegen-
wärtigen und er greift zur Palette anstatt
zur Reissfeder usw. Umgekehrt müsste
es sein und jeder sich erst fragen, welche
Hans W. Singer:
Baukunst die
Triglyphen
eigentlich eine
Stillosigkeit,
da sie, anstatt
mittels einer
neuen aus
der Marmor-
behandlung
entstandenen
Form den
konstruktiven
Zweck zu ver-
anschaulichen,
einfach die
Form, die sich
beim Holzbau
an denBalken-
enden ergab,
verwendeten.
Dort war es
natürlich, hier
wurde es
schon einmal
durch dieVer-
grösserung
unverständ-
lich. So sieht
man jetzt die
richtungen vorzunehmen versucht. So bringt "abenteuerlichsten gusseisernen Gitter, in denen
Majolika-Gefässe.
THEO SCHMUZ-BAUDISS—MÜNCHEN.
der Betrachter leicht das, was sie geschaffen
haben in Verbindung mit dem wie sie es
geschaffen haben und darin besteht das
grosse Geheimniss des Stils.
Mit der fortschreitenden Kultur auf dem
Gebiet des Praktischen ist dieses Gefühl für
Stil in uns immer schwächer geworden und
muss heutzutage mit Ueberlegung zurück-
gewonnen werden, während es einst naiv
bestand. Der Ersatz, um es mit einem Wort
zu bezeichnen, ist an allem schuld. In allen
Interessensphären des menschlichen Lebens
ist der »Fortschritt« bestrebt, die natürlichen
Stoffe, die einfachen Handhabungen, durch
billigere künstliche, durch schnellere maschi-
nelle zu ersetzen. Aber wie unmöglich es
ist, die äussere Form beizubehalten, wenn
wir das Material, das sie gezeitigt hat, durch
anderes ersetzen, das lehren uns schon
frühere Zeiten. So sind in der griechischen
Motive der alten Schmiedeeisentechnik bis
zur Unverständlichkeit verballhornisirt sind,
weil man sie nachahmte und in dem neuen
Verfahren doch nicht ganz nachahmen kann.
Leider ist diese Stillosigkeit auf dem
Gebiet der Kunst weit verbreitet. Es gibt
gerade neuerdings so viele Künstler, die
die Aufgabe von hinten anfassen. Sie denken
sich, — so und so gethan und es gibt eine
feine Stimmung. Nun suchen sie dieses Ziel,
das sie vor ihr geistiges Auge stellen, mit
was weiss ich, für ungeeigneten Mitteln zu
erreichen. So schwebt einem eine dunstige,
schwüle Sommerlandschaft vor, und er will
den Eindruck durch eine Radirung wieder
erwecken, anstatt durch ein Gemälde. Oder
er will einen lustigen Einfall vergegen-
wärtigen und er greift zur Palette anstatt
zur Reissfeder usw. Umgekehrt müsste
es sein und jeder sich erst fragen, welche