H. E. v. Berlepsch — München.
3
H. e. v. Berlepsch. Wandbrunnen in Kupfer.
Ausgef. von j. winhart & co. — münchen.
sondere Pfade gewandelt. Politische
Freiheitsideen waren es, die seinen Vater,
einen feuerigen Achtundvierziger, wollte
er sich »vor der Begnadigung zu Pulver
und Blei« retten, zur Flucht nach der
Schweiz zwangen. Er war so ziemlich
ohne alle Mittel in die Republik getreten
und stand deshalb vor der schwierigen Auf-
gabe, sich eine neue Existenz zu gründen.
In St. Gallen hatte er festen Fuss gefasst
und als ihm hier sein letzter Sohn Hans
Eduard — die anderen Söhne starben —
geboren wurde, waren die Verhältnisse
äusserst knapp. Und doch hat er nie
einen offiziellen Schritt unternommen, um
seine Amnestirung zu erwirken, wie sehr
er auch an seiner Heimath hing und den
Kindern von dem Lande erzählte, das jen-
seits der weiten Seefläche lag, die sie von
den Höhen um St. Gallen erblicken konnten.
Ein guter Gedanke, klar und geschickt
ausgeführt, brachte indessen für ihn und
seine Familie bald bessere Tage. All sein
Trachten stand, seit er in der Schweiz lebte,
auf die Erforschung der Alpenwelt. Sein
erstes umfangreiches Werk über diesen Stoff
»Die Alpen in Natur- und Lebensbildern«
(Jena, Costenoble), das in kurzer Zeit ver-
schiedene Auflagen erlebte und in alle mo-
dernen Sprachen übersetzt wurde, machte ihn
rasch bekannt. Im Kreise intimer Freunde,
Maler und Musiker, wurde Kapitel um
Kapitel gelesen. Die Kinder durften zuhören.
Da war es natürlich, dass der Knabe
die wunderbare Alpenwelt, die er aus den
Dachfenstern der elterlichen Wohnung in
der Ferne liegen sah, aber nie betreten
hatte, als etwas Seltsames in sich aufnahm,
umsomehr, als die später viel genannten
Schweizer-Dichter C. Morell und A. Corrodi
die Phantasie des Zehnjährigen mit allerlei
Geschichten von Riesen, Zwergen und
allem möglichem Geistervolke, das da droben
in den Schrofen hause, Gold und Edelsteine
hüte und Gemsmilch tränke, erst recht be-
wegten. So wurde in ihm früh die Liebe
zur Natur geweckt; er wuchs fast als Land-
kind auf, und als ihn der Vater später in
den Ferien bei Wanderungen über alle
H. E. v. BERLEPSCH. Eierkocher und Eierbecher.
Ausgef. von J. WINHART & CO.—MÜNCHEN.
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H. e. v. Berlepsch. Wandbrunnen in Kupfer.
Ausgef. von j. winhart & co. — münchen.
sondere Pfade gewandelt. Politische
Freiheitsideen waren es, die seinen Vater,
einen feuerigen Achtundvierziger, wollte
er sich »vor der Begnadigung zu Pulver
und Blei« retten, zur Flucht nach der
Schweiz zwangen. Er war so ziemlich
ohne alle Mittel in die Republik getreten
und stand deshalb vor der schwierigen Auf-
gabe, sich eine neue Existenz zu gründen.
In St. Gallen hatte er festen Fuss gefasst
und als ihm hier sein letzter Sohn Hans
Eduard — die anderen Söhne starben —
geboren wurde, waren die Verhältnisse
äusserst knapp. Und doch hat er nie
einen offiziellen Schritt unternommen, um
seine Amnestirung zu erwirken, wie sehr
er auch an seiner Heimath hing und den
Kindern von dem Lande erzählte, das jen-
seits der weiten Seefläche lag, die sie von
den Höhen um St. Gallen erblicken konnten.
Ein guter Gedanke, klar und geschickt
ausgeführt, brachte indessen für ihn und
seine Familie bald bessere Tage. All sein
Trachten stand, seit er in der Schweiz lebte,
auf die Erforschung der Alpenwelt. Sein
erstes umfangreiches Werk über diesen Stoff
»Die Alpen in Natur- und Lebensbildern«
(Jena, Costenoble), das in kurzer Zeit ver-
schiedene Auflagen erlebte und in alle mo-
dernen Sprachen übersetzt wurde, machte ihn
rasch bekannt. Im Kreise intimer Freunde,
Maler und Musiker, wurde Kapitel um
Kapitel gelesen. Die Kinder durften zuhören.
Da war es natürlich, dass der Knabe
die wunderbare Alpenwelt, die er aus den
Dachfenstern der elterlichen Wohnung in
der Ferne liegen sah, aber nie betreten
hatte, als etwas Seltsames in sich aufnahm,
umsomehr, als die später viel genannten
Schweizer-Dichter C. Morell und A. Corrodi
die Phantasie des Zehnjährigen mit allerlei
Geschichten von Riesen, Zwergen und
allem möglichem Geistervolke, das da droben
in den Schrofen hause, Gold und Edelsteine
hüte und Gemsmilch tränke, erst recht be-
wegten. So wurde in ihm früh die Liebe
zur Natur geweckt; er wuchs fast als Land-
kind auf, und als ihn der Vater später in
den Ferien bei Wanderungen über alle
H. E. v. BERLEPSCH. Eierkocher und Eierbecher.
Ausgef. von J. WINHART & CO.—MÜNCHEN.