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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 3.1898-1899

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Grävell van Jostenoode, Harald-Arjuna: Germanische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6386#0205

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GERMANISCHE KUNST.

175

Tnsere Zeit ist zerrissen wie kaum eine
frühere durch den Widerstreit feindlicher
Gedanken. Gegensätze prallen auf einander,
Parteien befehden sich, Länder bekriegen sich,
Völker hassen sich, Stände beneiden einander
und Religionsgesellschaften, die die liebe
predigen sollten, säen Hass. Ja, die beiden
Geschlechter scheinen in dieser alles um-
stürzenden Zeit statt für einander, gegen ein-
ander arbeiten zu wollen. Es ist ein Chaos,
wie jenes war, das der Erscheinung Christi
unmittelbar vorherging. Die Zeit ist wie ein
Ungethüm, das seine eigenen Kinder
verschlingt, wie ja schon die Alten den
Saturnus dargestellt haben. Es ist, als ob
eine allgemeine Auflösung bevorstände und
nicht mit Unrecht hat man diesen ungeheuren
Zerstörungsprozess »Fin de Siecle« getauft.

Da fragt sich nun, ob in dieser finsteren
Nacht denn gar kein Stern am Himmel
leuchtet. Der Schiffer, der auf wildem Meere
dem trügerischen Elemente des Wassers aus-

gesetzt ist, richtet sich nach den Sternbildern.
So glänzt auch uns ein erhabenes Sternbild,
das die Nacht erleuchtet. Es ist das Be-
wusstsein unserer germanischen Abstammung.
Mag man in dem trüben Gewirre der
Meinungen oft nicht wissen, wo die Wahr-
heit ist, mag man hin- und herschwanken
zwischen sich bekämpfenden Gegensätzen,
sich einmal dieser, einmal jener Schulmeinung
anschliessen — unverrückbar bleibt doch
das strahlende Gestirn des Germanenthums.
Nach ihm kann man sich immer richten. Es
trügt nie. Es hat die Germanen bis heute
davor behütet, durch den Einfluss des Roma-
nismus gänzlich zu verderben. Es wird
auch in der nächsten Zukunft glänzender
wieder aufleuchten als je. Denn alle Zeichen
sprechen dafür, dass wir mit bewusster Ab-
sicht einer grossen germanischen Zukunft,
wenn auch langsam, entgegengehen.

Es gibt Sterne, welche zu manchen Zeiten
mehr leuchten, manchmal unterzugehen

H. LIESEGANG—DÜSSELDORF.

Radirung: Abend.
 
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