H. E. v. Berlepsch.
Gallerte Meister Arnold's Bilder erblickte,
wurde ihm »ganz sonderbar zu Muthe«.
»Warum das wusste ich nicht, aber verlassen
hat mich dieser erste mächtige Eindruck nie
mehr«. Er war so stark, dass er um dieser
ihn tiefbewegenden Erfahrung willen ein
ernstes Zerwürfniss mit seinem Vater tapfer
ertrug. Dieser hatte eine grenzenlose Ver-
ehrung für die deutschen Meister der vier-
ziger und fünfziger Jahre und als Berlepsch
von ihnen einmal das Wort »seelenlose Pose«
gebrauchte und behauptete Cornelius, Schadow
und vor allem Kaulbach hätten von der Antike
einen völlig falschen Begriff gehabt, da fühlte
sich der Vater tief verletzt. Sie sprachen
wochenlang kein Wort miteinander Ein
prachtvoller Herbstabend, an dem sie im
Limmatthal spazieren gingen, brachte sie
wieder zusammen. Angesichts der herrlichen
Natur brach der Alte das Schweigen, das sie
lange gegenseitig beobachtet hatten. »Ist
das nicht schön«? — »Ja« sagte der Sohn,
»aber es ist so wunderbar, dass nur der
Böcklin es malen kann.« Der Vater stand
still, schaute ihn von oben bis unten an,
gab ihm die Hand — und sie waren wieder
versöhnt.
Es waren in jeder Beziehung Lehrjahre
für ihn. So begann er in jener Zeit auch
mit Viollet-le-Duc vertraut zu werden. Er
zeichnete damals für Professor Rudolf Rahn,
dem er zumal für die Kenntniss des Mittel-
alters viel verdankt, eine Reihe von Holz-
stöcken für dessen »Geschichte
der bildenden Künste in der
Schweiz«. Rahn wies ihn unab-
lässig auf den grossen fran-
zösischen Kenner hin und gab
ihm Gelegenheit, allmählich mit
dessen sämmtlichen Arbeiten ver-
traut zu werden.
Wer bei Semper gelernt und
Viollet-le-Duc verstanden hatte,
für den war es eine logische For-
derung, sich auch praktische Ein-
sicht in allen Fragen des Hand-
werks zu erwerben. Berlepsch
entschloss sich deshalb, erst als
Zimmermann dann als Maurer mit
Axt und Kelle in der Hand kennen
zu lernen, was »bauen« heisst. Von morgens
früh bis abends musste er auf dem Bauplatz
mit den Gesellen arbeiten und nachher gab
er dann noch Privatunterricht. »Geschadet
hat's mir nichts, wohl aber im späteren
Leben mir manche Frage leichter lösen
helfen.« Im Winter zwischenhinein hörte er
dann wieder Kollegien und beschäftigte sich
mit archäologischen und historischen Studien.
— Auf diese Weise erwarb er sich jene
Vielseitigkeit des Wissens und Könnens, die
ihn vor unendlich vielen Künstlern aus-
zeichnet. Er ist ein vortrefflicher Berathep,
den man nie umsonst angeht, denn tech-
nische Fertigkeiten, historische Bildung und
persönliche Erfahrung sind in ihm zu einem
eigenartigen Ganzen organisch verwachsen.
Er ist ebenso sicher und gewandt als Mann
der Feder, wie als schaffender Künstler.
H. E. V
. BERLEPSCH.
Truhen-Bank.
Gallerte Meister Arnold's Bilder erblickte,
wurde ihm »ganz sonderbar zu Muthe«.
»Warum das wusste ich nicht, aber verlassen
hat mich dieser erste mächtige Eindruck nie
mehr«. Er war so stark, dass er um dieser
ihn tiefbewegenden Erfahrung willen ein
ernstes Zerwürfniss mit seinem Vater tapfer
ertrug. Dieser hatte eine grenzenlose Ver-
ehrung für die deutschen Meister der vier-
ziger und fünfziger Jahre und als Berlepsch
von ihnen einmal das Wort »seelenlose Pose«
gebrauchte und behauptete Cornelius, Schadow
und vor allem Kaulbach hätten von der Antike
einen völlig falschen Begriff gehabt, da fühlte
sich der Vater tief verletzt. Sie sprachen
wochenlang kein Wort miteinander Ein
prachtvoller Herbstabend, an dem sie im
Limmatthal spazieren gingen, brachte sie
wieder zusammen. Angesichts der herrlichen
Natur brach der Alte das Schweigen, das sie
lange gegenseitig beobachtet hatten. »Ist
das nicht schön«? — »Ja« sagte der Sohn,
»aber es ist so wunderbar, dass nur der
Böcklin es malen kann.« Der Vater stand
still, schaute ihn von oben bis unten an,
gab ihm die Hand — und sie waren wieder
versöhnt.
Es waren in jeder Beziehung Lehrjahre
für ihn. So begann er in jener Zeit auch
mit Viollet-le-Duc vertraut zu werden. Er
zeichnete damals für Professor Rudolf Rahn,
dem er zumal für die Kenntniss des Mittel-
alters viel verdankt, eine Reihe von Holz-
stöcken für dessen »Geschichte
der bildenden Künste in der
Schweiz«. Rahn wies ihn unab-
lässig auf den grossen fran-
zösischen Kenner hin und gab
ihm Gelegenheit, allmählich mit
dessen sämmtlichen Arbeiten ver-
traut zu werden.
Wer bei Semper gelernt und
Viollet-le-Duc verstanden hatte,
für den war es eine logische For-
derung, sich auch praktische Ein-
sicht in allen Fragen des Hand-
werks zu erwerben. Berlepsch
entschloss sich deshalb, erst als
Zimmermann dann als Maurer mit
Axt und Kelle in der Hand kennen
zu lernen, was »bauen« heisst. Von morgens
früh bis abends musste er auf dem Bauplatz
mit den Gesellen arbeiten und nachher gab
er dann noch Privatunterricht. »Geschadet
hat's mir nichts, wohl aber im späteren
Leben mir manche Frage leichter lösen
helfen.« Im Winter zwischenhinein hörte er
dann wieder Kollegien und beschäftigte sich
mit archäologischen und historischen Studien.
— Auf diese Weise erwarb er sich jene
Vielseitigkeit des Wissens und Könnens, die
ihn vor unendlich vielen Künstlern aus-
zeichnet. Er ist ein vortrefflicher Berathep,
den man nie umsonst angeht, denn tech-
nische Fertigkeiten, historische Bildung und
persönliche Erfahrung sind in ihm zu einem
eigenartigen Ganzen organisch verwachsen.
Er ist ebenso sicher und gewandt als Mann
der Feder, wie als schaffender Künstler.
H. E. V
. BERLEPSCH.
Truhen-Bank.