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Rudolf Klein.
GER H. JANSSEN—DÜSSEI.DORF. Selbst-Porträt.
verleiht, wie sie am Vorabend eines Streiks
in der Luft liegt; eine groll- und hassgeladene
Atmosphäre, der das Knattern der Infan-
teriepatronen tragische Grösse zu verleihen
im Stande ist. Diese Stücke sozialen Elends
sind ihrem Wesen entsprechend in gleich
vollendeter Technik dargestellt. Manche
Detailstudien Arthur Kampfs, Rothstift-
blätter, einzelne Körpertheile darstellend,
gehören wohl zum Besten, was auf dem
Gebiet des linearen Zeichenkönnens geleistet
werden kann! In jüngster Zeit hat Arthur
Kampf das Arbeiterbild allegorisch ver-
wendet zur Herstellung einiger grosser
Wandgemälde, die ihm durch Konkurrenz-
Entscheidung zufielen, welche Bilder, nach
den Studien zu urtheilen, wohl das bisher
Beste seiner Produktion abgeben dürften. —
Das direkte Gegentheil Arthur Kampfs,
dennoch aber mit ihm wesensverwandt, ist
Gerhard Janssen. Ich habe früher schon
einmal darauf hingewiesen, dass er zu den
originellsten Vertretern der modernen Kunst
gehöre, indem er nämlich über Etwas ver-
fügt, das dem modernen Künstler so gut
wie abhanden gekommen ist: er hat Humor!
Solches steht bei einem Maler heute sehr
in Misskredit, indem man leicht an die
Anekdotenbilder überwundener Kunststand-
punkte erinnert wird, hierzu aber gehört
Janssen keineswegs. Er ist kein Anekdoten-
erzähler. Bei ihm ist mit unverfälschtem
rheinischem Kolorit der Humor der Ostade,
Brouwer, Jan Steen wieder erwacht. Schade,
dass seiner Farbe der Schmelz fehlt. Seine
Bilder wären sonst kleine Meisterwerke! Er
hat ein Verständniss für die Weinlaune des
Volkes, für das Pikant-Gemeine des Prole-
tariers wie in unserer decacenten Zeit kein
Zweiter. Im Gegensatze daher zum mo-
dernen Künstler, dessen Nerven sich von
den Frissons köstlich parfümirter Boudoirs
wonnig erschauern lassen, hat er auch Ver-
ständniss für den romantischen Reiz der
Proletarierkneipe, wo er mit Droschken-
kutschern, Dienstmännern und Stadtoriginalen
über Hopfen und Gerste politisirt. Er ist in
den alten Düsseldorfer Kneipen zuhause wie
die alten Holländer in ihrer Schenke. Nicht
uninteressant ist daher zu erinnern, dass der
Künstler, bevor er sich entdeckte — Heiligen-
maler werden wollte! — Der dritte in dieser
Gruppe ist Klein-Chevalier. Wie Arthur
Kampf malt er auch viele Historienbilder,
die aber eher schlecht wie gut sind und
denen des Kampf sehr nachstehen. Im
Gegensatz zu Kampf aber malt er nicht das
Volk, sondern die mondaine Gesellschaft.
Hier gelingt ihm mancher Wurf. Sein bestes
Bild auf diesem Gebiet war bisher »Der
Spielsaal in Ostende«, das leider nicht für
unsere Reproduktion zu haben war. —
Während in diesen drei Künstlern die na-
turalistische Strömung ihren Ausdruck fand,
nicht so wild und mauerbrecherisch wie
anderswo, da sie entstanden, während an
der Heimstätte der Kunst die Experimente
auch schon überwunden und alles in ruhigen
Bahnen gleitend ging, wird der romantische
Neu-Idealismus, jene Kunstrichtung, die seit
einer Reihe von Jahren im Vordergrunde
des Interesses steht, allein aus dem Grunde,
da sie die neuen dekorativen Bestrebungen
gezeitigt, durch die drei Namen Spatz, Frenz,
Rudolf Klein.
GER H. JANSSEN—DÜSSEI.DORF. Selbst-Porträt.
verleiht, wie sie am Vorabend eines Streiks
in der Luft liegt; eine groll- und hassgeladene
Atmosphäre, der das Knattern der Infan-
teriepatronen tragische Grösse zu verleihen
im Stande ist. Diese Stücke sozialen Elends
sind ihrem Wesen entsprechend in gleich
vollendeter Technik dargestellt. Manche
Detailstudien Arthur Kampfs, Rothstift-
blätter, einzelne Körpertheile darstellend,
gehören wohl zum Besten, was auf dem
Gebiet des linearen Zeichenkönnens geleistet
werden kann! In jüngster Zeit hat Arthur
Kampf das Arbeiterbild allegorisch ver-
wendet zur Herstellung einiger grosser
Wandgemälde, die ihm durch Konkurrenz-
Entscheidung zufielen, welche Bilder, nach
den Studien zu urtheilen, wohl das bisher
Beste seiner Produktion abgeben dürften. —
Das direkte Gegentheil Arthur Kampfs,
dennoch aber mit ihm wesensverwandt, ist
Gerhard Janssen. Ich habe früher schon
einmal darauf hingewiesen, dass er zu den
originellsten Vertretern der modernen Kunst
gehöre, indem er nämlich über Etwas ver-
fügt, das dem modernen Künstler so gut
wie abhanden gekommen ist: er hat Humor!
Solches steht bei einem Maler heute sehr
in Misskredit, indem man leicht an die
Anekdotenbilder überwundener Kunststand-
punkte erinnert wird, hierzu aber gehört
Janssen keineswegs. Er ist kein Anekdoten-
erzähler. Bei ihm ist mit unverfälschtem
rheinischem Kolorit der Humor der Ostade,
Brouwer, Jan Steen wieder erwacht. Schade,
dass seiner Farbe der Schmelz fehlt. Seine
Bilder wären sonst kleine Meisterwerke! Er
hat ein Verständniss für die Weinlaune des
Volkes, für das Pikant-Gemeine des Prole-
tariers wie in unserer decacenten Zeit kein
Zweiter. Im Gegensatze daher zum mo-
dernen Künstler, dessen Nerven sich von
den Frissons köstlich parfümirter Boudoirs
wonnig erschauern lassen, hat er auch Ver-
ständniss für den romantischen Reiz der
Proletarierkneipe, wo er mit Droschken-
kutschern, Dienstmännern und Stadtoriginalen
über Hopfen und Gerste politisirt. Er ist in
den alten Düsseldorfer Kneipen zuhause wie
die alten Holländer in ihrer Schenke. Nicht
uninteressant ist daher zu erinnern, dass der
Künstler, bevor er sich entdeckte — Heiligen-
maler werden wollte! — Der dritte in dieser
Gruppe ist Klein-Chevalier. Wie Arthur
Kampf malt er auch viele Historienbilder,
die aber eher schlecht wie gut sind und
denen des Kampf sehr nachstehen. Im
Gegensatz zu Kampf aber malt er nicht das
Volk, sondern die mondaine Gesellschaft.
Hier gelingt ihm mancher Wurf. Sein bestes
Bild auf diesem Gebiet war bisher »Der
Spielsaal in Ostende«, das leider nicht für
unsere Reproduktion zu haben war. —
Während in diesen drei Künstlern die na-
turalistische Strömung ihren Ausdruck fand,
nicht so wild und mauerbrecherisch wie
anderswo, da sie entstanden, während an
der Heimstätte der Kunst die Experimente
auch schon überwunden und alles in ruhigen
Bahnen gleitend ging, wird der romantische
Neu-Idealismus, jene Kunstrichtung, die seit
einer Reihe von Jahren im Vordergrunde
des Interesses steht, allein aus dem Grunde,
da sie die neuen dekorativen Bestrebungen
gezeitigt, durch die drei Namen Spatz, Frenz,