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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 3.1898-1899

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Klein, Rudolf: Das heutige Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.6386#0192

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Rudolf Klein: Das heutige Düsseldorf.

JUL. BRETZ—DÜSSELDORF. Studie: Am Weiher.

Waren die bisher genannten Künstler
sämmtlich der Janssen'schen Schule ent-
sprossen, freilich nicht ohne theilweise eine
Periode in München oder Paris geweilt zu
haben, so ist eine zweite kleinere Gruppe
aus dem Atelier des bekannten Bibelmalers
E. v. Gebhardt hervorgegangen. Dieser rühm-
lichst bekannte Maler, der eine markante
Stellung in der modernen Bibelmalerei ein-
nimmt, besitzt als Lehrer insofern wenig
Vorzüge, indem er seine Schüler dazu anhält,
ihn sklavisch zu kopiren, welchem Verhäng-
niss sich nur wenige nach und nach ent-
rungen haben. Alsdann haben diejenigen,
die sich nicht selbständig schulten, bei ihm
kaum malen gelernt. Gerade wie Janssen
und die meisten älteren Maler, hat auch
Gebhardt für Tonempfindung kein Verständ-
niss und Schwächen, die bei der Eigenart
des Meisters wenig auffielen, wirken bei den
Schülern unerträglich. Die Persönlichkeit
v. Gebhardt's ist die von Düsseldorfer Künst-
lern noch am meisten bekannte. Sie ist in
verschiedener Hinsicht ungemein interessant,
nicht nur in ihren Vorzügen, auch in ihren
Schwächen. Die Kunst v. Gebhardt's for-

mulirte man bisher so: er brach rühmenswerth
mit der alten Tradition der religiösen Malerei
unserer Zeit, die ihren Blick nicht von Rafael
abwenden konnte und suchte seine Vorbilder
unter den kräftigen Realisten der Nieder-
länder, Rojer, Patinier etc. etc. Seine Bilder
sind von ausgezeichneter Karakteristik der
Typen und voll seelischer Tiefe, sie sind
kraftvoll und ruhig — ihr Fehler ist:
v. Gebhardt steht nicht in seiner Zeit! Statt
ein Kind seiner Zeit zu sein wie Uhde und
Puvis de Chavannes, des letzteren Bilder
trotz ihres Archaismus das moderne Em-
pfinden durchzittert, bleibt er ein Epigone
der alten Niederländer. So etwa dachte man
bisher über Gebhardt. Diese Karakteristik
könnte man augenblicklich, wo das moderne
Zeitempfinden zu schwinden beginnt und die
Sehnsucht nach einem Volksempfinden rege
wird, entgegensetzen, dass Gebhardt im
Grunde weit mehr in der Erde, im Volke
wurzelt wie Uhde! Die Bibelmalerei darf
nie aus dem Tagesgeist geboren werden!
Sie muss, sei es in katholischer oder pro-
testantischer Tradition, tief aus den Empfin-
dungen quillen, die die heiligen Legenden
in das gläubige Kinderherz senkten — nur
dann können wir eine wirkliche, naive Bibel-
malerei haben! Der Christus, der ein wissen-
schaftliches Scherbengericht passirt hat, ist
nicht mehr der Christus des Kinderglaubens,
ist überhaupt kein Christus mehr. Ihm fehlt
die Naivetät. Diese liebliche Naivetät hatte
Gebhardt, in seinen frühesten Bildern leider
mehr wie heute. Heute wirkt in seinen
Bildern vieles gewollt, absichtlich, seine
Menschen sind Schauspieler ihrer Pose, sind
vom Meister klug gestellte Modelle, keine
sich unbewusst gebenden Menschen mehr.
Dass Gebhard diesem Fehler im Alter noch
erliegen musste, ist die Folge davon, dass
er überhaupt zu jenen Künstlern gehört, die
zuviel erlernt haben. Sein Kunstverständ-
niss war immer grösser wie sein ursprüng-
liches Können! Er ist ein unglaublich
fleissiger, mühsamer Arbeiter, der Tagelang
im Kupferstichkabinet zubringt, freilich ohne
sich plump an seine Vorbilder anzulehnen.
Er studirt ihr Wesen, nicht ihr Aeusseres.
Um so sonderbarer scheint es, dass er diese
 
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