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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 3.1898-1899

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Grävell van Jostenoode, Harald-Arjuna: Germanische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6386#0208

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Harald Grävell van Jostenoodc: Germanische Kunst.

ALEXANDER FRENZ—DUSSELDORF.

Gemälde: Im goldenen Zeitalter.

Dies ist auch der Weg zur germanischen
Kunst. Dieselbe schläft im alten Zauber-
schlosse und erwartet den kühnen Ritter, der
sie erlöst und befreit. Sie wartet schon
lange. Aber der Tag ist nicht mehr ferne,
wo ihr Sehnen gestillt werden wird. Schon
rüsten sich junge Helden in allen germanischen
Ländern zur kühnen Fahrt.

Heil dem Helden, der sie erlöst vom
Bann! Heil dem Tage, wo die schöne Jung-
frau ihren Einzug hält und Glück, Segen
und Freude verbreitet!

Denn Freude brauchen wir in unserer
so pessimistisch angehauchten Zeit, wenn
wir nicht den gesteigerten Ansprüchen des
»Kampfes ums Dasein« erliegen sollen. Wie
selten ist heute noch eine herzliche, wirkliche,
helle Freude anzutreffen! Die Einen leben
dumpf dahin, wie die Thiere, sie betäuben
ihren Hunger nach geistigem Genuss durch
sinnliche, widerliche Orgien, dieAndern lassen
die Köpfe hängen und vertrösten sich auf
das Nirwana, das bessere Jenseits.

Wäre unsere Kunst wahrhaft volksthüm-
lich, so würde sie einen befreienden Einfluss
ausüben. Denn der Anblick der Schönheit
erhebt den Menschen. Jeder, der nicht ganz
verthiert ist, begreift, in dem wirklichen
Kunstwerke instruktiv die Flee und diese
Idee führt ihn auf Geistesflügeln in ein
besseres Land, »wo die reinen Formen
wohnen«, wie Schiller singt.

Aber leider ist bei uns die künstlerische
Phantasie in der Jugend nicht erweckt worden.
Die Schule hatte ja dafür keine Zeit. Sie
hielt es für nöthiger uns lateinische und
griechische Vokabeln und Verbalformen ein-
zuprägen. Kein Wunder, dass das Publikum
so ohne Vcrständniss für das Schöne ist.
Denn die Phantasie muss erzogen werden
so gut wie der denkende Verstand. Der
Schule der Zukunft bleibt es vorbehalten,
hier Abhülfe zu schaffen. Sie muss die
Kinder möglichst frühe zur Liebe des
Schönen erziehen, sie muss so bald als
möglich gute Muster vorführen. Nicht der
 
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