Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 3.1898-1899

DOI Artikel:
Grävell van Jostenoode, Harald-Arjuna: Germanische Kunst
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6386#0211

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Germanische Kunst.

181

sehe ich schöne Blüthen des neuen Geistes
seit den Tagen Ruskins. Nirgends wird die
germanische Jungfrau schöner zur Erscheinung
gebracht, niemals sieht man das Mädchen-
hafte reiner als auf englischen Bildern (z. B.
bei Ryland). Die deutsche Gedankentiefe
kann man dagegen bewundern bei den phi-
losophischen Gemälden des grossen Burnc-
Jones. Irl Deutschland will ich nur auf die
humorvollen, echt gemüthlichen Illustrationen
von Hermann Vogel hinweisen, der ein
würdiger Schüler seines Lehrers, des herr-
lichen Ludwig Richter ist. Das ist ger-
manische Kunst. Die versteht jeder ohne
Kommentar, sie spricht zu Herzen.

Aber solche aus der Volksseele stammende
Kunst muss mit allen Mitteln durch das
ganze Volk gepflegt werden. Sie muss das
Gemeingut Aller sein. Nicht für einige Reiche
soll der Künstler arbeiten. Nein,
er sei der Erzieher des ganzen
Volkes! Er schöpfe aus dem Volks-
bewusstsein, er gebe wieder, was
die Seele des Volkes bewegt! Wie
viel lässt sich noch gewinnen aus
den alten Märchen, den Sagen,
den Volksliedern! Und wie wenig
sind sie noch von wirklich grossen
Künstlern benutzt worden! Statt
frostiger Allegorien, die das Volk
nicht versteht, zaubere man dem
Volke seine eigenen Gedanken und
Gefühle in den wohlbekannten Ge-
stalten der Sage hin; oder man
stelle — wenn man mehr der rea-
listischen Kunstrichtung huldigt —
die Leiden und Freuden der heu-
tigen Gesellschaft dar, wie es
unsere Meister Menzel, Knaus und
Dcfr egger verstehen! Man hat
genug italienische Bauernmädchen
gesehen und italienische Land-
schaften; fasse man endlich einmal
die germanischen Länder und
Völker ins Auge! Hier blüht noch
eine grosse und auch dankbare Auf-
gabe für die germanische Kunst.

Alle germanischen Künstler
aber sollen sich ansehen wie die
Glieder einer einzigen Familie.

99. IV. 5.

Kein kleinlicher Hass und Streit soll in
ihren Herzen Raum haben. Sei er ein
Däne, sei er ein Schweizer oder Nieder-
länder — sie sind eines Stammes und dienen
derselben Sache. Wie in den Tagen der
grossen Völkerwanderung die Germanen
nach Süden drängten, so muss eine Völker-
bewegung aufs neue in Gang kommen, eine
geistige Völkerfluth der Germanen, die in
ihrem Bereiche alles wegschwemmt, was
ungermanisch ist.

Wie aber sollen die einzelnen Kampf-
genossen sich kennen lernen und sich zu-
sammenfinden? Wir leben in einer Zeit der
Ausstellungen. Internationale Ausstellungen
wechseln einander ab und auch die Kunst,
die bekanntlich nach Brot geht, hat nöthig
durch solche grosse Schaustellungen sich
bekannt zu machen. Aber wäre es nicht

PROF. G. OEDER und C. A. liEUMERS— IHESSELDORF.
 
Annotationen