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Wilhelm Schölermann:
Aus der Jubiläums-Ausstellung im Fretter. Ausgangsportal. architekten bressler u. windrisch—wien.
beeinflusst und es kann daher mit Sicherheit
gefolgert werden, dass neue Konstruktionen
auch neue Formen gebären müssen.« Be-
sondere Betonung legt der Verfasser auf
die neuzeitliche Eisenkonstruktion. Sehr
interessant und zutreffend ist mir noch fol-
gender Satz in Erinnerung: »Ein Mann in
modernem Reiseanzuge wird zur Bahnhofs-
halle, zum Schlafwagen, zu allen unseren
Vehikeln stimmen.« Als Nutzfolgerung
ergibt sich aus dieser Anschauung, dass der
Architekt immer aus der Konstruktion die
Kunstform zu entwickeln habe.
Es gibt bekanntlich noch eine andere,
von dieser ziemlich abweichende Auffassung.
John- Ruskin stellt wesentlich andere For-
derungen auf. .[In seiner ideal-individua-
listischen Bauphilosophie (so könnte man
seine Schriften vielleicht nennen) errichtet
er eine strenge Scheidewand zwischen Bau-
kunst und dem praktischen Bauwerk schlecht-
hin. Die Architektur setzt für ihn erst da
ein, wo etwas vom praktischen Gesichts-
punkte aus Ueberflüssiges, Unnützliches hin-
zutritt. Die Hütte, das Fabrikgebäude, die
Brücke haben nach seiner Meinung mit
Architektur ebensowenig zu thun, wie Bahn-
höfe oder Markthallen. Der geistvolle Aesth-
etiker verliert aber dabei, wie mir scheint,
den festen Lebensboden unter seinen Füssen
und verirrt sich etwas in Abstraktionen. Man
muss bei ihm allerdings in Berücksichtigung
ziehen, dass seine Anschauungen noch aus einer
Bauperiode stammen, wo man in England
zu einer anderen Ansicht schwerlich gelangen
konnte. Dort gab es von jeher nur archi-
Wilhelm Schölermann:
Aus der Jubiläums-Ausstellung im Fretter. Ausgangsportal. architekten bressler u. windrisch—wien.
beeinflusst und es kann daher mit Sicherheit
gefolgert werden, dass neue Konstruktionen
auch neue Formen gebären müssen.« Be-
sondere Betonung legt der Verfasser auf
die neuzeitliche Eisenkonstruktion. Sehr
interessant und zutreffend ist mir noch fol-
gender Satz in Erinnerung: »Ein Mann in
modernem Reiseanzuge wird zur Bahnhofs-
halle, zum Schlafwagen, zu allen unseren
Vehikeln stimmen.« Als Nutzfolgerung
ergibt sich aus dieser Anschauung, dass der
Architekt immer aus der Konstruktion die
Kunstform zu entwickeln habe.
Es gibt bekanntlich noch eine andere,
von dieser ziemlich abweichende Auffassung.
John- Ruskin stellt wesentlich andere For-
derungen auf. .[In seiner ideal-individua-
listischen Bauphilosophie (so könnte man
seine Schriften vielleicht nennen) errichtet
er eine strenge Scheidewand zwischen Bau-
kunst und dem praktischen Bauwerk schlecht-
hin. Die Architektur setzt für ihn erst da
ein, wo etwas vom praktischen Gesichts-
punkte aus Ueberflüssiges, Unnützliches hin-
zutritt. Die Hütte, das Fabrikgebäude, die
Brücke haben nach seiner Meinung mit
Architektur ebensowenig zu thun, wie Bahn-
höfe oder Markthallen. Der geistvolle Aesth-
etiker verliert aber dabei, wie mir scheint,
den festen Lebensboden unter seinen Füssen
und verirrt sich etwas in Abstraktionen. Man
muss bei ihm allerdings in Berücksichtigung
ziehen, dass seine Anschauungen noch aus einer
Bauperiode stammen, wo man in England
zu einer anderen Ansicht schwerlich gelangen
konnte. Dort gab es von jeher nur archi-