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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Schliepmann, Hans: Haus "Rheingold" in Berlin: eine Meisterschöpfung von Bruno Schmitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0038

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Haus ■»Rheingold«- in Berlin.

Den Abschluß des Saales bildet eine
Doppeltreppe aus dunklem Marmor in
reichem Glasmosaikrahmen üppigster und
doch nicht bunt wirkender P'arben Wirkung.
Abwärts steigend gelangen wir rechts in
eine Rotunde, welche sich in der Grundform
in allen Stockwerken wiederholt und das
ungleichmäßige Zusammenschneiden der
drei Bauteile (im Mittelpunkte des T) in
geschicktester Weise künstlerisch ver-
deckt. Die an die untere Rotunde an-
schließenden beiden tiefgelegenen Räume
sind in Ausprägung ihrer »Kellerlage«
mit großen Tonnengewölben überdeckt
und von ganz besonderer Phantastik der
Durchbildung. Ein Raum, ganz für jene
leider aussterbenden sitz- und trunkfesten
deutschen Männer, denen der Wein die
Zunge löst, die Phantasie beflügelt und
das Herz groß macht, ohne sie zuletzt
zum Tier zu erniedern! Man könnte von
einer Hochschule für geläuterte, be-
geisternde Kneipkunst sprechen. Denn
alle Phantastik bleibt innerlich fest und
ernst und groß, alle Pracht mäßig und
besonnen und traulich. Gibts hier einmal
einen Wein, so echt und gut wie der
Raum, so müßte sich hier alles zusammen-
finden , was Berlin noch an idealistischen
Schwärmern birgt.

Wieder ist es erstaunlich, wie Schmitz
hier alte Motive ganz neu um geschaffen
und so zu Eigenstem gemacht hat. Den
einen Saal, den sogen. nMuschelsaah,
schmückt eine Muschelinkrustation, wie
sie ähnlich das späte Barock bei Brunnen-
und Bäderanlagen liebte; den anderen in
verwandter Gestaltung eine Zusammen-
setzung von Steinstückchen zu Mustern,
die an maurische Flächendekoration an-
klingen; zwischen die Muster der Wölb-
flächen sind dann die Glühbirnen der Be-
leuchtung zu einer Art Sternenhimmel
eingeschaltet — ein wenig zu grell viel-
leicht gegen die dunkel wirkenden Decken-
flächen beim ersten Eintritt, doch jeden-
falls überallhin ein helles gleichmäßiges

Licht verbreitend. Im »Odinsaah wird
man auch die erste Freundschaft mit Franz
Melzners Kunst schließen. Hinter einer
guten Flasche und unter dem Eindruck
dieses Raumes muß dem Unverbildeten
die Eindrucksmacht dieser großzügigen
Phantasie, dieser mächtigen Liniensprache,
dieser verhaltenen Unbändigkeit kommen.

Durch den »Odinsaal« steigen wir
hinauf zu dem weiten »Pfeilersaal« im
Erdgeschoß an der Bellevue-Straße. Die
großen, der oberen Säle Lasten aufneh-
menden Pfeiler — statt der Kapitelle mit
Bronzereliefs geschmückt — und die Wände
sind mit eingelegtem Palisander bekleidet.
Das schwer wirkende tiefe Braun dieses
Holztones wird aber durch die weiten
herrlichen Raumverhältnisse und eine ver-
schwenderische Lichtflut von Glühlampen-
reihen unter der gelbgrau getupften Putz-
decke und Kerzenreihen an den Pfeilern
selbst zu wohltuender traulicher Wärme
aufgehellt. Auch gibt der Ausblick durch
weite Glasflügeltüren auf die beiden seit-
lichen Treppenhäuser in hellem Marmor
einen wirksamen Kontrast. Geradezu be-
zaubernd aber ist der Durchblick in der
Mitte der Längsseite auf die anschliessen-
den Räume. Über dem Treppenlaufe, von
dem aus wir den »Pfeilersaal« erreichten,
baut sich aus dunklem Marmor ein Brunnen-
becken als Abschluß des oberen Podestes
auf; drei nackte weibliche Gestalten stehen
auf dem Brunnenrand und halten auf
emporgehobenen Armen das leuchtende
Rheingold auf glänzender Schüssel, von
der noch das Wasser herabrieselt, als ob
der Schatz eben aus der Tiefe gehoben
wäre. Witzelt auch der Berliner über
»schmelzendes Gefrorenes«, mit dem der
Beleuchtungskörper, das »Rheingold«,
eine nicht ganz abzuweisende Ähnlichkeit
hat, so ist doch der ganze Aufbau von
höchstem Reiz und einer fast mystisch
wirkenden Hoheit. Der Eindruck wird
erhöht durch den Gegensatz zwischen dem
dämmerig goldigen Licht, den tief dunklen

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