Robert Breuer—Berlin - Wilmersdorf:
LEO PUTZ—MÜNCHEN.
»Im Schatten«
DAS LEBEN IM GERÄT.
r\ie Kunstform ist latentes Leben, geronnenes
Leben. Sie ist das Leben in seinen höchsten
Spannungszuständen. Der Künstler gewinnt die
Form, indem er von dem Naturobjekt alles fort-
streicht, was nicht dazu dient, den Organismus
klar zu legen. In dem Kunstwerk übt jedes Ele-
ment eine Funktion; und das Kunstwerk selbst
ist die knappeste und darum wirksamste Formel,
auf die der Künstler die Natur zu bringen vermag.
Das war so zu allen Zeiten und überall; das gilt
für alle Künste. Maler, Bildhauer, Architekt und
Gerätebauer stellen ihr Werk unter dasselbe
Prinzip: nur das Notwendige, nur den Extrakt,
nichts, was keine Funktion, keine Deutung zu
leisten hätte. Selbstverständlich, diese Reinheit
der Kunstform verbleibt den Zeiten, die wir als
klassisch empfinden; das Streben nach dieser
klassischen Reinheit charakterisiert die Gene-
rationen, die nach längerer Irrfahrt erwachen,
die nach einer Periode artistischer oder bar-
barischer Spielerei sich wieder auf das wahre
Wesen der Kunst besinnen. Wir leben in einer
solchen erwachenden Zeit. Man kann darum von
unserer Kunst nicht sagen, dafj sie schon jene
Form gefunden hätte, die das, was der moderne
Mensch als das Wesentliche in Natur und Welt
empfindet, restlos zum Ausdruck brächte; aber
das Streben eines jeden ehrlichen und klaräugigen
Künstlers, einerlei ob er Bilder malt, Häuser baut
oder Möbel macht, geht darauf: die Kräfte ein-
zulangen, deren Wirken die (subjektive) Welt,
die feierlichen und alltäglichen Vorgänge aus-
macht. Alles, was ein moderner Künstler schafft,
will den Beschauer dahin bringen, das Wirken
208
LEO PUTZ—MÜNCHEN.
»Im Schatten«
DAS LEBEN IM GERÄT.
r\ie Kunstform ist latentes Leben, geronnenes
Leben. Sie ist das Leben in seinen höchsten
Spannungszuständen. Der Künstler gewinnt die
Form, indem er von dem Naturobjekt alles fort-
streicht, was nicht dazu dient, den Organismus
klar zu legen. In dem Kunstwerk übt jedes Ele-
ment eine Funktion; und das Kunstwerk selbst
ist die knappeste und darum wirksamste Formel,
auf die der Künstler die Natur zu bringen vermag.
Das war so zu allen Zeiten und überall; das gilt
für alle Künste. Maler, Bildhauer, Architekt und
Gerätebauer stellen ihr Werk unter dasselbe
Prinzip: nur das Notwendige, nur den Extrakt,
nichts, was keine Funktion, keine Deutung zu
leisten hätte. Selbstverständlich, diese Reinheit
der Kunstform verbleibt den Zeiten, die wir als
klassisch empfinden; das Streben nach dieser
klassischen Reinheit charakterisiert die Gene-
rationen, die nach längerer Irrfahrt erwachen,
die nach einer Periode artistischer oder bar-
barischer Spielerei sich wieder auf das wahre
Wesen der Kunst besinnen. Wir leben in einer
solchen erwachenden Zeit. Man kann darum von
unserer Kunst nicht sagen, dafj sie schon jene
Form gefunden hätte, die das, was der moderne
Mensch als das Wesentliche in Natur und Welt
empfindet, restlos zum Ausdruck brächte; aber
das Streben eines jeden ehrlichen und klaräugigen
Künstlers, einerlei ob er Bilder malt, Häuser baut
oder Möbel macht, geht darauf: die Kräfte ein-
zulangen, deren Wirken die (subjektive) Welt,
die feierlichen und alltäglichen Vorgänge aus-
macht. Alles, was ein moderner Künstler schafft,
will den Beschauer dahin bringen, das Wirken
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