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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Michel, Wilhelm: Ida Madeleine Demuth - München
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0242

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Wilhelm Michel—München:

IDA MADELEINE DEMUTH-MÜNCHEN.

Frauen, die künstlerisch streben und schaffen,
sind heute zwar durchaus keine Seltenheit
mehr, werden aber von sich selbst und von
Dritten immer noch als Ausnahmefälle emp-
funden. Und ob auch nachgerade diese Aus-
nahmen eine für die Regel bedrohliche Ziffer
erreicht haben, immer noch hält man künst-
lerisches Streben bei der Frau nicht ohne
weiteres für selbstverständlich. Man sucht es
durch Theorien aller Art zu begründen und
fast zu entschuldigen. Auch die männlichen
Künstler, sagt man, haben erfahrungsgemäß
in ihrem Wesen etwas weibliches. Zwischen
Kunst und Weiblichkeit

müssen daher gesetzmäßige ■...... .................--------

Beziehungen bestehen. —
Zum Schaden der künstlerisch
gestimmten Frauen trifft diese,
auch von der Physiologie
unterstützte Behauptung nur
die halbe, gerade die halbe
Wahrheit. Die künstlerische
Begabung ist nicht einfacher
Natur; sie besteht aus einer
Reihe von Tugenden, die in
eine passive und eine aktive
Gruppe zerfallen. Reizbar-
keit und Tatlust, Aufnahme-
fähigkeit und Gestaltungskraft,
Rezeption und Produktion —
das wären etwa die Stich-
worte für die Unterscheidung
dieser Gruppen. In den
passiven Tugenden wird
der Durchschnittsmann vom
Weibe übertroffen. Denn

dessen Sinne arbeiten naiver und unschuldiger,
weniger gestört durch plumpe Interjektionen des
Verstandes. Die künstlerische Gestaltung da-
gegen fließt aus Kräften, die in der weiblichen
Psyche nur ausnahmsweise einen höheren Grad
erreichen. Sie ist reine Aktion, sie ist Tat,
sie ist Schöpfung und verlangt jene letzte,
äußerste Freiheit und Beweglichkeit des Geistes,
die in der Regel nur dem Manne eigen ist.

So kann man wohl sagen, daß in dem
Verhältnis des Weibes zur Kunst eine gewisse
Tragik liegt, ein innerer Widerspruch, der um
so heftiger und zerstörender zu Tage treten

IDA M. DEMUTH—MÜNCHEN.

Gesticktes Kissen.

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