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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Breuer, Robert: Vom Schönschreiben und der typographischen Regiekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0103

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Vom Schönschreiben und von der typographischen Regiekunst.

PROFESSOR
EMIL ORLIK
BERLIN.

HOLZSCHNITT

»FERDINAND

HODLER«.

läge ausfindig zu machen.*) Er wurde aber
nicht nur ein Kenner und Nachschreiber alter
Schriften, er verstand es auch, die historischen
Formen den modernen Bedingungen anzu-
passen. Seine Schrift wurzelt in dem Unzial-
charakter, wie er sich aus den römischen
Kapitalien entwickelt hat; sie hat einen aus-
gesprochenen Federduktus, sie steht klar und
fest auf dem Papier, sie wirkt edel und männ-
lich. — Johnston hat für Deutschland große
Bedeutung gewonnen; zu seinen Schülern ge-
hört Fräulein Anna Simons, deren Erfahrung
und gründlicher Kenntnis das Gelingen des
mit Behrens und Ehmcke gemeinsam gelei-
teten Düsseldorfer Schreibkursus hauptsächlich
zu danken ist. Ein energischer Fürsprecher
Johnstons ist Graf Keßler; unter dessen Ein-
fluß hat van de Velde der Schrift in Weimar
eine Werkstatt bereitet. Auch die Crefelder

*) Kdward Johnston, Writing and Illuminating
and Lettering.

gehen in den Spuren Johnstons und seiner
Schüler. Kurz: für die Kalligraphie ist genau
wie für viele andere Zweige des Kunst-
gewerbes der Einfluß Englands nicht leicht
zu überschätzen; selbst da, wo es nicht vor-
bildlich wirkte, war es doch anregend. Wie
hätte wohl auch Deutschland durch eigene
Kraft sich aus der Misere der sogenannten
»Adressenkunst« befreien können. Was war
das für ein Unverstand, was für eine Ge-
schmacklosigkeit! Die Buchstaben erstickten
im Gestrüpp der Schnörkel, sie spotteten der
Fläche und warfen schraffierte Schatten, sie
vergnügten sich an ihrem altdeutschen Auf-
putz. Von dem Erbe Dürers, der nach allen
Regeln der Kunst eine Antiqua und eine
Fraktur konstruiert hatte, war nichts übrig
geblieben; statt dessen konnten sich die
Schriftmaler, die landläufigen Lithographen
und sogar die Schreiblehrer an den Klipp-
schulen nicht genug tun, die während des

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