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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Breuer, Robert: Vom Schönschreiben und der typographischen Regiekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0104

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Robert Breuer—Berlin- Wilmersdorf:

LUDWIG
JUNGNICKEL
MÜNCHEN.
»MARABUS«.

17., des 18. und 19. Jahrhunderts gestochenen
Schreib vorlagen zu kopieren, die »wohl-
erfahrenen in allerhand ungemein-kurieusen
Schreibarten geübten Schreibkünstler«, die
Tiere aus Schreiberzügen, die Alphabete aus
Figuren und Blumen . . . Wahrhaftig, wir be-
durften des englischen Anrufes. Trotzdem
brauchen wir uns nicht zu schämen; wir haben
bewiesen, daß wir, einmal auf den richtigen
Weg gewiesen, selbständig zu gehen und sogar
tüchtig auszuschreiten wissen. Viele vortreff-
liche Künstler üben mit Pinsel und Feder das
Schreibwerk. Sie schufen gute und charakter-
feste Vorlagen für Drucktypen, sie schrieben
und ordneten Buchtitel, Plakate, Briefköpfe
usw.*) Aber eins versäumten sie: sie sorgten

*) Eine gute Zusammenstellung der neuen Druck-
typen gibt: L. Petzendorfer, Schriftenatlas. N. F.
(Julius Hoff mann, Stuttgart).

Die verschiedenen handschriftlichen Individualitäten
lernen wir kennen bei: Larisch, Beispiele künstlerischer
Schrift. Bd. 1—3.

nicht rechtzeitig für eine sachgemäße
Unterweisung der Handwerker. Und so
wütete auch in den Schreibgewerben neben
dem historischen Unfug bald jene Modeseuche,
die noch immer alle unsere kunstgewerblichen
Reformen zu korrumpieren versuchte. Wir
kennen diese schwindsüchtigen Lettern, diese
halsbrecherischen Initialen, dieses wahnsinnig
gewordene Lineament auf den Firmenschildern,
den Einwickelpapieren, den Umschlägen der
Sensations-Literatur. —

Dies Versäumnis der Künstler gilt es ein-
zuholen, denn von der Heraufbildung der
großen Masse der Gewerbler hängt es ab, ob
aus der Schreibkunst eine Schreibkultur werden
kann. Darum hatte der Düsseldorfer Kursus
von vornherein unsere Sympathie; jetzt, da
wir im Berliner Kunstgewerbe-Museum die
Resultate zu sehen bekamen, sind wir
gern zufrieden und hoffen, daß bald an
allen kunstgewerblichen Anstalten eine
Schreibklasse eingerichtet sein wird.

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