Robert Breuer—Berlin- Wilmersdorf:
sehen als die ornamentale«.*) Die Reklame
untersteht einem einzigen Gesetze: auffallen!
Dieser Fundamentalforderung kann aber allein
die völlig unbeschränkte Handfertigkeit gerecht
werden. Dauernd muß Neues und immer
wieder ein Kontrast geschaffen werden: die
Zukunft der Annonce gehört der Handschrift.
— Und selbst, wenn Letternsatz angewendet
werden kann, so muß doch stets die Anord-
nung, die Verteilung über die Fläche, die
Rahmung, kurz: die Regie dem gebildeten
Auge verbleiben.
Ein sehr großes Arbeitsfeld eröffnet das
Buchgewerbe. Da müssen zunächst die Titel-
blätter geschrieben werden; hier empfinden
wir den Satz als besonders vulgär, bei jedem
größeren Grad verstimmen die durch das
Fleisch der Lettern bedingten Lücken. Das
Schreiben ganzer Bücher ist allgemein ein
überflüssiger Sport; aber das Schreibwerk ist
am richtigen Platz bei vornehmen Tafelwerken,
bei Sammelbänden von Radierungen und guten
Reproduktionen, wenn nur einige Seiten Text
beigegeben werden. — Vielseitig und umfang-
reich ist auch die sekundäre Anwendung der
Kalligraphie, beim Schildermalen, bei der
Dekorationsmalerei und beim Steinmetz werk,
beim Monogrammieren auf Metall und Kera-
mik, beim Stickwerk. —■ Dazu gesellt sich
der ständige Bedarf an neuen Drucktypen
und Zieraten. Die Gießereien werden bald er-
*) R. Larisch, Die ornamentale Schrift im Verkehrsleben.
kennen, daß nur der kalligraphisch, gründlich
vorgebildete Techniker eine schöne, historisch
vermittelte und zweckmäßige Type zu ent-
werfen und zu schneiden vermag; die Drucke-
reien werden nicht minder schnell feststellen,
daß nur der kalligraphisch geübte Setzer edle
Seitenbilder, wirksame Akzidenzen herzustellen
vermag. -- An Arbeit wird es den Schön-
schreibern also gewiß nicht fehlen.
* *
*
Nun darf man sich die Kalligraphie, wie
wir sie verstehen, nicht als ein leichtes und
von jedermann erlernbares Handwerk vor-
stellen. Im Gegenteil, es ist keine Über-
treibung zu sagen: das Schönschreiben und
die typographische Regie sind zwei der
schwersten Flächenkünste. Sie arbeiten mit
sehr geringen Mitteln; um dabei etwas Gutes
zu leisten, bedarf es einer überaus feinen
optischen Organisation. Man bedenke, daß
der Buchstabe nichts anderes ist als
die Darstellung eines höchst subtilen
geometrischen Verhältnisses; daß mini-
male Veränderungen die sprachliche
Bedeutung des abstraktesten aller Or-
namente wesentlich beeinflussen. Man
besinne sich ferner darauf, daß die Kalli-
graphie die Grundlage der unerhört form-
empfindsamen japanischen Kunst ist; daß die
Weberei und die Keramik des Okzidents
häufig orientalische Schriftzeichen ohne Be-
achtung des Lautwertes als Ornament ver-
wendet hat. — Für den Buchstaben bedeuten
E. NOLDE
SOEST I. W.
HOLZSCHNITT
»MÄRCHENBILD«
DIE VORSTEHEND ABGEBILDETEN GRAPHISCHEN ARBEITEN GEHÖREN SAMTLICH ZUR »ERSTEN GRA-
PHISCHEN AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN KÜNSTLERBUNDES IM BUCHGEWERBE-MUSEUM ZU LEIPZIG«.
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sehen als die ornamentale«.*) Die Reklame
untersteht einem einzigen Gesetze: auffallen!
Dieser Fundamentalforderung kann aber allein
die völlig unbeschränkte Handfertigkeit gerecht
werden. Dauernd muß Neues und immer
wieder ein Kontrast geschaffen werden: die
Zukunft der Annonce gehört der Handschrift.
— Und selbst, wenn Letternsatz angewendet
werden kann, so muß doch stets die Anord-
nung, die Verteilung über die Fläche, die
Rahmung, kurz: die Regie dem gebildeten
Auge verbleiben.
Ein sehr großes Arbeitsfeld eröffnet das
Buchgewerbe. Da müssen zunächst die Titel-
blätter geschrieben werden; hier empfinden
wir den Satz als besonders vulgär, bei jedem
größeren Grad verstimmen die durch das
Fleisch der Lettern bedingten Lücken. Das
Schreiben ganzer Bücher ist allgemein ein
überflüssiger Sport; aber das Schreibwerk ist
am richtigen Platz bei vornehmen Tafelwerken,
bei Sammelbänden von Radierungen und guten
Reproduktionen, wenn nur einige Seiten Text
beigegeben werden. — Vielseitig und umfang-
reich ist auch die sekundäre Anwendung der
Kalligraphie, beim Schildermalen, bei der
Dekorationsmalerei und beim Steinmetz werk,
beim Monogrammieren auf Metall und Kera-
mik, beim Stickwerk. —■ Dazu gesellt sich
der ständige Bedarf an neuen Drucktypen
und Zieraten. Die Gießereien werden bald er-
*) R. Larisch, Die ornamentale Schrift im Verkehrsleben.
kennen, daß nur der kalligraphisch, gründlich
vorgebildete Techniker eine schöne, historisch
vermittelte und zweckmäßige Type zu ent-
werfen und zu schneiden vermag; die Drucke-
reien werden nicht minder schnell feststellen,
daß nur der kalligraphisch geübte Setzer edle
Seitenbilder, wirksame Akzidenzen herzustellen
vermag. -- An Arbeit wird es den Schön-
schreibern also gewiß nicht fehlen.
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Nun darf man sich die Kalligraphie, wie
wir sie verstehen, nicht als ein leichtes und
von jedermann erlernbares Handwerk vor-
stellen. Im Gegenteil, es ist keine Über-
treibung zu sagen: das Schönschreiben und
die typographische Regie sind zwei der
schwersten Flächenkünste. Sie arbeiten mit
sehr geringen Mitteln; um dabei etwas Gutes
zu leisten, bedarf es einer überaus feinen
optischen Organisation. Man bedenke, daß
der Buchstabe nichts anderes ist als
die Darstellung eines höchst subtilen
geometrischen Verhältnisses; daß mini-
male Veränderungen die sprachliche
Bedeutung des abstraktesten aller Or-
namente wesentlich beeinflussen. Man
besinne sich ferner darauf, daß die Kalli-
graphie die Grundlage der unerhört form-
empfindsamen japanischen Kunst ist; daß die
Weberei und die Keramik des Okzidents
häufig orientalische Schriftzeichen ohne Be-
achtung des Lautwertes als Ornament ver-
wendet hat. — Für den Buchstaben bedeuten
E. NOLDE
SOEST I. W.
HOLZSCHNITT
»MÄRCHENBILD«
DIE VORSTEHEND ABGEBILDETEN GRAPHISCHEN ARBEITEN GEHÖREN SAMTLICH ZUR »ERSTEN GRA-
PHISCHEN AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN KÜNSTLERBUNDES IM BUCHGEWERBE-MUSEUM ZU LEIPZIG«.
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