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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Scheffers, O.: Möglichkeiten für die künstlerische Ausgestaltung stenographischer Schriftstücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0122

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Künstlerische Ausgestaltung stenographischer Schriftstücke.

Zu tadeln ist vor allem das überängstliche
Festhalten an der Form der vorgeschriebenen
Typen, besonders an der Schräglage und Strich-
stärke. Man bekommt sofort eine viel wirkungs-
vollere Schrift, wenn man die Zeichen (ich be-
schränke mich für heute auf ein Exemplizieren
mit dem Stolze-Schreyschen System) steil stellt
und überdies mit der Breitfeder (Rundschriftfeder)
wiedergibt. Die Haarstriche, auch das aufwärts-
gezogene t, bekommen dann freilich je nach der
Schräglage verschiedene Dicken, was aber die
Lesbarkeit nicht beeinträchtigt. Schlimmer ist
es, daß die Breitfeder nicht verschieden dicke
Grundstriche nach derselben Richtung hin zu
ziehen vermag und deshalb teilweise auf die
Wiedergabe der Vokalsymbolik verzichten muß.
Doch hier bietet sich der künstlerisch wirksame
Ausweg, nach Fertigstellung des ganzen Schrift-
stückes, diejenigen Grundstriche, welche Ver-
dickungen aufweisen müßten, mit einem dünnen,
farbigen Nebenstrich zu versehen.

Je nachdem die vordere Kante der Breitfeder
beim Schreiben parallel oder schräg zur Schrift-
linienrichtung gehalten wird, entstehen zwei von
einander dem Charakter nach sehr verschiedene
Schriftarten. Bei der ersten bekommen viele
Haarstriche dieselbe Dicke wie die Grundstriche,
und manche Lautzeichen und selbst ganze Wörter,
z. B. „ich", werden dadurch symmetrisch. Beide
Schriftarten haben äußere Ähnlichkeit mit ge-
wissen orientalischen Schriften, namentlich der
arabischen und türkischen. Der Gedanke, sie in
ähnlicher Weise wie diese durch das Dahinter-

legen arabeskenartiger Formen zu verzieren,
drängt sich daher auf. Für eine solche Aus-
schmückung eignen sich die ersten Worte der
Abschnitte, die man, wie bei der gewöhnlichen
Schrift die ersten Buchstaben, zu Initialen aus-
gestalten kann. Auch die Überschriften, welche
oft nicht mehr Raum beanspruchen als ein ein-
zelner Buchstabe der gewöhnlichen Schrift, bieten
sich zur Ornamentierung förmlich an. Nötig ist
ein scharfes Abheben der Schriftzüge vom orna-
mentierten Hintergrund, durch den Ton, die Farbe.

Schräge Schriftlage erfordert nicht durch-
aus einseitig laufende Ornamente, auch schräg
geschriebene Worte lassen sich in rechtwinklige
Umrahmungen einschließen. Für die Verwen-
dung freierer Linienzüge als begleitendes Orna-
ment geben die kalligraphischen Meisterwerke
der legten Jahrhunderte gute Fingerzeige, doch
sollte der Stenograph sich nur den Geist, der
aus ihnen spricht, nicht die Einzelformen aneignen.

Ein dankbares Motiv ist die Schriftlinie selbst,
welche man stets durch einen farbigen Strich
schon deshalb markieren sollte, weil sie die teils
hoch, teils tiefgestellten und dadurch verzettelten
Schriftelemente zu einem ruhigen Gesamtbild zu-
sammenfaßt. Doch wird diese Wirkung wieder
aufgehoben, wenn man sie über das beschriebene
Feld hinausführt.

Es fehlt mir in diesem Hefte leider an Raum,
noch auf andere Gesichtspunkte hinzuweisen. Bei
anderer Gelegenheit hoffe ich unter Anführung
praktischer Beispiele auf das Thema eingehender
zurückkommen zu können. O. Scheffers - Dessau.

ARCHITEKT ,
E. PIRCHAN.
BUCH-BAND.

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