Wandschmuck.
eine Lücke. Dort be-
findet sich ein Gegen-
stand, der nicht aus dem
Magazin stammt, ein
Gegenstand, in dessen
Wahl der Hausherr sein
persönliches Wort zu
diesem Zimmer ge-
sprochen hat, der uns
einen Anhalt gibt zur
Entscheidung der Frage,
ob der Eigentümer
den Raumgedanken des
Kunstgewerblers folge-
richtig hat weiterdenken
können. Wir treten
näher und entdecken,
daß der Hausherr dieses
Zimmer, diese kostbare,
nur in fünf bis sechs
Exemplaren vorhan-
dene Raum - Schöpfung
mit einer sogenannten
Künstlerlithographie ge-
schmückt hat, die nach
Preis und Auflagenziffer
nur dazu bestimmt ist,
in das ärmliche, traurige
Heim des Arbeiters, des
Taglöhners, der Näh-
mamsell etwas »Kunst«
zu tragen. Da hängt
sie in prunkvollem Rah-
men auf der delikaten
seidenen Tapete und re-
präsentiert etwa den
zweitausendsten Teil des
Wertes, den das Mobiliar
darstellt. Bei unserm Schneider und Schuster,
bei unserer Waschfrau und unserer Näherin und
in sämtlichen Auslagefenstern sämtlicher Kunst-
handlungen haben wir das Bildwerk schon be-
grüßt, um ihm hier, inmitten kostbarer, ein-
gelegter Ahornmöbel wieder zu begegnen als dem
einzigen Werte, den der Hausherr aus eigenen
Mitteln dem Raum beigefügt hat. Das ist
arg, das ist böse, das ist, wenn anders Kultur,
Kunst und das Ästhetische wirkliche Werte
sind, geradezu schrecklich. Oder nicht? Er-
schrickt man nicht, wenn dieser eine Fleck an
der Wand die trügende Hülle von dem Abgrund
von Geschmacksroheit reißt, der hier gähnt?
Ist es nicht schrecklich, wenn ein vermögender
und gebildeter Mann so wenig Sinn dafür
bekundet, daß Adel verpflichtet? Daß — um
deutlicher zu reden — der Vorzug des Be-
ARCHITEKT ALBERT GESSNER.
Aus einem Patienten-Zimmer.
sitzes auch in Sachen des Wandschmuckes
zu einer gewissen Ausgabefreudigkeit ver-
pflichtet, daß der Vorzug der Bildung zur
Kultur des Geschmackes verpflichtet, und daß
der Besitz einer erlesenen, kostbaren Raum-
schöpfung zu einer angemessenen Behandlung
der rein dekorativen Elemente nötigen sollte?
Wer ioooo Mark für eine Zimmereinrichtung
ausgibt und 5 Mark für den Wandschmuck
dieses Zimmers, der ist ein Banause und steht
weit unter dem Taglöhner, der dieses selbe,
um 5 Mark verkäufliche Kunstwerk in seiner
armseligen Wohnung aufhängt. Für jeden
irgendwie feiner Empfindenden — ich ge-
höre keineswegs zu der kränklichen Sippe
der Ästheten — wird dadurch der Wert des
Mobiliars sofort gedrückt, nicht sein objek-
tiver Wert, versteht sich, aber sein konkreter,
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eine Lücke. Dort be-
findet sich ein Gegen-
stand, der nicht aus dem
Magazin stammt, ein
Gegenstand, in dessen
Wahl der Hausherr sein
persönliches Wort zu
diesem Zimmer ge-
sprochen hat, der uns
einen Anhalt gibt zur
Entscheidung der Frage,
ob der Eigentümer
den Raumgedanken des
Kunstgewerblers folge-
richtig hat weiterdenken
können. Wir treten
näher und entdecken,
daß der Hausherr dieses
Zimmer, diese kostbare,
nur in fünf bis sechs
Exemplaren vorhan-
dene Raum - Schöpfung
mit einer sogenannten
Künstlerlithographie ge-
schmückt hat, die nach
Preis und Auflagenziffer
nur dazu bestimmt ist,
in das ärmliche, traurige
Heim des Arbeiters, des
Taglöhners, der Näh-
mamsell etwas »Kunst«
zu tragen. Da hängt
sie in prunkvollem Rah-
men auf der delikaten
seidenen Tapete und re-
präsentiert etwa den
zweitausendsten Teil des
Wertes, den das Mobiliar
darstellt. Bei unserm Schneider und Schuster,
bei unserer Waschfrau und unserer Näherin und
in sämtlichen Auslagefenstern sämtlicher Kunst-
handlungen haben wir das Bildwerk schon be-
grüßt, um ihm hier, inmitten kostbarer, ein-
gelegter Ahornmöbel wieder zu begegnen als dem
einzigen Werte, den der Hausherr aus eigenen
Mitteln dem Raum beigefügt hat. Das ist
arg, das ist böse, das ist, wenn anders Kultur,
Kunst und das Ästhetische wirkliche Werte
sind, geradezu schrecklich. Oder nicht? Er-
schrickt man nicht, wenn dieser eine Fleck an
der Wand die trügende Hülle von dem Abgrund
von Geschmacksroheit reißt, der hier gähnt?
Ist es nicht schrecklich, wenn ein vermögender
und gebildeter Mann so wenig Sinn dafür
bekundet, daß Adel verpflichtet? Daß — um
deutlicher zu reden — der Vorzug des Be-
ARCHITEKT ALBERT GESSNER.
Aus einem Patienten-Zimmer.
sitzes auch in Sachen des Wandschmuckes
zu einer gewissen Ausgabefreudigkeit ver-
pflichtet, daß der Vorzug der Bildung zur
Kultur des Geschmackes verpflichtet, und daß
der Besitz einer erlesenen, kostbaren Raum-
schöpfung zu einer angemessenen Behandlung
der rein dekorativen Elemente nötigen sollte?
Wer ioooo Mark für eine Zimmereinrichtung
ausgibt und 5 Mark für den Wandschmuck
dieses Zimmers, der ist ein Banause und steht
weit unter dem Taglöhner, der dieses selbe,
um 5 Mark verkäufliche Kunstwerk in seiner
armseligen Wohnung aufhängt. Für jeden
irgendwie feiner Empfindenden — ich ge-
höre keineswegs zu der kränklichen Sippe
der Ästheten — wird dadurch der Wert des
Mobiliars sofort gedrückt, nicht sein objek-
tiver Wert, versteht sich, aber sein konkreter,
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