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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Schulze, Otto: Zur Lage des Kunst-Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0322

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Zur Lage des Kunst-Handwerks.

J. krug — darmstadt.

Lusthaus im Röthe-Krug-Garten.

viel zu wenig geschult, um seine Wünsche dem
Handwerker auch nur in einer Ideenskizze klar
machen zu können. Hier muß also, wenn
der Handwerker für den Entwurf nicht fähig
ist, ein Künstler einspringen. Dann weiß
jeder von dem andern und keiner hat Ursache,
seinen Mithelfer zu verschweigen. Nun tun
wir aber heute so, als geschähe dem Kunst-
handwerk etwas Ungeheuerliches in der Be-
vormundung durch Künstler. War das eigent-
lich nicht schon seit jeher der Fall; haben
nicht schon Dürer, Holbein, Schinkel
und viele andere für das Handwerk gezeich-
net, ja, war nicht der Architekt seit
altersher auch Unternehmer? Das
stammt doch nicht aus den jüngsten Tagen,
daß Architekten nicht nur Häuser entwarfen,
sondern auch einrichteten, bis zur Auswahl
der Tapeten und Teppiche, wofür dann auch
10 bis 20 °/o Honorar für Entwurf und De-
taillierung von den Rechnungsbeträgen zu zahlen
waren oder der Architekt sich Vermittlungs-
provisionen von den Ausführenden sichern ließ.

Es wäre zu wünschen, daß die jetzt auf-
einanderplatzenden Parteien wieder zu ruhigeren
Erörterungen gelangten. An sich sind auch
die Zeiten für das Handwerk keine ungünstigen,

möge es nur bei allem Ringen nach Aufbesse-
rung seiner wirtschaftlichen Lage nicht das
Können vergessen; sonst hätte die ganze Be-
wegung keinen Wert. Es gibt tüchtige Kunst-
handwerker, die auch dem Entwurf nach
Künstler sind, freie Menschen, denen zünftelnde
Kollegen, weil diesen oft Trieb und Kraft
zum eignen Emporkommen fehlen, ein Greuel
sind. Es versagt das Handwerk im Ver-
trauen auf fremde Hilfe der Inzucht von
Kräften in den großen Musterfabriken gegen-
über häufig. Und doch müssen Material und
Technik die Domäne des Handwerkers bleiben.
Leider geht die Kritik sehr selten darauf ein.
Ihre Vertreter suchen immer zu sehr nach
Neuheiten im Gedanken. Wir könnten jetzt
sehr wohl von der Sucht, immer durch neue
Ideen aufzufallen, abgehen und nach innerer
Vertiefung streben. Ein Früchte tragen-
der Baum sieht anders aus als ein blühender;
er mußte viele Blüten opfern, um wenige
Früchte zur Reife zu bringen. Und dafür
sind dann noch vielerlei Dinge notwendig.
Man bleibe nicht auf halbem Wege stehen oder
ziehe sich gar gekränkt zurück. Wir sind alle
von einander abhängig. Jetzt ist noch
Verständigung möglich. o. sch.

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