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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 20.1907

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Breuer, Robert: Wettbewerb: Leipziger Zentral-Bahnhof
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https://doi.org/10.11588/diglit.9555#0354

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Wettbewerb: Leipziger Zentral-Bahnhof.

WETTBEWERB: LEIPZIGER ZENTRAL-BAHNHOF.

Die moderne Architektur versagt bei Palästen
und Kirchen. Die Architektur findet neue
Formen nur für das, was die Seele der Zeit aus-
macht. Darum liegen die architektonischen Auf-
gaben des neuen bürgerlichen Deutschland fürs
erste auf dem Gebiete des Wohnhauses; und
mit der gleichen Energie verlangen die Sammel-
orte des öffentlichen Lebens nach einer Gebäude-
form. Die alltäglichen und feierlichen Vorgänge
im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaft-
lichen Verkehr haben so weit
Charakter und soziologische In-
dividualität angenommen, um die
dafür zu errichtenden Gebäude
dem innersten Wesen nach zu
bestimmen. Vorausgesetyt, daß
der Architekt sich weder vom
historischen Trägheitsgeset}, noch
von genialer Willkür leiten lägt,
sondern mit heiligem Emst sich
zum Erfüller des Volkswillens
macht, wie dies die gothischen
Meister getan haben. Aus solcher
dienenden Schöpferkraft bekamen
wir das Warenhaus, das Land-
haus und das städtische, dem
Blocksystem sich eingliedernde
Miethaus. (Wenigstens die An-
fänge von dem allen.) Jetjt
scheint auch die Zeit der Bahn-
hofshalle gekommen zu sein.
Die für den Leipziger Zentral-
Bahnhof ausgeschriebene Konkur-
renz brachte zahlreiche wohl dis-
kutierbare erfreuliche Entwürfe.

PROFESSOR j
AUSFÜHRUNG

Den ersten Preis bekamen gemeinsam zwei
Entwürfe. Der des Jürgen Kröger scheint mir
der schwächere zu sein. Wohl ist er ein Produkt
räumlichen Denkens, aber der Künstler arbeitet
doch noch viel mit konventionellen und aus der
Aufgabe nicht bedingten Formenelementen, mit
Türmen und flachen Kuppeln, mit Aufsähen
und anderem addierten Schmuckwerk. So kommt
schließlich doch mehr ein Repräsentationsbau
zustande als der logische und notwendige Aus-
druck für die Vorgänge, denen
das Gebäude bestimmt ist. Das
aber bedeutet die Größe des Ent-
wurfes der Lossow und Kühne.
Hier spürt man mit zwingender
Gewalt den Rhythmus der an-
und abrollenden Züge; man fühlt
den Parallelismus des Schienen-
weges, die harte Präzision, und
den gleichmäßigen Takt der Ma-
schine. Dieses Gebäude kann
nichts anderes sein als ein Bahn-
hof, als das Herz, in das die
aus allen Weitenkommenden Ver-
kehrsadern hineinströmen, als das
Herz, aus dem unaufhörlich
Menschenmassen in die Welt
hinausgestoßen werden. Diese
Architektur ist wahrhaft ein Denk-
mal moderner Arbeit, moderner
Technik; in der Großartigkeit, mit
der sie einem Fundament unserer
Lebensführung zum Ausdruck hilft,
hat sie etwas Sakrales. —

»DER TAG«. ROBERT BREUER.

[MANN—PFORZHEIM
ZAHN—PFORZHEIM

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