Soziale Verpflichtung des Kunstgewerblers.
A. ROSSENBACH F.K M U NCI1 EN-BERLIN.
Schreibzimmer. Atlantik-Hotel, Hamburg.
sich nur dort ein, wo der Notwendig-
keit die reine Form gefunden worden.
Wider den Menschen, der hierin versagt,
richtet sich unser Groll, nicht allein weil er
unser Geschmacksempfinden verletzt
hat, mehr noch weil er unsozial ist.
Indem der Schaffende sich jenen Anforde-
rungen der Brauchbarkeit widersetzt, da sie
angeblich seineDarstellungsabsichten vereiteln,
gibt er ein Eingeständnis der eigenen
Unzulänglichkeit. Dieses Sträuben ist ein
Zeichen für die geringe Begabung, die der be-
stimmten Bedingung ausweicht, um der be-
schämenden Entlarvung vorzubeugen. Natür-
lich mag dem einen diese, dem anderen jene
Aufgabe nicht liegen; er mag auf eine ganz
andere Tätigkeit eingestellt sein, dann aber
ist es nicht mehr als anständig, sie dem Ge-
eigneteren zu überlassen. Nur der Niedrig-
gesinnte gibt sich preis, indem er das Min-
derwertige für vollwertig ausgibt. Jene Mei-
nung nun, die in dem Aberglauben befangen
lebt, für irgend eine Sache sei die klare For-
mulierung nicht zu finden, ist durch nichts be-
gründet. Wäre es etwa zu dulden, daß ein
Architekt sich weigert, ein Haus wohnlich zu
bauen, damit er es „schön machen" könne?
Wird man ihm nicht mit Recht jeden Verstoß
wider die uneingeschränkte Brauchbarkeit vor-
rechnen, ihn nicht zwingen, Neigungen zu unter-
drücken, die für den etwaigen Bewohner eine
schwere Last bedeuteten? Was hier im großen
ohne weiteres klar ist, gilt in gleichem Maße
für den Kunstgewerbler. Nicht erschweren,
erleichtern soll seine Tätigkeit den Daseins-
prozeß. Das kann er nicht, so er dem Talmi-
flitter der Verzierungskünste verfällt. Der
Schaffende wird indessen nie fehl gehen, wenn
er auf die Stimmen der Wirklichkeit horcht;
und offenbaren sie sich ihm nicht am vernehm-
lichsten in jenen Bedürfnissen, die wir als
soziale zu bezeichnen hatten?
Er vergesse nicht, daß er letzten Endes
ein anvertrautes Mandat versieht. Was er
bildet, ist nicht blos Befreiung seines Ichs, ist
zugleich eine Sache für einen oder viele
HS
A. ROSSENBACH F.K M U NCI1 EN-BERLIN.
Schreibzimmer. Atlantik-Hotel, Hamburg.
sich nur dort ein, wo der Notwendig-
keit die reine Form gefunden worden.
Wider den Menschen, der hierin versagt,
richtet sich unser Groll, nicht allein weil er
unser Geschmacksempfinden verletzt
hat, mehr noch weil er unsozial ist.
Indem der Schaffende sich jenen Anforde-
rungen der Brauchbarkeit widersetzt, da sie
angeblich seineDarstellungsabsichten vereiteln,
gibt er ein Eingeständnis der eigenen
Unzulänglichkeit. Dieses Sträuben ist ein
Zeichen für die geringe Begabung, die der be-
stimmten Bedingung ausweicht, um der be-
schämenden Entlarvung vorzubeugen. Natür-
lich mag dem einen diese, dem anderen jene
Aufgabe nicht liegen; er mag auf eine ganz
andere Tätigkeit eingestellt sein, dann aber
ist es nicht mehr als anständig, sie dem Ge-
eigneteren zu überlassen. Nur der Niedrig-
gesinnte gibt sich preis, indem er das Min-
derwertige für vollwertig ausgibt. Jene Mei-
nung nun, die in dem Aberglauben befangen
lebt, für irgend eine Sache sei die klare For-
mulierung nicht zu finden, ist durch nichts be-
gründet. Wäre es etwa zu dulden, daß ein
Architekt sich weigert, ein Haus wohnlich zu
bauen, damit er es „schön machen" könne?
Wird man ihm nicht mit Recht jeden Verstoß
wider die uneingeschränkte Brauchbarkeit vor-
rechnen, ihn nicht zwingen, Neigungen zu unter-
drücken, die für den etwaigen Bewohner eine
schwere Last bedeuteten? Was hier im großen
ohne weiteres klar ist, gilt in gleichem Maße
für den Kunstgewerbler. Nicht erschweren,
erleichtern soll seine Tätigkeit den Daseins-
prozeß. Das kann er nicht, so er dem Talmi-
flitter der Verzierungskünste verfällt. Der
Schaffende wird indessen nie fehl gehen, wenn
er auf die Stimmen der Wirklichkeit horcht;
und offenbaren sie sich ihm nicht am vernehm-
lichsten in jenen Bedürfnissen, die wir als
soziale zu bezeichnen hatten?
Er vergesse nicht, daß er letzten Endes
ein anvertrautes Mandat versieht. Was er
bildet, ist nicht blos Befreiung seines Ichs, ist
zugleich eine Sache für einen oder viele
HS