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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Breuer, Robert: Cadiner Keramiken: Ausstellung bei A. Wertheim - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0042

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Cadin er Keramiken.

es ihm an. Besonderes Lob verdient ein
Kasten, auf dessen Längsseiten in drei Feldern
Putten ihre Allotria treiben. Dies Stück
wurde durch zweifarbigen Anguß noch wirk-
samer. Die Putten stehen hellgelb auf matt-
blauem Grund. Auf einem Blumennapf hat
Westpfahl Hähne, Schnörkel und Spiralen
lustig zusammengestellt, gelb auf steinrot.
Diese Glasuren sind keramisch gesund, sie
stimmen dem Gefühl nach zu dem unter der
deckenden Schicht fühlbaren Rohstoff. Die
Palette umfaßt neben dem milden Gelb, dem
sanften Blau und dem ausgeblichenen Rot ein
zärtliches Grün, ein prickelndes Grau. Den
kleineren Stücken gibt die Glasur eine be-
sondere Delikatesse, eine edle Härte. Für
die größeren Körper ist die reine Terrakotta,
der unglasierte Ton, willkommener. Die
Cadiner Manufaktur hat diese Distanz mit
feinem Gefühl zu währen gewußt.

Famose Blumentöpfe hat Amberg gebildet;
mit wenigem Zierat, einer Vertikalen und
einer schwingenden Ranke, mit drei, vier
rhythmisch gestellten Fischen erreicht er eine
ebenso präzise wie heitere Wirkung. Mit
stiller Trauer treffen wir einige Stücke, denen
Alfred Messel die Form gab. War er auch
kunstgewerblich kein Schöpfer, so konnte er
doch selbst bei Kleinigkeiten das ihm einge-
borene Wohlmaß nicht verleugnen. Seine
eklektische Tendenz zeigt sich freilich auch
hier; seine Vasen sind Umbildungen italieni-
scher Apothekertöpfe.

Von den reinen Plastiken will Tuaillons Eu-
ropa hervorgehoben sein. Sie weckt Erinne-
rungen an Tanagra und zeugt doch von der
Anschauung eines Meisters, wie er nur der
Gegenwart gehören kann. Lebhaften Beifall
verdient die Ente von Pottner; die fix zugrei-
fende Modellierung fing das flüchtige Leben
und verdichtete es mit sicherem Geschmack
zu elastischer Geschlossenheit. Dazu kommt
eine schillernde Farbenpracht, die durch in-
einander laufende Glasuren erreicht wurden.
Solche Tierplastiken als Schüsseln, als At-
trappen, wurden vom niederländischen und
deutschen Barock als Spezialität gepflegt. An
den damaligen Stücken schockiert uns der
harte Naturalismus ; Pottner will weniger eine
veritable Ente geben, mehr ein keramisches
Amüsement.

Und nun der Brunnen von Ignatius Tasch-
ner. Er ist das Schmuckstück der Wertheim-
Ausstellung ; er ist das reizvollste Werk, das
bisher in Cadiner Material Gestalt bekam.
Den Unterbau bildet ein achtseitiges Bassin.

Die Wandung ist etwa einen Meter hoch, aus
viereckigen Kacheln, in denen ein Kreisorna-
ment steht, zusammengesetzt. Über den mil-
den Tönen der Terrakotta flirren goldne Lich-
ter. Auf der Brüstung stehen sechzehn Säulen,
die durch eine spiralige Riffelung zarten Ak-
zent bekommen. Die Kapitäle tragen einen
leicht profilierten achteckigen Kranz. Darauf
sechzehn Putten. Dralle, schalkige Buben und
Mägdlein. Die Mägdlein stützen sich rechts
und links auf schwere Trauben ; die Manekens
umhalsen ein Lamm. Dieser Figurenreigen hat
einen feinen Humor; durch seine gepuderte
Koloristik, ein saugendes Blau, ein schwirren-
des Rosa, ein samtenes Schwarz, wirkt er
wie ein leicht angeschlagenes Scherzo. Als
Kontrast zu solcher tänzelnden Auflösung
lagert auf einem Prisma im Zentrum des Bas-
sins eine große, schwarze, von grünen Ranken
überkletterte Kugel, aus der in dünnen Strah-
len Wasser fließt. Als Abschluß schwingt sich
vom Puttenkranz ein Dach aus goldenem Fili-
gran ; auf der Spitze balanziert eine gefloch-
tene Kugel, die als definitiven Abschluß und
Scherz ein Bübchen trägt. An diesem Brun-
nen ließe sich mancherlei aussetzen; am be-
denklichsten ist vielleicht die lose und unbe-
gründete Aufstellung der Putten zwischen den
Ecksäulen. Die Eckputten wirken tektonisch,
die übrigen nur als Nippes. Indessen, die
Sache hat ihre Lustigkeit.

Es kommt nun alles darauf an, daß die Ca-
diner Manufaktur den eingeschlagenen Weg
konsequent fortsetzt. Sie hat schon bisher
den vorteilhaften Einfluß des Künstlers ge-
spürt; durch jeden neuen Entwurf, sofern er
einer Persönlichkeit entstammt, wird sie um
einen Grad an innerer Qualität und offenbarer
Tüchtigkeit gefördert werden. Solcher Ernst
und solche Hingabe werden doppelt notwen-
dig, wenn der Betrieb sich in Sonderheit der
Baukeramik zuwendet. Die architektonischen
Glieder und Zierate müssen dem einigen Willen
des bauenden Meisters Untertan sein. Das
erfordert wiederum andererseits, daß der Bau-
meister tüchtig und mit formaler Phantasie
begabt ist. Denn darüber darf kein Zweifel
walten: die Keramik begehrt nach einer eignen,
die Reize des Materials lösenden, architek-
tonischen Form. Die zu finden, ist eine der
amüsantesten Aufgaben für Leute, denen das
technische Fluidum und der reinliche Geist
der Keramik sich erschlossen hat. —

. ROBERT BREUER.

Ä

Eine ständige Verkaufsstelle Cadiner wie auch Karlsruher Erzeug-
nisse wird im Warenhaus A. Wertheim—Berlin eingerichtet.

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