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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Westheim, Paul: Deutsche Plakat-Kunst: Eine Bilanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0219

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Deutsche Plakat-Kunst.

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OTTO LUDWIG NAKGEI.E.

Druck: J. G. Velisch-München.

ERNST NEUMANN BERLIN.

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:

der jungen Garde: Beyer-Preusser & Glase-
mann, Belling, Lern, den Orlikschüler Buhe,
den Neumann-Eleven Braun oder den eigen-
willigen Robert Reimann.

Als Outsider im Gewoge der Berliner Tages-
erscheinungen ist Lucian Bernhard anzu-
sehen. Bernhard hat diesen Reklamedingen
eine entschiedene und überzeugende Gebärde
gegeben. Er besitzt den Instinkt für die Tages-
nuance und zugleich die Fähigkeit, sie per-
sönlich zu formulieren. So mußte er in dem
modernen Berlin nach Amerika gravitieren.
Von dort hat er, was unsere Zeit überhaupt
von dem neuen Erdteil empfangen: den ameri-
kanischen Typ, den amerikanischen Geist, das
Tempo, die den Verkehr, den Handel, natür-
lich auch die Reklame auf ihre Weise zu or-
ganisieren suchten. Als die großen Schlag-
wortideen und Schlagwortzeichnungen schon
abgewirtschaftet hatten, war er sachlich, sach-
lich überzeugend. Er bevorzugte die anilin-
farbengiftigen, grellsten, schwülsten Töne, ver-
blüffte durch primitiv kecke Ornamente, seine
Menschen, Stiefel, Klubsessel, Flugmaschinen
erscheinen ohne Struktur und sind doch Mo-
mentsituationen , erhascht im Vorbeisausen
mit dem ganzen Ruch der mitschwingenden
Atmosphäre. Also ein durchaus moderner

Mensch, nicht denkbar ohne die letzten opti-
schen Erkenntnisse, ohne die jüngsten Retor-
tenergebnisse der Farbenchemie und auch
nicht denkbar ohne das Autodidaktische mo-
derner Könnerei. Den Kaufmann konnte er
sich bezwingen, weil er als Rationalist ihm
immer das Notwendige, das Brauchbare, das
aktuell Gebotene vorsetzte, weil er als Tra-
ditionsloser sich nicht wie die andern an ge-
mütlichen Hemmungen zu zerreiben brauchte.

Was Bernhard in Berlin gelang, wußte
Ludwig Hohlwein in München zu erreichen.
Natürlich auf anderer, spezifisch münchner-
ischer Basis. (Heft 1 brachte eine Charakte-
ristik seiner Plakate.) Yankeehafte Gerissen-
heit fehlt seinen Affichen wie sie der süd-
deutschen Behäbigkeit überhaupt abgehen
mag. Mit breit ausladender Sicherheit ent-
wickelt er seine Flächen, einen Zug weltmän-
nischer Gelassenheit mit schöner Tektonik
paarend. Form, Farbe und Raumverteilung
— ich erinnere an einen seiner Sportsmen —
sind kultiviert. Alte, gute Tradition schwingt
da weiter. Vorgearbeitet war ihm schon durch
die Zeichner, die sich um Schön und Maison
scharen, und aus denen er herausragt kraft
seines überzeugenden Ausdrucksvermögens.

Versucht man die Bilanz der deutschen

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