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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0284

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Kleine Kunst-Nachrichten.

Systematik gefunden. Man begriff es als eine
architektonische Bildung, als einen Teil des Hauses,
als einen gegen die Straße geöffneten Raum. So
waren bestimmte Forderungen für die Gestaltung
der Abschlußwände, für die Abmessungen und
für die Möblierung gegeben. Man verpönte
durchaus alle Panoptikumseffekte, die aufdring-
lichen Wiße und die sinnlosen Stilleben. Man
verwarf die Figuren, die Adler und Burgen, so
aus Wäschestücken künstlich gefügt; man wollte
die einzelnen Materiale, die bestimmten Han-
delsobjekte des betreffenden Geschäftes, so
angeordnet sehen, dag das Schaufenster alle
Tugenden der zur Schau gestellten Ware dem
Publikum möglichst klar und drastisch, möglichst
liebenswürdig und angenehm, offeriere. Diese
Formel wurde in ihrer präzisesten Gedrängtheit
von den Künstlern angewendet. Es hatten sich
nämlich inzwischen einige kluge Kaufleute darauf
besonnen, daß die Künstler mancherlei praktischen
Vorgängen durch eigenartige Organisierung wirk-
same Gestaltung gegeben. So beriefen sie diese
brauchbaren Sonderlinge nun auch für das Schau-
fenster. Und es gelang. Der amerikanisierte In-
stinkt etlicher Maler und Architekten wußte auch
dem Reklameraum einen Typus zu finden. Daß
es sich dabei nicht um artistische Scherze, viel-
mehr um eine wirksame Ordnung und lockende
Kontraste handeln konnte, war durch die Aufgabe
und die Auftraggeber bedingt. An erster Stelle
wollen hier Aug. Endell für die Schuhwarenfirma
„Salamander", Fräulein von Hahn für A. Wertheim
und Frau Else Oppler für Brühl genannt sein.
Daneben aber wären noch mehr als ein Dußend
guter Namen aufzuzählen: Julius Klinger, Lucian
Bernhard, Franziska Bruck, Elkan für das Japan-
haus Wagner und mancher andere. Die Be-
wegung, vernünftige und schöne Schaufenster zu
gewinnen, ist durch ihre Erfolge immer mehr in
die Breite gegangen; man spürt sie an allen
Ecken, und gerade die unzulänglichsten, miß-
lungenen Versuche zeigen, wie das Interesse der
Kaufleute für dies Kapitel der Geschmacksbildung
gar lebhaft geworden ist. k. b.

£

VENEDIG. Die neunte internationale Kunst-
Ausstellung wird auch einem gewiegten
Kenner moderner Kunst viel Neues von Bedeutung
bringen, schon durch die trefflich arrangierten
Kollektiv-Ausstellungen, von denen ich nur die
von Monticelli, Renoir, Courbet, Lavery, Israels,
Klimt, Zwintscher, Dill und Roll erwähnen will.
Außer der italienischen Kunst, die naturgemäß
sehr reich vertreten ist und im ganzen und großen
einen anständigen Durchschnitt zeigt, allerdings
ohne überragende Persönlichkeiten, fallen beson-

ders Spanien, England, Ungarn, Belgien und Bayern
auf. Eine Sehenswürdigkeit für sich bildet die
internationale graphische Abteilung. e. utitz.
A

MAGDEBURG. Mit der Eröffnung des Neu-
baus der Magdeburger Kunstgewerbeschule
am 9. Mai d. J. war eine Ausstellung von Schüler-
arbeiten verbunden, die gleichsam das Fazit der bis-
herigen Leistungen zog. Die erfreulichsten Arbeiten
waren eigentlich die der „freien Kunst", die vor-
bereitenden sozusagen, die auf dem Übergang
von der Fachschule zur Akademie liegen. In
diesem Sinne durfte man der Klasse R. Winckel
fast uneingeschränktes Lob spenden; was hier an
Landschaft- und Porträtstudien und an selbst-
gedruckten Lithographien und Radierungen vor-
lag, waren ganz gewiß keine abgeschlossenen
Meisterstücke, wohl aber treffliche Studien und
Versuche, der Natur selbständig beizukommen;
wobei allerdings der überragende Einfluß des
Lehrers nicht ausgeschaltet werden konnte. Ähn-
lich frisch gesehen wirkten die Naturstudien aus
den Klassen von Delavilla (der jeßt in Ham-
burg ist) und Fr. v. Heider (Tiere, Akt, totes
Stilleben); etwas unruhiger die lebensgroßen Akte
der Köppenschen Klasse. Mit größter Freude
aber konnte man die Versuche sehen, die nament-
lich von Delavilla mit Erfolg angestellt waren,
Schulkindern farbiges und konzentriertes An-
schauen zu lehren; hier waren Klebearbeiten in
Buntpapier, farbige Plastiken, Schablonenmalereien
die Mittel zur Erziehung des Auges.

Schon mehr mit der Absicht auf praktische
Verwertung arbeiteten die Klassen Rettelbusch
in Temperamalerei (Pflanze und Landschaft) und
B e r n a r d e 11 i (Tiere, Pflanzenstilisierung in
großem Maßstabe); bei ihnen war die Natur so-
gleich auf ihre ornamentale Wirkung hin an-
geschaut und verarbeitet. Ähnlich wurde bei
Wegner der menschliche und tierische Körper
zu dekorativer Plastik umstilisiert.

In praktischen Aufgaben leistete wohl die
Abteilung der Textilarbeiten unter Nigg und
Frl. Seydel das beste; ihre dem Material und
der Farbe unübertrefflich angepaßten Muster und
Techniken sind auch in weiteren Kreisen schon
bekannt. Die Buchgewerbeklasse von Nigg spie-
gelt den Geist ihres Lehrers vielleicht noch reiner
wieder, nur daß bei den Schülern die Freude an
lebhafter Farbe stärker hervortritt. Tapeten, Buch-
einbände, Vorsaßpapiere, bedruckte Stoffe, bemalte
Schachteln, Buchschriften trugen den Stempel
dieser sich gefällig dem jedesmaligen Vorwurf
anpassenden Flächenkunst. Ähnlich gut im Raum
disponiert waren die Schriftversuche der Hoff-
mannschen Klasse. In der Architekturgestal-

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