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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Michel, Wilhelm: Das Erwachen des Geistes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0024

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Das Envachcn des Geistes.

WALTHER PUTTNER—MÜNCHEN.

das Streben, die Kunst und das künstlerische
Weltbild nach allen Seiten hin wieder in die
engste Beziehung zum Menschen zu setzen.
— Nachdem das ganze 19. Jahrhundert wissen-
schaftlich und künstlerisch auf das Objekt ge-
richtet war, auf die empirische Erforschung und
Darstellung des Nicht-Ich, verlangt jetzt mit
Ernst der Geist wieder sein Recht. Nicht die
geschaute und studierte Form gilt, sondern die
gefühlte und seelisch erlebte. Ein ungeheurer
Eifer des Erlebens hat die jungen Künstler erfaßt.

Nachdem die Künstler lange wie der ver-
lorene Sohn in der Fremde geirrt sind und im
Mühen um das Objekt ihr Geisteserbe verges-
sen haben, kehren sie nun ins reiche Vater-

GEMALDE: »PUPPEN« brakls moderne Kunsthandlung.

haus des Geistes zurück, sitzen im Erbe ihres
einzig unverlierbaren Lebens und freuen sich
an den Schätzen des Innern, den einzigen, die
wahrhaft unerschöpflich und unzerstörbar sind.

So kommt die in einem äußersten Sinne
„humanistische" Artung des heutigen Kunst-
strebens zustande. Es ist ein ungeheurer Egois-
mus des Geistes und des Lebens erwacht, und
in mehr als einer Hinsicht ähnelt dieser gewalt-
same Geistesfrühling der klassischen Haupt-
epoche unserer Literatur, die durch Kant und
Schiller ihr streng subjektivistisches Gepräge
erhielt. — Archaisch vereinfachte Gebilde tau-
chen auf den Leinwanden der Jungen auf, aber
archaische Kunst ist nichts anderes als höchst

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