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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Breuer, Robert: Ein neues Lichtspielhaus. Erbaut von Hugó Pál
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0448

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ARCHITEKT
HUGÖ PÄL
IN BERLIN.

MARMORHAUS-
THEATER.
VORHALLE.

EIN NEUES LICHTSPIELHAUS IN BERLIN.

ERBAUT VON HUGÖ PÄL.

Im Viertel des Tauenzienbummels wurde aber-
mals ein Kino eröffnet. Diesmal ist es außer-
dem eine Angelegenheit des guten Geschmacks.
Der neue Kino hat nichts gemein mit den üb-
lichen Kahlheiten, in die man für gewöhnlich
eingesperrt wird, wenn einen die Neugier treibt,
die Lichtflimmerbilder zu sehen. Diesmal will
das Haus sozusagen mitspielen und den Nerven
allerlei Lustigkeiten bereiten. Gleich das Foyer
hat es darauf abgesehen, uns in eine wirblige,
elektrisch flutende Stimmung einzufangen. Wie
ein monumentaler Jupon ist dies Foyer der
mondänen Zauberbude; rot und orange fluten
die Volants von der Decke, eine seidige Glocke
bauscht sich, als säße südlicher Wind in ihren
flirrenden Falten. Ein sakraler Tisch steht wie
ein indischer Opferaltar, brennend rot; Götzen-
bilder tragen ein Tempeldach. An den Pfeilern
links und rechts klingeln Pagodenglocken. Ge-
heimnisvolle Bilder, Haschischträume, breiten
sich an den Wänden. Zwei Nischen öffnen sich
und sind erfüllt von brennendem Orange, von
einem dunstigen Leuchten, das durch die Sei-
denhülle gigantischer Lampions quillt.

Der Architekt dieses Hauses ist ein Ungar
und heißt Hugo Pal. Der Glutwind der Pußta

scheint ihm im Blute zu sitzen. Er hat die
Psyche des Kinos begriffen: das Grelle, Effekt
haschige, Momentane. Ein Blick genügt, um
die fabelhaftesten Geschehnisse von der Lein-
wand zu lesen. Ein Blick genügt, um in das
Parfüm dieses Interieurs zu tauchen. Man
schwimmt in Orange; man atmet Rot; man
fühlt den weichen Wellengang bogiger Linien.

Die Aufgabe war nicht ganz leicht; es galt
die Unzulänglichkeiten des gegebenen Grund-
stücks fortzutäuschen, es waren Achsen, die
auseinanderliefen scheinbar zu einen, Höhen,
die zu niedrig waren, mußten gesteigert wer-
den. Was Päl leistete war eine Art von Illu-
sionsarchitektur. Auch das läßt sich gleich an der
Eingangshalle aufzeigen. Sie ist sehr niedrig;
sie erscheint wesentlich höher. Das macht eine
Wölbung, die in die Decke eingelassen wurde,
eine Himmelsglocke: auf goldigem Grund ein
Kaleidoscop von Gliedern und Leibern. Sof-
fittenlampen werfen scharfes Licht gegen den
Kugelabschnitt; der metallische Grund leuchtet
aus unbestimmbarer Ferne: dadurch hebt sich
die Decke und mit ihr steigt die Höhe des
Raumes. Aus diesem kapriziösen Windfang
gelangt man in die Garderobe; sie ist sehr ge-

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