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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 32.1913

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Breuer, Robert: Grossstadthäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.7014#0043

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Großstadthäuser.

hat vortreffliche Schüler erzogen; die süddeut-
schen Architektenschulen, die um Hocheder,
Thiersch, Seidel, Fischer und Schäfer, weisen
ein sehr gesundes und mit Selbstverständlich-
keit sich äußerndes Niveau. Der jüngere Kreis
der Dresdner entbehrt nicht einer interessanten
und besonders dekorativ beweglichen Eigenart.
Alle diese Zirkel haben Tüchtiges gebaut und
über ganz Deutschland hin, wenigstens spora-
disch, ihren Dialekt verbreitet. Indessen, nie-
mand von all diesen Baumeistern hat mit solcher
dramatischen Unbedingtheit die architekto-
nische Leistung einer örtlich konzentrierten
Menschheit gezwungen, wie das von Messel für
Berlin gilt. Messel ist aus dem modernen Ber-
lin nicht fortzudenken; nur ganz vereinzelt fin-

nur zufrieden sein, wenn diese Unternehmer
wenigstens klug genug sind, sich tüchtige Ge-
hilfen zu suchen. Verhängnisvoller aber bleibt
doch die kapitalkräftige Unfähigkeit, die noch
obendrein so eitel ist, das Architektonische
allein besorgen zu wollen. Und verhängnis-
voll sind all die Schwachen, die vielleicht
aufrichtig und reinlich streben, aber zu wenig
Kräfte haben, um Messels Flug zu folgen.
So bleiben denn die architektonisch wertvollen
Bauten auch in dem von Messel eroberten Ber-
lin seltene Ausnahmen. Einige dieser kost-
baren Qualitäten finden sich unter den diesem
Aufsatz beigegebenen Abbildungen. Da sind
neben dem gewandten und gut geschliffenen
Bernoulli, dem außer Seiden die vortreff-

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den sich Äußerungen einer Baugesinnung und liehen und sehr produktiven Mebes, Taut,







eines Formempfindens völlig anderen Blutes
Davon wird noch zu reden sein. Für's erste,
um bei dem neuberliner Habitus zu verbleiben,
ist Messel als ein absoluter Maßstab und (trotz
all seiner historischen Gebundenheit) als eine
Art fortwirkender Urzeugung zu betrachten.
Welches Dogma selbst durch die Verneinung
des Vertikalismus, wie sie etwa Schaudt gegen
Messel empfand und erfolgreich löste, nicht
verrückt werden kann. Es hat gewiß nicht an
Versuchen gefehlt, durch Novitäten den er-
zieherischen Bann Messels, der eigentlich nie
Schüler, nur Gehilfen hatte, zu durchbrechen.
Nach zwei Richtungen gingen besondere An-
strengungen : der wild-westliche Varietestil und
die über ihr Format quellende Landhaussenti-
mentalität. Auch das Biedermeier, eine Kreu-
zung aus Paretz und Thüringen plus Trianon,
hat an die Pforten Berlins geklopft, hat aber
jenseits bleiben müssen. Es ist überhaupt kaum
irgend jemand hineingekommen, der nicht ir-
gendwie im Zeichen Messels stand, und sei es
nur dem äußeren Scheine nach. Messel hat
gesiegt; er blieb dennoch einsam.

Es wäre Optimismus zu glauben, daß Messels
reines Künstlertum, sein unermüdliches Ringen
um das unscheinbarste Detail, seine elastische'
Energie, die Ganzheit des Baues unter einen
Formenwillen zu zwingen, für Berlin das Nor-
| malmaß der architektonischen Qualität gewor-
| den wäre. Allzuoft hat Messel unter dem Raub-
bau des Spekulanten zu leiden gehabt. Man
! muß wissen, wie in Berlin die Bauproduktion
» zum großen Teil vor sich geht. Es hat nicht

■ etwa der tüchtigste der Architekten die meisten

■ Aufträge, vielmehr der, dem die besten Bank-
\ beziehungen zur Verfügung stehen. So sieht

■ man Leute hochkommen, von denen die Kinder

■ auf der Straße flöten, daß sie niemals auch nur
\ einen Strich gezeichnet haben; und man kann

Schmohl, Breslauer und der leider viel zu
früh verstorbene Habicht zur Seite gehören,
der ganz prachtvolle William Müller, ein
Aristokrat als Mensch und Künstler, der zwar
eklektische, aber sehr gewandte Baumgarten
und der mit tastender Empfindsamkeit begabte
Martens. Selbst Bruno Paul ist hier zu
nennen. So selbständig auch immer seine Möbel
und Landhäuser sein mögen, beim Cityhaus
stellte er sich, sei es aus Instinkt, sei es von ohn-
gefähr, in den Schatten Messels. Und er tat
recht daran ; er findet sich in bester Gesellschaft.
Muß man doch Häuser wie die von Müller und
Martens schon sehr genau ansehen, um die
letzten Feinheiten zu empfinden, um zu spüren,
wie angstvoll und doch wie zielgewiß hier
Menschenseelen um ein Bild des innersten Vor-
stellens rangen. Das ist die wahre Messel-
schule. Sie bewährt sich auch darin, daß ihr
nur der wirklich als ein Künstler wirkende Bild-
hauer würdig erscheint, den Gelenkpunkten
der Architektur eine Akzentuierung zu geben.
Martens ließ die von ihm vielgeliebte und aus
der kopierenden Pressung zur durchfühlten
Handarbeit wieder befreite Keramik durch den
Professor Schmarje Form für Form aufbauen.

Das ist so ungefähr das Beste, was es an Ge-
schäftshäusern und vornehmenPalais, an Kontor-
häusern und respektablen Wohngebäuden im
großstädtischen Berlin als Messels Erbe zu
sehen gibt. Bliebe noch zu reden über die Art
jener andern, von denen Salvisberg einer
der begabtesten und zugleich fruchtbarsten ist.
Süddeutschland und Renaissance gegen Messels
nordische Gotik; eine gesättigte Behäbigkeit
gegen die Strenge der von Schinkel kommen-
den Klassik. Alles um einige Grade lustiger,
derber, fleischlicher. So passen sie beide zu-
sammen, der Architekt der weichen Horizon-
talen und der Bildhauer des sinnlich atmen-

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